Rz. 1
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Häftlinge, die nach § 41 StVollzG zur Arbeitsleistung in der JVA verpflichtet sind, sind keine > Arbeitnehmer, weil sie die Leistungen nicht freiwillig erbringen (> Arbeitslohn Rz 40 ff; > Gefangene). Das gilt nicht für Freigänger, die zu einem Dritten ein Arbeitsverhältnis begründet haben. Diese haben jedoch in der JVA keine > Doppelte Haushaltsführung (EFG 1998, 1313). Auch eine Person, die zur Sicherungsverwahrung in der JVA untergebracht ist und aufgrund freien Entschlusses arbeitet, kann > Arbeitnehmer sein (vgl FG Münster vom 20.09.2023 – 14 K 1227/21 E, EFG 2024, 36 = HaufeIndex 16 079 180). Zur Frage der Scheinselbständigkeit (> Arbeitnehmer Rz 65 ff) bei einem freischaffenden Künstler, der Gefangene in einer sozialtherapeutischen Abteilung einer JVA künstlerisch betreut, vgl BFH/NV 2020, 931 = HFR 2020, 1046.
Rz. 2
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
> Gefangene haben in der JVA idR ihren gewöhnlichen Aufenthalt (> Aufenthalt Rz 2 aE).
Rz. 3
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Hat ein Stpfl aus der JVA heraus auf ein an die Adresse der Eltern geschicktes Schreiben des FA geantwortet, dabei seinen Aufenthalt in der JVA mitgeteilt, aber nicht beantragt, den weiteren Schriftverkehr unter der Adresse der JVA bekannt zugeben, so darf das FA weiterhin davon ausgehen, dass es die bisherige Postadresse bei den Eltern auch für den künftigen Kontakt mit dem Stpfl nutzen kann (vgl FG RP vom 30.10.2013 – 4 K 2591/12, HaufeIndex 6 420 219 = DStRE 2014, 1457). Das gilt insbesondere für einen inhaftieren Rechtsanwalt, der die Bedeutung einer Zustellungsanschrift kennt (EFG 2013, 805).
Rz. 4
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Auch für die > Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten in der JVA gilt die gesetzliche Vermutung, dass ein > Verwaltungsakt am dritten Tag nach Aufgabe zur Post zugegangen ist. Bestreitet ein Häftling dies, muss er Tatsachen vortragen, die den Schluss darauf zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post ernstlich in Betracht zu ziehen ist. An diese Substantiierung sind aber keine allzu hohen Anforderungen zustellen (BFH/NV 2012, 165). Trägt ein Stpfl vor, er habe wegen seiner Inhaftierung einen > Verwaltungsakt auf Umwegen und deshalb erheblich verspätet erhalten, reicht dies aus, um Zweifel an dem vom Gesetz unterstellten Zugang am dritten Tag nach Aufgabe zur Post zu begründen (BFH/NV 1987, 274; > Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten Rz 6).
Rz. 5
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Die Zustellung eines > Verwaltungsakt an einen Insassen der JVA wird durch die Übergabe des Schriftstücks an den an Anstaltsleiter oder einen zuständigen Beamten bewirkt (BFH/NV 2008, 1440). Eine Ersatzzustellung (> Zustellung Rz 8) an die Ehefrau in der bisherigen Wohnung ist nicht möglich, wenn sich der Empfänger mehrere Monate in Haft befindet, weil er dadurch seine Wohnung iSd Zustellungsvorschriften aufgegeben hat (BFH 151, 24 = BStBl 1988 II, 97). Eine öffentliche > Zustellung Rz 20 ist zulässig, wenn der Aufenthaltsort allgemein unbekannt ist; vgl dazu für inhaftierte Stpfl BFH/NV 1991, 13 und Sächs FG vom 14.05.2002 – 3 V 109/02, HaufeIndex 959 540.
Rz. 6
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Allein die erschwerte Kommunikation des Prozessbevollmächtigten mit dem inhaftierten Mandanten rechtfertigt keine > Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist (BFH/NV 2008, 1189).
Rz. 7
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Ein Gericht ist nicht verpflichtet, einen Termin zu verlegen, wenn der Inhaftierte im Hinblick auf die mit einer sog Verschubung verbunden Unannehmlichkeiten auf einen Transport und damit die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verzichtet (BFH/NV 2005, 1581). Das Recht auf > Rechtliches Gehör ist jedoch verletzt, wenn ein Beteiligter zwar grundsätzlich ordnungsgemäß geladen worden ist, die Ladung jedoch mit einer rechtswidrigen Fesselungsanordnung verbunden wurde, und das Gericht, nachdem sich der Beteiligte geweigert hat, unter diesen Bedingungen an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, in dessen Abwesenheit entscheidet (BFH/NV 2023, 1228).
Rz. 8
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Aufwendungen für Besuchsfahrten zur JVA sind keine > Außergewöhnliche Belastungen Rz 75 Freiheitsstrafe. Anderseits ist der Abzug von Unterhaltsleistungen nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich der Empfänger in einer JVA befindet (> Unterhaltsleistungen Rz 89).
Rz. 9
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Wird ein sich in der Ausbildung befindliches Kind in Untersuchungshaft genommen, ist das Kind ähnlich wie bei einer Erkrankung weiterhin als in Ausbildung befindlich zu behandeln, sodass > Kindergeld zu gewähren ist, soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen (BFH/NV 2006, 2067). Dabei darf es sich jedoch nur um eine vorübergehende Unterbrechung der Ausbildung handeln. Diese liegt nicht mehr vor, wenn das Kind weder während der Untersuchungshaft noch im Anschluss an deren Ende eine Ausbildung beginnt oder fortsetzt (BFH 260, 481 = BStBl 2018 II, 402). Auch ...