Gefängnisausbruch mit Löffel und Bettlaken
Der Ausbruch eines Untersuchungshäftlings aus der Haftanstalt im Dezember 2023 war ein Kabinettstück, wie es ein Filmregisseur nicht besser hätte inszenieren können. Mithilfe eines einfachen Löffels und mit aneinander geknoteten Bettlaken ist es einem Häftling gelungen, sich durch ein eigenhändig geschaffenes Loch in der Mauer seiner Zelle in die Freiheit abzuseilen.
Mit Suppenlöffel Loch in die Zellenwand gekratzt
Mithilfe eines einfachen Suppenlöffels und eines abgebrochenen Toilettenpapierhalters hat der Häftling in einer 4 Monate währenden täglichen Kleinarbeit auf einer 30 cm mal 30 cm großen Fläche den Putz von der Zellenwand abgekratzt. Auf diese Weise legte er die dahinter befindlichen Ziegelsteine frei. Den zwischen den Ziegelsteinen befindlichen Mörtel kratzte er mit dem Löffel mühsam weg, um anschließend die Ziegelsteine entfernen zu können. Auf diese Weise entstand Stück für Stück ein 30 x 30 cm großes Loch in der Zellenwand.
An verknoteten Bettlaken in die Freiheit abgeseilt
Vor den täglich stattfindenden Zellenkontrollen stellte der Häftling einen Tisch vor das Loch, sodass es vom Gefängnispersonal nicht entdeckt wurde. Die Justizvollzugsanstalt in Bad Reichenhall verfügt lediglich über wenige Zellen, die direkt durch die Außenwand der JVA begrenzt sind. Eine davon war von dem freiheitsdurstigen Strafgefangenen belegt. Nach Fertigstellung des Durchbruchs gelang es dem 29-jährigen Gefangenen in der Nacht zum 17.12.2023, seinen Körper durch das 30 mal 30 cm große Loch zu zwängen und sich an verknoteten Bettlaken in die Freiheit abzuseilen.
Die Freiheit währte nur einen Tag
Der Genuss der Freiheit währte nicht lange. Einige Bediensteten der Haftanstalt wussten, dass der Gefangene sehr unter der Trennung von seiner einjährigen Tochter litt und einen großen Drang danach hatte, seine Tochter zu sehen. Bereits am Tag nach seiner Flucht konnte der Ausbrecher vor der Wohnung seiner Familie in Traunstein wieder festgenommen werden.
Die Freiheit könnte für lange Zeit verloren sein
Nach seiner Festnahme wurde der Untersuchungsgefangene in die Haftanstalt München-Stadelheim verlegt. Dort befindet er sich nun wegen des Vorwurfs des schweren Bandendiebstahls, der Sachbeschädigung und der Störung der Totenruhe in Untersuchungshaft. In dem beim LG Traunstein anhängigen Verfahren hat das Gericht bereits eine Strafhaft von bis zu 6 1/2 Jahren für den Fall in Aussicht gestellt, dass die gegen den Ausbrecher erhobenen Vorwürfe sich als richtig erweisen sollten. Ihm wird vorgeworfen, gemeinsam mit 2 Komplizen Opferstöcke in Kirchen aufgebrochen sowie Grabkreuze und Grabschmuck von 32 Gräbern auf Friedhöfen gestohlen zu haben.
Nach Ausbruch weniger Haftplätze in der JVA Bad Reichenhall
Die Folgen des Ausbruchs sind für die Strafanstalt Bad Reichenhall durchaus spürbar. Das Loch in der Außenwand der Haftanstalt konnte mit überschaubarem Aufwand wieder repariert werden. Unangenehmer für die Gefängnisleitung sind der Spott und der Hohn der übrigen Gefangenen und der damit verbundene Autoritätsverlust. Außerdem werden seither die an der Außenwand liegenden Gefängniszellen wegen der durch den Ausbruch zutage getretenen Sicherheitsrisiken nicht mehr genutzt. Angesichts der Knappheit der Haftplätze ist dies für die Haftanstalt die wohl bitterste Folge.
7 Monate Freiheitsstrafe wegen Sachbeschädigung
Auch für den Ausbrecher selbst bleibt sein Tun nicht ohne Folgen. Die Justiz hat die Kosten für die Beseitigung des Schadens an der Außenwand auf ungefähr 1.500 EUR beziffert. Innerhalb weniger Wochen wurde der Ausbrecher von der Staatsanwaltschaft wegen der teilweisen Zerstörung eines Bauwerks gemäß § 305 StGB angeklagt. Das zuständige AG Laufen hat den Angeklagten bereits wegen Sachbeschädigung und teilweiser Zerstörung eines Bauwerks zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten ohne Bewährung verurteilt.
Gefängnisausbruch als solcher nicht strafbar
Der Gefängnisausbruch als solcher wurde bei der Bemessung der Strafe nicht berücksichtigt, denn die Selbstbefreiung ist schon seit Inkrafttreten der „Constitutio Criminalis Carolina“ im Jahr 1532 in Deutschland – damals noch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation – straffrei. Bis zum heutigen Tag ist die Flucht eines Strafgefangenen als Folge der Achtung vor dem jedem Menschen innewohnenden natürlichen Freiheitsdrang nicht mit Strafe belegt, die Begehung von Straftaten anlässlich der Flucht wie Sachbeschädigung und die Beschädigung von Bauwerken ist es aber schon.
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