Millionenklage zur „Bielefeld-Verschwörung“ abgewiesen
Immer wieder tauchen Gerüchte auf, dass die ostwestfälische Stadt Bielefeld eine reine Erfindung ist und in Wirklichkeit gar nicht existiert. Sollte an dem von dem Kieler Achim Held in die Welt gesetzten Gerücht etwas dran sein, könnte das für den, für Anfang Juni dieses Jahres geplanten Anwaltstag in Bielefeld ein echtes Problem werden. Ein Anwaltstag in einer Stadt, die nicht existiert, wäre schwer vorstellbar.
Wettbewerb: Beweise, dass es Bielefeld nicht gibt!
Zum 25. Jahrestag des unter dem Begriff „Bielefeld Verschwörung“ bekannt gewordenen Phänomens kam die Marketingagentur der Stadt Bielefeld im Jahr 2019 auf die etwas schräge Idee, die Bielefeld-Verschwörung für das Stadtmarketing zu nutzen. Unter dem Titel „Das Ende der Verschwörung“ veranstaltete die Marketingagentur für die Stadt einen Wettbewerb: Über einen Zeitraum von 14 Tagen sollten Teilnehmer des Wettbewerbs versuchen, den Beweis zu erbringen, dass es die 340.000 Einwohner zählende Metropole Ostwestfalens gar nicht gibt und die Beweise hierfür bei der Marketingagentur einreichen.
„Hauptgewinn“: 1 Mio. EUR
Der Aufruf im Internet enthielt auch gleich Beispiele für mögliche Ebenen der Beweisführung: Überprüfbare Bilder von „Echsenmenschen aus dem Inneren der Erde“, „geheime Botschaften“ aus Kondensstreifen von Ufos, das alles könne als Beweis vorgelegt werden. „Illuminati“ (Erleuchtete) wurden allerdings ausdrücklich von der Teilnahme ausgeschlossen. Der Aufruf endete mit der Aufforderung: „Zeig uns deine Beweise“. Mögliche Teilnehmer sollten durch eine besondere Auslobung zur Vorlage von Beweisen animiert werden: Demjenigen Teilnehmer, dem es gelänge, den Beweis für die Nichtexistenz der Stadt nachvollziehbar zu erbringen, wurde ein Preisgeld von 1 Mio. EUR in Aussicht gestellt.
Teilnehmer forderte von der Stadt Bielefeld die Zahlung von 1 Mio. EUR
Einer der zahlreichen Teilnehmer an dem Wettbewerb – ein Bielefelder Mathematiker – war schließlich fest davon überzeugt, den unwiderlegbaren Beweis für die Nichtexistenz der Stadt Bielefeld erbracht zu haben. Er habe die Nichtexistenz der Stadt zwar nicht empirisch, aber theoretisch abstrakt im Sinne eines axiomatischen Beweises erbracht. Innerhalb des von ihm gewählten axiomatischen Systems sei der Beweis nicht widerlegbar, schon gar nicht durch Sinneswahrnehmungen von Bielefeldern. Er forderte deshalb von der Stadt die Auszahlung des ausgelobten Betrages von 1 Mio. EUR.
Wettbewerb erkennbar als Marketing-Scherz gemeint
Als die Stadt nicht zahlte, zeigte der Teilnehmer, dass er seine Forderung durchaus ernst meinte und verklagte die Stadt auf Zahlung des ausgelobten Betrages. Seine axiomatische Beweisführung hatte er in der Klageschrift detailliert dargestellt. Beim LG Bielefeld hatte er damit keinen Erfolg. Das Gericht war der Auffassung, für jeden Teilnehmer an dem Wettbewerb sei erkennbar gewesen, dass es sich um einen reinen PR-Gag gehandelt habe. Auch die Auslobung der Zahlung von 1 Mio. EUR sei erkennbar nicht ernst gemeint gewesen und sei daher rechtlich nicht verbindlich.
LG hält die Existenz von Bielefeld für offenkundig
Schließlich war das Gericht überraschenderweise auch der Auffassung, dass dem Kläger der Beweis der Nichtexistenz der Stadt nicht wirklich gelungen sei. Nach den Bedingungen des Wettbewerbs seien ausschließlich empirische Nachweise zulässig gewesen, nicht aber der vom Kläger geführte theoretische Beweis innerhalb eines geschlossenen axiomatischen Systems. Hierbei handle es sich lediglich um eine intellektuelle Spielerei, nicht aber um einen naturwissenschaftlichen Beweis. Deshalb lehnte das Gericht auch die Einholung des vom Kläger beantragten Sachverständigengutachtens zur Schlüssigkeit der axiomatischen Beweisführung ab. Die Urteilsbegründung gipfelt in dem Satz: „Dass die Stadt Bielefeld existiert, ist eine offenkundige Tatsache und bedarf keines Beweises (im Sinne der ZPO), § 291 ZPO“.
Surreales Verfahren mit realen Verfahrenskosten
Das gesamte Verfahren wirkt auf Außenstehende etwas skurril und surreal. Real sind aber die nicht unerheblichen, mit der Millionenklage verbundenen Verfahrenskosten, die allein der Kläger zu tragen hat.
Der Anwaltstag 2024 soll real in Bielefeld stattfinden
Wie auch immer man zu der Sache steht, die Durchführung des Anwaltstags Anfang Juni dieses Jahres ist zumindest zur Hälfte gesichert. Der 1. Teil soll nämlich virtuell stattfinden und erst der 2. Teil analog und in Anwesenheit der Teilnehmer in der Stadt Bielefeld. Die analogen Teilnehmer werden dann selbst herausfinden, was es mit der Bielefeld-Verschwörung auf sich hat.
(LG Bielefeld, Urteil v. 26.9.2023, 1 O 11/22)
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