Rz. 100
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Ein Kind wird bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres berücksichtigt, wenn es eine Berufsausbildung (> Rz 65 ff) im In-oder Ausland mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann, sich aber um einen Ausbildungs-/Studienplatz zum nächstmöglichen Termin bemüht (BFH/NV 2015, 322). § 32 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Buchst c EStG überbrückt die "Lücke" oder "Zwangspause" zwischen einem beendeten Ausbildungsabschnitt und einem angestrebten neuen Ausbildungsabschnitt (vgl ergänzend A 17 DA-KG [> Rz 9]). Denn auch bei einer Verknappung von Lehr- und Studienplätzen leisten die Eltern typischerweise Unterhalt, die die Berücksichtigung des Kindes rechtfertigen (Gesetzesbegründung – BT-Drs 10/2884).
Das Kind muss entweder bereits einen Ausbildungsplatz in Aussicht haben (> Rz 101) oder noch auf der Suche danach sein (> Rz 102).
Rz. 101
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Das ist gegeben, wenn dem Kind bereits ein Ausbildungsplatz zugesagt worden ist, der Ausbildungsbeginn sich aber aus organisatorischen Gründen, zB bis zum Beginn des Schuljahres oder Semesters oder aus betriebsorganisatorischen Gründen, verzögert (BFH 203, 98 = BStBl 2003 II, 845) oder eine Förderung nicht rechtzeitig bewilligt wird (EFG 2004, 1463). Wird der Ausbildungsbeginn auf Wunsch des Kindes hinausgeschoben, gilt es erst dann wieder als ausbildungswillig (> Rz 103), sobald ihm erneut ein Ausbildungsplatz zugesagt wird (BFH/NV 2013, 1774). Eine während der Wartezeit ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit schließt die Berücksichtigung nicht aus (BFH 230, 61 = BStBl 2010 II, 982; BFH/NV 2011, 1329; § 32 Abs 4 Satz 2 EStG gilt nur nach Abschluss der Erstausbildung). Eine unverbindliche Aussicht auf einen Ausbildungsplatz genügt aber nicht; auch nicht ein als ‚Praktikum’ bezeichnetes gering bezahltes Arbeitsverhältnis (BFH/NV 2010, 1423; dazu > Rz 72).
Rz. 102
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Für die Suche nach einem Ausbildungsplatz kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das Kind objektiv überhaupt einen Ausbildungsplatz finden kann (zB bei fehlenden Angeboten); abzustellen ist vielmehr auf den individuellen Ausbildungswunsch des Kindes (> Rz 63, > Rz 65). Kann ein Kind einen Ausbildungsplatz bereits deshalb nicht antreten, weil dem ausländerrechtliche Vorgaben entgegenstehen, ist § 32 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Buchst c EStG aber nicht anwendbar (BFH 233, 44 = BStBl 2012 II, 210). Zum Beginn der Berufsausbildung und ihrer Beendigung > Rz 80 ff.
Rz. 103
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Das Kind muss ausbildungswillig sein (BFH/NV 2015, 322) und beabsichtigen, die Ausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beginnen oder fortzusetzen. Dabei ist zwar grundsätzlich jeder Ausbildungswunsch des Kindes zu berücksichtigen, die Verwirklichung darf aber nicht an den persönlichen Möglichkeiten des Kindes scheitern (> R 32.7 EStR). Das Kind darf das Ergebnis seiner Bewerbung abwarten, ohne sich parallel um andere Ausbildungsplätze bemühen zu müssen. Unschädlich ist, dass aufgrund der Bewerbungen kein konkreter Berufswunsch feststellbar ist, wenn sich das Kind auf verschiedene Stellen bewirbt (EFG 2005, 455).
Rz. 104
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Ausbildungswilligkeit wird verneint, wenn das Kind sich um einen Ausbildungsplatz bewirbt, für den es die objektiven Anforderungen nicht erfüllen kann (BFH/NV 2000, 432; 2004, 473; EFG 2015, 656, NZB unbegründet nach BFH/NV 2015, 1005); ebenso wenn der Ausbildungsbeginn wegen einer – wenn auch geringfügigen – anderen Beschäftigung des Kindes hinausgeschoben wird (BFH 203, 94 = BStBl 2003 II, 843) oder wenn das Kind sich über seinen weiteren beruflichen Werdegang unschlüssig ist (EFG 2001, 296).
Rz. 104/1
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Ein Kind, das sich um einen Platz in einem der Freiwilligendienste bemüht, ist nicht ausbildungswillig iSv § 32 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Buchst c EStG; denn die Freiwilligendienste (> Rz 108 ff) bieten grundsätzlich keine Berufsausbildung (zu Ausnahmen > Rz 76) und sind folglich keine "Ausbildungsplätze" iSv § 32 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Buchst c EStG (vgl BFH 203, 90 = BStBl 2003 II, 841); ggf kommt aber eine Berücksichtigung bei einem nicht länger als vier Monate dauernden Übergangszeitraum in Betracht (> Rz 94 ff [95]).
Rz. 105
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Besonderheit: Ein Kind wird nach § 32 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Buchst c EStG berücksichtigt, wenn es wegen eines Beschäftigungsverbots während des Mutterschutzes nach §§ 3, 6 MuSchG oder einer Erkrankung daran gehindert ist, seine Ausbildung zu beginnen oder fortzusetzen (vgl A 17.2 DA-KG [> Rz 9]). Anders (keine Berücksichtigung), wenn das voraussichtliche Ende der Erkrankung nicht absehbar ist (BFH 271, 29 = BStBl 2021 II, 390; BFH/NV 2021, 938; > Rz 110 ff) oder bei einem Kind, das sich nach Ablauf des Mutterschutzes nicht mehr um einen Ausbildungsplatz bemüht, selbst wenn sich die junge Mutter wegen der Betreuung des eigenen Kindes nicht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühen kann (BFH/NV 2010, 619), auch wenn die Eigenbetreuung des Kindes durch den M...