Rz. 170

Stand: EL 136 – ET: 11/2023

Die einem Elternteil oder beiden Elternteilen zustehenden Freibeträge kann (> Ermessen) das FA auf Antrag auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (vgl § 32 Abs 6 Satz 10 EStG). Dazu besteht nicht nur iRd Veranlagung, sondern ggf schon beim > Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren Gelegenheit (> Rz 141). Zum Stiefkind > Rz 43; Stiefelternteil ist, wer ein Kind seines > Ehegatten/> Lebenspartner in seinen Haushalt aufgenommen hat (vgl § 63 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG).

 

Rz. 171

Stand: EL 136 – ET: 11/2023

Für die Aufnahme in den Haushalt (vgl § 32 Abs 6 Satz 10 EStG) ist entscheidend, wer das Kind tatsächlich in seiner Obhut hat, nicht bei wem es mit Wohnung gemeldet ist. Das Kind muss für eine gewisse Dauer, zB einen Lebensabschnitt, in der Wohnung des Stiefelternteils oder der Großeltern sein Zuhause haben; ein Kind, das sich wechselweise bei seinen Eltern und bei anderen Personen aufhält, ist deshalb nicht in deren Haushalt aufgenommen. So unterbricht zB ein vorübergehender Aufenthalt des Kindes bei den Großeltern nicht die Haushaltszugehörigkeit zur Mutter (EFG 2001, 1559); ebenso bei einem von vornherein zeitlich begrenzten Aufenthalt (BFH 195, 564 = BStBl 2001 II, 713). Ein Enkelkind kann aber auch dann im Haushalt der Großeltern zuhause sein, wenn die Großeltern keinen eigenen, sondern einen gemeinsamen Haushalt mit den Eltern des Kindes führen. Unmaßgeblich ist, in welchem Umfang die Großeltern die Gesamthaushaltskosten tragen, da das Zusammenleben mit gemeinsamer Versorgung in einem Haushalt ausreichend ist (vgl A 13 DA-KG [> Rz 9]). Zu weiteren Einzelheiten > Haushaltszugehörigkeit.

 

Rz. 172

Stand: EL 136 – ET: 11/2023

§ 32 Abs 6 Satz 10 EStG unterscheidet zwei Tatbestände:

Halbsatz 1: Ein Stief- oder Großelternteil beantragt die Übertragung der Freibeträge ohne Mitwirkung oder ggf sogar gegen den Willen der Eltern. Dies sind typischerweise Fälle, in denen der berechtigte Elternteil nicht im gemeinsamen Haushalt lebt und weder angemessene finanzielle Leistungen (Barunterhalt) erbringt noch seiner Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung des Kindes nachkommt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Stpfl das Kind in den eigenen Haushalt aufnimmt; dazu gehört, dass er es verpflegt, versorgt und betreut. UE ist § 32 Abs 6 Satz 10 EStG als Ergänzung des in Satz 6 behandelten Tatbestands auszulegen. Die Übertragung setzt deshalb voraus, dass der Stief- oder Großelternteil das Kind unterhält und der betroffene Elternteil seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr nicht im Wesentlichen nachkommt (zu den Voraussetzungen > Rz 163 ff). Solange ein Elternteil den Unterhalt seines Kindes trägt, kann ihm uE die steuerliche Kinderermäßigung nicht gegen seinen Willen entzogen werden; das wäre eine ermessensfehlerhafte Entscheidung des FA.
 

Rz. 173

Stand: EL 136 – ET: 11/2023

Halbsatz 2: Die Übertragung wird beantragt, weil der Stiefeltern- oder Großelternteil gegenüber dem Kind unterhaltspflichtig ist. Regelmäßig wird es sich hier um Fälle handeln, in denen das Kind mit dem Elternteil gemeinsam in einem Haushalt mit dem Stiefelternteil oder den Großeltern lebt (vgl für das Kindergeld § 63 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 3 EStG). Vgl dazu BMF vom 28.06.2013, BStBl 2013 I, 845, ergänzt durch BMF vom 17.01.2014, BStBl I 2014, 109.
 

Rz. 174

Stand: EL 136 – ET: 11/2023

Schließlich können die Freibeträge für Kinder in den Fällen der > Rz 172 und > Rz 173 auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils übertragen werden (vgl § 32 Abs 6 Satz 11 EStG). Die Zustimmung kann auch auf eine längere Dauer als das laufende Kalenderjahr gegeben werden. Dann ist ein Widerruf beim > Wohnsitz-Finanzamt des Stief- oder Großelternteils nur für künftige Kalenderjahre zulässig.

 

Rz. 175

Stand: EL 136 – ET: 11/2023

Die Freibeträge für Kinder (> Rz 6) können nur zusammen auf den Stiefeltern- oder Großelternteil übertragen werden. Mit der Übertragung auf den Stiefeltern- oder Großelternteil verliert der leibliche Elternteil den Anspruch auf den Kinderfreibetrag und den Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf. Wird er zur ESt veranlagt, werden bei ihm mithin Freibeträge für Kinder und ggf auch die von einem Anspruch darauf abhängigen > Kinderadditive (> Rz 167) nicht berücksichtigt.

 

Rz. 176

Stand: EL 136 – ET: 11/2023

Ist der leibliche Elternteil im Zeitpunkt der Übertragung bereits veranlagt worden, kann das FA den > Steuerbescheid nach § 173 AO ändern (> Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten Rz 14 ff). Stimmt der berechtigte Elternteil einer Übertragung erst nach Bestandskraft des ESt-Bescheids des Stiefelternteils bzw der Großeltern zu und beantragen diese deshalb erst nachträglich die Berücksichtigung der Freibeträge für Kinder, wird das FA die Steuerfestsetzung nach § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AO ändern (> Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten Rz 44 ff). Werden die übertragenen Freibeträge beim Stiefeltern...

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