Übertragung des BEA-Freibetrags bei Antrag Kinderfreibetrag

Bislang war es gängige Praxis, dass die Übertragung des Kinderfreibetrags stets auch zur Übertragung des Freibetrags für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag) führt.

§ 32 Abs. 6 EStG bis 2020

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes (BEA-Freibetrag) vom Einkommen abgezogen.

Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht. Abweichend hiervon wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist (§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG).

Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende BEA-Freibetrag auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen (§ 32 Abs. 6 Satz 8 EStG). Eine Übertragung scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.

Übertragung: Bisherige Auffassung der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung ging bisher davon aus (BMF, Schreiben v. 28.6.2013, IV C 4 - S 2282-a/10/10002, Rz. 5), dass die Übertragung des Kinderfreibetrags stets auch zur Übertragung des BEA-Freibetrags führt. Hierfür ergab sich aber im Gesetz keinerlei Grundlage.

BFH: Volljährige Kinder keine Übertragung möglich

Aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts hat der BFH aber entschieden (Urteil v. 22.04.2020, III R 61/18 und III R 25/19), dass für ein über 18 Jahre altes Kind eine Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden einfachen BEA-Freibetrages nicht vorgesehen ist. Eine Auslegung dahin, dass - entgegen dem Wortlaut des § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG - der BEA-Freibetrag auch bei volljährigen Kindern übertragen werden kann, ist nicht möglich. Weder die Gesetzesmaterialien oder die Entstehungsgeschichte noch die Gesetzessystematik deuteten darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG auch die Übertragung des einfachen BEA-Freibetrages bei volljährigen Kindern regeln wollte, soweit ein Elternteil seinen Unterhaltspflichten im Wesentlichen nicht nachkommt. Vielmehr lasse sich den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass der einfache BEA-Freibetrag jedem Elternteil "unabhängig von den tatsächlichen Aufwendungen" bzw. "ohne dass es auf eine Verletzung von Unterhaltspflichten des anderen Elternteils ankommt", gewährt werden soll.

Gesetzesänderung 2021

Durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz vom 2.6.2021 wurde § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG mit Wirkung ab dem VZ2021 dahingehend geändert, dass der vom BFH bemängelte Widerspruch zwischen Verwaltungshandlung und Gesetzeswortlaut beseitigt wurde. Die Übertragung des Kinderfreibetrags führt nun stets zur Übertragung des BEA-Freibetrags, unabhängig vom Alter des Kindes.

Rechtsprechung für offene Fälle vor 2021 ist anzuwenden

Da das Urteil des BFH im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird, ist es für offene Altfälle anzuwenden. Sind demnach z. B. noch Erstveranlagungen oder Änderungsveranlagungen (z. B. bei einem offenen Einspruchsverfahren) durchzuführen, sollte - im Rahmen einer Übertragung des Kinderfreibetrags auf den antragsstellenden Elternteil - darauf geachtet werden, dass bei volljährigen Kindern der halbe Betreuungs- und Erziehungs- und Ausbildungsbedarfs i. H. v. 1.320 EUR direkt vom Einkommen (des übertragenden Elternteil) abgezogen wird. Eine Günstigerprüfung ist nicht durchzuführen.

§ 31 Satz 4 EStG bestimmt, dass bei nicht zusammenveranlagten Eltern der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt wird. Da bei dem übertragenden Elternteil kein Kinderfreibetrag berücksichtigt wird, kann auch kein Kindergeld angesetzt werden. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass eine Änderung zuungunsten des anderen Elternteils aufgrund des Vertrauensschutzes gemäß § 176 Abs. 2 AO nicht in Betracht kommt.


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