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Auf einen Blick: Das persönliche > Existenzminimum wird mit dem > Grundfreibetrag und durch den Familienleistungsausgleich steuerfrei gestellt. Alle Aufwendungen für die private Lebensführung sind damit abgegolten, soweit sie keine SA oder AgB sind (§ 12 EStG). Privat und beruflich veranlasste ("gemischte") Aufwendungen werden grundsätzlich in nicht abziehbar und abziehbar aufgeteilt. Ist keine Aufteilung möglich, bleibt weiterhin auch der WK-Anteil nicht abziehbar. |
A. Grundsätzliches
I. Abgeltung des Existenzminimums durch Grundfreibetrag und Familienleistungsausgleich
Rz. 1
Stand: EL 122 – ET: 05/2020
Der lebensnotwendige Aufwand eines Stpfl für die Grundbedürfnisse der Lebenshaltung wird typisierend durch den > Grundfreibetrag des § 32a Abs 1 Satz 2 Nr 1 EStG abgegolten (vgl BFH 161, 109 = BStBl 1990 II, 969 mwN; ergänzend > Existenzminimum Rz 3). Zu den mit dem Grundfreibetrag abgegoltenen Aufwendungen zählen vor allem die Kosten für Wohnung, Ernährung, Kleidung, Allgemeinbildung und Freizeitgestaltung sowie idR auch für Pflege und Gesundheit (Tipke, StuW 1979, 193; vgl BMF vom 06.07.2010, Rz 4, BStBl 2010 I, 614 zu weiterem Bedarf); die zusätzliche Belastung der Eltern durch ihre Kinder wird durch den > Familienleistungsausgleich (vgl § 31 EStG), also durch das > Kindergeld oder die Freibeträge des § 32 Abs 6 EStG (> Kinderfreibeträge) abgegolten; uE gehört auch der > Ausbildungsfreibetrag des § 33a Abs 2 EStG systematisch hierher. Die Abgeltung ist unabhängig vom individuellen Lebensstandard des Stpfl und gilt ebenso für bescheidene wie für luxuriöse Lebensverhältnisse. Deshalb darf der Stpfl grundsätzlich weder bei den einzelnen Einkunftsarten (> Einkünfte Rz 1) noch vom GdE (> Einkünfte Rz 2) abziehen, was er für seinen Haushalt und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufwendet (§ 12 Nr 1 Satz 1 EStG). Dazu gehören auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Stpfl mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit erfolgen (§ 12 Nr 1 Satz 2 EStG; vgl aber > Rz 4 ff).
II. Rechtssystematische Hinweise
Rz. 2
Stand: EL 122 – ET: 05/2020
§ 12 EStG dient der grundsätzlichen Abgrenzung der Erwerbssphäre von der Einkommensverwendung in der Privatsphäre. Die Vorschrift weist in derzeit vier Positionen bestimmte Ausgaben der privaten Sphäre zu; diese > Abzugsverbote schließen die Ermittlung der > Einkünfte ein. Im Eingangssatz regelt § 12 EStG, was zwar der privaten Sphäre zuzuordnen ist – also nicht zur Einkunftsermittlung gehört –, aber vor allem mit Blick auf das subjektive > Nettoprinzip Rz 1, 4 gleichwohl steuermindernd idR bis zu bestimmten Höchstbeträgen berücksichtigt werden darf (> Sonderausgaben, > Außergewöhnliche Belastungen).
Rz. 2/1
Stand: EL 122 – ET: 05/2020
Die mit dem > Grundfreibetrag und dem > Familienleistungsausgleich abgegoltenen (> Rz 1) Aufwendungen für die Lebenshaltung sind übrigens schon deshalb keine WK/BA, weil sie eben nicht beruflich, sondern privat veranlasst sind. § 12 Nr 1 EStG hat nach hM – überwiegend – deklaratorische (rechtserklärende) Bedeutung, bietet aber eine Interpretationshilfe zur näheren Bestimmung des objektiven Nettoprinzips (vgl Tipke, StuW 1979, 203 FN 44; Söhn, JbDStJG 3, 13 [51 ff]; Ruppe, JbDStJG 3, 103 [121 ff]; > Nettoprinzip, > Werbungskosten Rz 2). § 12 Nr 1 Satz 2 EStG hat konstitutive Bedeutung; die zwingende Anwendung des Aufteilungs- und Abzugsverbots ist aber heutzutage begrenzt auf gemischte Aufwendungen, die nicht trennbar/aufteilbar sind (> Rz 3/2 und > Rz 5 ff).
Rz. 2/2
Stand: EL 122 – ET: 05/2020
§ 12 EStG hat grundsätzlich Vorrang vor den für die Einkunftsermittlung geltenden Abzugsverboten. Diese > Abzugsverbote enthalten aber besonders in § 9 Abs 5 Satz 1 iVm § 4 Abs 5 EStG und in § 9 Abs 1 Satz 3 EStG wiederum spezialgesetzliche Ausnahmen zu § 12 EStG (Abzug von > Werbungskosten), die diesem vorgehen. Aus diesem komplexen Geflecht von Vorschriften ergibt sich im Ergebnis eine gesetzliche Zuordnung bestimmter Aufwendungen zur beruflichen/betrieblichen und zur privaten Sphäre, die auch von der Rechtsprechung zu beachten ist, soweit sie sich in verfassungsmäßigen Grenzen hält. Zu Einzelheiten > Rz 3 ff.
Rz. 2/3
Stand: EL 122 – ET: 05/2020
§ 12 EStG gilt aber nur für "Ausgaben"; für die Seite der > Einnahmen gilt die Vorschrift nicht (vgl BFH 210, 420 = BStBl 2006 II, 30 mwN). Das hat zB Auswirkungen auf die Besteuerung geldwerter Vorteile aus einer beruflichen Reise mit privaten Bezügen (> Reisekosten Rz 55 ff).
III. Abgrenzung der beruflichen von der privaten Sphäre im EStG
Rz. 3
Stand: EL 122 – ET: 05/2020
Die Trennung der beruflich/betrieblich veranlassten und deshalb als WK/BA abziehbaren Aufwendungen von den privat veranlassten, über den > Grundfreibetrag und den > Familienleistungsausgleich hinaus nicht abziehbaren Aufwendungen ist im Prinzip bezogen auf den Einzelfall erforderlich (zu solchen Einzelfällen > Rz 15). Vorrangig hat aber der Gesetzgeber typisierende Bewertungen (> Typisierende Betrachtungsweise) vorgenommen, indem er bestimmte – idR bei vielen Stpfl anfallende – gemischte Aufwendungen für die Ermittlung der > Einkünfte gesetzlich der beruf...