Rz. 7
Stand: EL 102 – ET: 04/2014
Das seit über 90 Jahren angewandte Steuerabzugsverfahren hat sich bewährt. Wenn auch die sich wandelnden wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Verhältnisse Anpassungen und Korrekturen notwendig gemacht haben, so ist doch das System im Kern unverändert geblieben. Seine Handhabung hat sich bei den ArbG, den ArbN und den Finanzbehörden eingespielt; es ist übrigens auch von anderen Staaten eingeführt worden. Dem Staat ist so eine ungewöhnlich ertragreiche, schnell fließende und – in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung – kostengünstige Steuerquelle erschlossen worden. Auch das BVerfG und der BFH sehen im LSt-Abzug eine unverzichtbare Form der Steuererhebung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (BFH 170, 436 [440] = BStBl 1993 II, 479).
Rz. 8
Stand: EL 102 – ET: 04/2014
Die Fortbildung des Lohnsteuerrechts liegt in der Hand der Gesetzgebung, der Finanzbehörden und der Steuergerichte. Alle diese Organe des Staates haben dazu ihren spezifischen Beitrag zu leisten. Sie alle sollten beachten, dass Veränderungen des Lohnsteuerrechts die Vielzahl der damit befassten ArbG, ArbN, die steuerberatenden Berufe und die Steuerbeamten belasten. Die LSt kann umso einfacher, schneller und gleichmäßiger erhoben werden, je stabiler die Rechtsgrundlagen (> Rechtsquellen des Lohnsteuerrechts) und ihre Anwendung sind.
Rz. 9
Stand: EL 102 – ET: 04/2014
Folgende Entwicklungslinien für die absehbare Zukunft zeichnen sich ab: Der LSt-Abzug bleibt als besondere Erhebungsform der ESt unverzichtbar, weil seine Vorteile für die Beteiligten insgesamt deutlich überwiegen. Alle ArbN – auch solche, die nur gelegentlich beschäftigt werden – statt dessen zu veranlagen und vierteljährliche oder gar monatliche Vorauszahlungen festzusetzen und ggf beizutreiben, würde nicht nur die Festsetzung-, sondern auch die Erhebungstellen der FÄ überfordern. Eine solche Umstellung würde die ArbN zwingen, selbst bei engen finanziellen Verhältnissen die nächsten Vorauszahlungen an das FA rechtzeitig einzuplanen, wenn sie Vollstreckungsmaßnahmen vermeiden wollten. Die ArbG würden nur dann spürbar entlastet, wenn auch der Abzug des Gesamtbeitrags zur > Sozialversicherung entfallen könnte und die daraus erhoffte Arbeitsentlastung nicht durch Lohnpfändungen der FÄ und der Einzugstellen aufgezehrt würden. Schließlich erscheint es fraglich, ob auf die Außenprüfung der ArbG zur Ermittlung des Arbeitslohns verzichtet werden könnte.
Rz. 9/1
Stand: EL 102 – ET: 04/2014
Rechtssystematisch bleibt die Regelung des Verfahrensrechts unbefriedigend. Die AO als das eigentliche Verfahrensgesetz ist konzeptionell bisher nur auf die Arbeitsabläufe der FÄ und das Veranlagungsverfahren zugeschnitten. Die Probleme eines Steuerabzugsverfahrens werden nur in Randbereichen behandelt. Das führt zu Spannungen bei der Lösung grundlegender Fragen; > Steuerabzugsverfahren Rz 10. Nachdem in 2002 mit der Bauabzugsteuer (vgl § 48 ff EStG) ein weiterer Anwendungsfall des Steuerabzugs an der Quelle eingeführt und die KapESt (vgl §§ 43 ff EStG) erheblich ausgedehnt worden ist, wäre an sich eine steuerliche Lösung der gemeinsamen Grundsatzfragen in der AO wünschenswert. Wegen der Verflechtung mit anderen Rechtsgebieten, bei der LSt zB mit dem Arbeitsrecht und dem Recht der Sozialversicherung, ist das aber keine einfache Aufgabe. Eine solche Reform würde die öffentlichen Haushalte immerhin nicht belasten. Ein damit befasstes Gremium der FinVerw hat allerdings eine vorteilhaftere Lösung nicht entwickeln können.
Rz. 10
Stand: EL 102 – ET: 04/2014
Bei der Fortentwicklung des LSt-Abzugs ist zu beachten, dass der Gleichheitssatz des Art 3 Abs l GG es verfassungsrechtlich verbietet, beim Steuerabzug bewusst, nachhaltig und in größerem Umfang zu einer anderen steuerlichen Belastung zu kommen als im Veranlagungsverfahren. Das zwingt dazu, die Typisierung von Sachverhalten, soweit sie zur Vereinfachung des alljährlich für Millionen von Stpfl durchzuführenden Veranlagungsverfahrens notwendig erscheint, für beide Verfahren einheitlich zu gestalten. Die dabei angewandte Pauschalierung abziehbarer Aufwendungen kann einzelne Gruppen von Stpfl begünstigen oder benachteiligen. Sachlich motivierte Pauschalierungen und die mit ihnen zwangsläufig verbundene Ungleichheit in den Auswirkungen im Einzelfall betrachtet das BVerfG – solange die Ungleichheit in sachlich begründeten Grenzen bleibt – als natürliche Nebenfolgen, nicht aber als willkürliche gleichheitswidrige Gestaltungen des Gesetzgebers. Für die steuerliche Praxis sollten sich alle Stellen grundsätzlich vor Augen halten, dass in einem Massenverfahren bürokratische Perfektion nicht möglich, aber auch nicht angebracht ist. Überspannter Perfektionismus belastet die steuerliche Gleichbehandlung eher, als dass er sie fördert.
Rz. 11
Stand: EL 110 – ET: 10/2016
Bedenken begegnet die tendenziell zunehmende Anwendung der > Pauschalierung der Lohnsteuer gemäß §§ 40 – 40b EStG. Dieses Verfahren ist eine Besonderheit innerhal...