Rz. 1
Stand: EL 139 – ET: 09/2024
Das Besteuerungssystem geht vom Untersuchungsgrundsatz des § 88 AO (> Ermittlungspflicht des Finanzamts) aus. Dazu dienen auch Mitteilungspflichten Dritter (> Mitteilung an das Finanzamt, > Veranlagung von Arbeitnehmern Rz 165 ff). IdR hat aber zunächst einmal der Stpfl dem FA seine Besteuerungsgrundlagen selbst zu erklären. Sie müssen vollständig und wahrheitsgemäß offengelegt und bekannte Beweismittel angegeben werden, wobei sich der Umfang dieser Pflichten nach den Umständen des Einzelfalls richtet (vgl § 90 Abs 1 AO). Dazu gehört vor allem die sorgfältige und vollständige Erstellung der > Steuererklärung.
Rz. 1/1
Stand: EL 139 – ET: 09/2024
Im LSt-Abzugsverfahren hat der > Arbeitgeber besondere Mitwirkungspflichten wie zB das für jeden ArbN zu führende > Lohnkonto Rz 2 und die > Lohnsteuerbescheinigung. Auch der > Arbeitnehmer selbst ist verpflichtet, an der Erfassung und Klärung von Sachverhalten mitzuwirken. So verpflichtet ihn zB § 38 Abs 4 Satz 3 EStG, dem ArbG anzugeben, dass er einen geldwerten Vorteil von einem Dritten erhalten hat (> Lohnzahlung durch Dritte Rz 9 ff). Für die > Außenprüfung Rz 43 ff ergänzen § 200 AO und § 42f Abs 2 EStG die Verpflichtung der Stpfl, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Nach § 42g Abs 3 EStG bestehen Mitwirkungspflichten zudem im Rahmen einer > Lohnsteuer-Nachschau Rz 14 ff.
Rz. 2
Stand: EL 139 – ET: 09/2024
Bei Sachverhalten, die die eigene Verantwortungssphäre des Stpfl im > Ausland berühren, hat der Stpfl eine erhöhte Mitwirkungspflicht (vgl § 90 Abs 2 und 3 AO); das betrifft auch den außerdeutschen Bereich der > Europäische Union (BFH/NV 2006, 904). Im Ausland sind die Möglichkeiten des FA zu eigenen Ermittlungen eingeschränkt; das gilt besonders für Staaten, mit denen keine Erteilung von Auskünften vereinbart ist. So gilt zB eine erhöhte Auskunftspflicht, wenn ein Stpfl Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Angehörige steuermindernd geltend macht (vgl dazu BMF vom 06.04.2022, Rz 3 ff, BStBl 2022 I, 623; > Unterhaltsleistungen Rz 170, 180ff). Es genügt, wenn nur ein Teil des zu beurteilenden Sachverhalts Auslandsbezug hat (BFH/NV 2006, 1785). In DBA-Fällen wird § 90 Abs 2 und 3 AO durch § 50d Abs 8 EStG ergänzt; zu Einzelheiten > Doppelbesteuerung Rz 343 ff. Anders als das FA haben die FG keinen unmittelbaren Anspruch gegenüber dem Stpfl (EFG 2015, 421). Für Unternehmen sowie für bestimmte grenzüberschreitende gesellschaftsrechtliche Beziehungen und Gestaltungen gelten ergänzende Regelungen, zB insbesondere nach den §§ 138ff AO. Vgl zudem > Steueroasen.
Rz. 2/1
Stand: EL 139 – ET: 09/2024
Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug muss sich der Stpfl selbst rechtzeitig um Nachweise kümmern (vgl § 90 Abs 2 Satz 3 AO). Ist eine Aufklärung mit seiner Hilfe nicht möglich, trifft ihn grundsätzlich die Feststellungslast (> Beweislast; vgl BFH 149, 375 = BStBl 1987 II, 487; BFH 156, 38 = BStBl 1989 II, 462). Da die Erfüllung dieser Mitwirkungspflichten erforderlich, möglich, zumutbar und verhältnismäßig sein muss (BFH 151, 333 = BStBl 1988 II, 115), können aber hinsichtlich der Beschaffung amtlicher Bescheinigungen aus Krisengebieten Beweiserleichterungen geboten sein. Die Anforderungen an den Nachweis der Zahlung von Unterhalt an Angehörige im Ausland und bestimmter Beweismittel gehören zur Rechtsanwendung und können vom BFH überprüft werden (BFH 208, 531 = BStBl 2005 II, 483).
Rz. 3
Stand: EL 139 – ET: 09/2024
Bei einer Verletzung der Mitwirkungspflicht, zB wenn der Stpfl der FinVerw keine > Steuererklärung übermittelt, kann das FA eine > Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vornehmen. Geschätzt wird auch im LSt-Abzugsverfahren (> Schätzung Rz 9 ff), zB wenn der ArbG keine LSt einbehält (> Lohnsteuer-Anmeldung Rz 10).
Rz. 4
Stand: EL 139 – ET: 09/2024
Kann das FA bei der > Veranlagung von Arbeitnehmern im Wege der > Amtshilfe keine brauchbaren Auskünfte von ausländischen Staaten erhalten, kann sie den Stpfl auffordern, die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern (vgl § 95 Abs 1 AO). Kommt er dem nicht nach, kann das FA widerlegbar vermuten, dass stpfl > Einkünfte – also nicht nur > Einnahmen, sondern auch abziehbare Aufwendungen – erzielt worden sind und kann eine > Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vornehmen (vgl § 162 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 AO). Zu weiteren Rechtsfolgen außerhalb der ArbN-Besteuerung vgl § 162 AO und den AEAO. Zu strafrechtlichen Folgerungen bei fehlender Mitwirkung vgl BFH 215, 66 = BStBl 2007 II, 364.
Rz. 5
Stand: EL 139 – ET: 09/2024
Die Mitwirkungspflicht des Stpfl steht der > Ermittlungspflicht des Finanzamts aus § 88 AO gegenüber. Bei einem Versäumnis sind die Pflichten für die Verteilung der sich ergebenden Nachteile gegeneinander abzuwägen (BFH 151, 333 = BStBl 1988 II, 115). So ist zB die Änderung eines Steuerbescheids zulässig, wenn das FA zwar seiner Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts nicht nachgekommen ist, dies aber dadurch mitbedingt war, dass der Stpfl seinerseits...