Anforderung von Unterlagen durch die Finanzbehörde

Trotz Belegvorhaltepflicht fordern Finanzämter oftmals Unterlagen z. B. Mietverträge im Veranlagungsverfahren an. Allein mit Hinweis auf die DSGVO kann eine solche Vorlage nicht wirksam verweigert werden.

Blick in die aktuelle Rechtslage

Die Finanzverwaltung kann sich zur Ermittlung eines steuerrelevanten Sachverhalts Beweismittel wie z. B. Urkunden und Akten bedienen (§ 92 AO).

Auf Verlangen sind Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 AO).

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sieht Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Verkehr solcher Daten vor. Eine Rechtmäßigkeit der Verarbeitung liegt vor, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt (Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) DSGVO).

Offene Frage

Der BFH musste sich nunmehr mit der Frage auseinandersetzen, ob die Vorlage von Mietverträgen und Nebenkostenabrechnungen zwecks Überprüfung erklärter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit der DSGVO in Einklang steht.

Sachverhalt: Weigerung der Vorlage von Mietverträgen und Nebenkostenabrechnungen

Der der BFH-Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:

  • Mit Einreichung der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2018 und 2019 wurden dem Finanzamt (FA) für die Einkünfte aus VuV diverser vermieteter Objekte u. a. Aufstellungen der gesammelten Mieteinnahmen, der Abschreibung, der Verwaltungs- und der Instandhaltungsaufwendungen sowie sonstiger Aufwendungen für das jeweilige Objekt vorgelegt.
  • Das FA forderte im Rahmen der Erklärungsbearbeitung Kopien der aktuellen Mietverträge, Nebenkostenabrechnungen sowie Nachweise über geltend gemachte Erhaltungsaufwendungen an.
  • Die Klägerin reichte lediglich eine Aufgliederung der Brutto- und Nettomieteinnahmen mit geschwärzten Namen der Mieter sowie der Betriebskosten für verschiedene Wohnungen und Unterlagen über die Instandhaltungsaufwendungen vor.
  • Nicht eingereicht wurden die angeforderten Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen. Die Offenlegung dieser Unterlagen sei im Hinblick auf die Grundsätze der DSGVO ohne vorherige Einwilligung der Mieter nicht möglich.

Das FA forderte die Klägerin unter Hinweis auf die Mitwirkungspflichten nach den §§ 90, 93, 97 AO zur Vorlage der Mietverträge und ggf. der Schreiben über Mietänderungen zum Zwecke der Prüfung der in der Steuererklärung gemachten Angaben auf.

Den gegen die Aufforderung zur Vorlage dieser Unterlagen erhobenen Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück.

FG Nürnberg: DSGVO steht der Vorlagepflicht nicht entgegen

Das FG Nürnberg bejahte mit Urteil v. 1.2.2023 (3 K 596/22, EFG 2023, 604) die vom FA angenommene Pflicht zur Vorlage von Mietverträgen und Nebenkostenabrechnungen.

Entscheidung: Anforderung von Unterlagen durch die Finanzverwaltung rechtens

Der BFH hat mit Urteil vom 13.8.2024 (IX R 6/23) die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Zutreffend habe das FA die Vorlage von Mietverträgen verlangen dürften. Gründe:

  • Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde auf Verlangen Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Vorlagenaufforderung ist ein Verwaltungsakt (§ 118 AO) und steht im Ermessen der Verwaltung.
  • Die im Ermessen stehende Anforderung von Mietverträgen zur Kontrolle der steuererheblichen Verhältnisse beurteilt der BFH als rechtens.
  • In der Anforderung der Mietverträge liegt kein Ermessensfehler, da nur hierüber zuverlässig eine Klärung der steuerlichen Verhältnisse möglich ist (Rz. 28, 29). Das FA musste sich nicht direkt an die Mieter wenden.
  • Die Offenlegung der Mieterdaten war auch nicht unmöglich, da hierin keine rechtswidrige Verarbeitung zu sehen ist. Die Klägerin war zur Offenlegung der personenbezogenen Daten ihrer Mieter – ohne deren Zustimmung – berechtigt (Rz. 30 ff).
  • Das FA durfte die Daten aus den Mietverträgen auch verarbeiten, weil die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse erfolgte (§ 29b AO und Rz. 35 -37).

Praxisfolgen

Trotz der durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016 (BGBl I 2016, 1679) eingeführten Belegvorhaltepflicht fordern die Finanzämter gerade im Erstjahr der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, bei Vorliegen höherer Erhaltungsaufwendungen und bei gravierenden Abweichungen zwischen den vereinnahmten und verausgabten Nebenkosten Belege an. Diese Belegvorlage kann nicht mit Hinweis auf die fehlende Zustimmung der Mieter nach den Regelungen der DSGVO verweigert werden. Entsprechendes regelt § 29b AO, wonach die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine Finanzbehörde zulässig ist, wenn sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgabe oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die ihr übertragen wurde, erforderlich ist. Die aktuelle BFH-Rechtsprechung schließt an die BFH-Entscheidung vom 5.9.2023 (IX R 32/21, BStBl II 2024, 159) an. Mit letztgenannter Entscheidung betonte der BFH, dass die Finanzbehörde legitimiert ist, unter den in § 29b AO genannten Voraussetzungen für sämtliche das Steuerverfahrensrecht betreffenden Maßnahmen personenbezogene Daten zulässigerweise zu verarbeiten. Die Auszüge eines betrieblichen Bankkontos eines Rechtsanwalts waren der Außenprüfung aufgrund dessen vorzulegen.

Die Entscheidung dürfte über die Vorlage von Mietverträgen etc. bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hinaus auch für anderweitige Urkundenvorlagen im Zusammenhang mit anderen Einkunftsarten bedeutsam sein. In der Praxis werden bei Beantragung der Fünftelungsregelung im Zusammenhang mit Abfindungszahlungen oftmals weitergehende Vereinbarungen/Nebenabreden angefordert; dies dürfte ebenso rechtlich vertretbar sein.

Zum 1.1.2025 kommt es zur Anwendung von elektronischen Rechnungen im inländischen B2B-Bereich (siehe hierzu weitergehend: BM, Schrieben. v. 15.10.2024, DStR 2024, 2383). Auch steuerfreie Vermieter sind Unternehmer und damit zur Entgegennahme elektronischer Rechnungen ab 2025 verpflichtet. Es bleibt abzuwarten, ob auch die Finanzverwaltung im Einkommensteuerveranlagungsverfahren angeforderte Erhaltungsaufwandsrechnungen im Zusammenhang mit Mietobjekten als E-Rechnung empfangen und verarbeiten kann.

BFH, Urteil v. 13.8.2024, IX R 6/23; veröffentlicht am 24.11.2024

Alle am 24.11.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen