Rz. 14
Stand: EL 132 – ET: 12/2022
Sind die Kosten eines Zivilprozesses nicht als WK abziehbar, können sie grundsätzlich nicht als > Außergewöhnliche Belastungen (AgB) berücksichtigt werden, weil sie nicht zwangsläufig entstehen (vgl BFH 67, 379 = BStBl 1958 III, 419; BFH 147, 171 = BStBl 1986 II, 745; BFH 198, 94 = BStBl 2002 II, 382; BFH 206, 16 = BStBl 2004 II, 726; BFH/NV 2009, 553). Sie sind danach nur dann als zwangsläufig anzusehen und als AgB zu berücksichtigen, wenn das den Rechtsstreit verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH 181, 12 = BStBl 1996 II, 596). Zur Rechtsentwicklung > Rz 2/1 ff. Zu den ab dem VZ 2013 geltenden Ausnahmen > Rz 16 ff.
Rz. 15
Stand: EL 132 – ET: 12/2022
Zu den – bis zum VZ 2012 – als AgB abziehbaren Kosten gehörten nach früherer Verwaltungsauffassung (H 33.1–33.4 EStH 2012) die Prozesskosten für die > Ehescheidung und den > Versorgungsausgleich. Sie entstehen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig, weil eine zerrüttete Ehe zu Lebzeiten nur durch eine gerichtliche Entscheidung gelöst wird; zu Einzelheiten > Ehescheidung Rz 3 ff. Entsprechendes gilt für eingetragene > Lebenspartner (vgl § 2 Abs 8 EStG). Zwangsläufig können auch Aufwendungen für die Abwehr einer Zwangsräumung der Wohnung sein (EFG 2013, 290 = DStRE 2013, 991). Bereits früher blieben die Aufwendungen für Scheidungsfolgeregelungen außerhalb des sog Zwangsverbundes unberücksichtigt, zB für die Auseinandersetzung des Vermögens (BFH 210, 302 = BStBl 2006 II, 491; BFH 210, 306 = BStBl 2006 II, 492; BFH/NV 2016, 1155; BFH/NV 2016, 1270; BFH/NV 2016, 1545). Das galt auch, wenn die Folgesachen auf Antrag des anderen > Ehegatten vom Familiengericht entschieden wurden (BFH/NV 2016, 905) und unabhängig davon, ob der Antrag auf Verbundentscheidung nach der ZPO oder dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gestellt wurde (BFH/NV 2016, 1549) oder dieser dazu diente, sich (auch) gegen strafrechtliche Vorwürfe des > Ehegatten zu verteidigen (BFH/NV 2017, 14 = HFR 2017, 44). Nicht zwangsläufig sind zudem Verfahrenskosten für die Auflösung einer Grundstückgemeinschaft unter Eheleuten in Scheidung (BFH 240, 389 = BStBl 2013 II, 536), Prozesskosten im Zusammenhang mit einer Teilungsversteigerung (BFH/NV 2016, 1543) oder beim Streit um eine Immobilie (BFH/NV 2016, 1547) im Rahmen einer > Ehescheidung. Das gilt auch für Verfahren im > Ausland Rz 1 (BFH/NV 2016, 1562 = HFR 2016, 1085). Siehe ergänzend > Ehescheidung Rz 4 ff.
Rz. 16
Stand: EL 132 – ET: 12/2022
Aufgrund der gesetzlichen Neuregelung (> Rz 2/4) könnten diese Prozesskosten seit dem VZ 2013 allenfalls dann berücksichtigt werden, wenn die Scheidung zu einer Existenzgefährdung des Stpfl führt (> Rz 3). Dies gilt nicht nur für die Aufwendungen in kontradiktorischen Streitverfahren, sondern auch für andere Kosten einer > Ehescheidung einschließlich der außergerichtlichen Kosten. Eine Existenzgefährdung wird durch eine Scheidung jedoch idR nicht entstehen, sodass Scheidungskosten seit dem VZ 2013 keine AgB mehr darstellen. Auch in der Vergangenheit wurden sie vom BFH nicht aus Gründen der Existenzgefährdung (Fallgruppe 2 in > Rz 2/1) zum Abzug zugelassen (vgl BFH 258, 142 = BStBl 2017 II, 988; BFH/NV 2017, 1593, 1595 und 1596).
Rz. 17
Stand: EL 132 – ET: 12/2022
Berührt der Zivilrechtsstreit einen für den Stpfl existenziell wichtigen Bereich, kann er unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen unausweichlich ist, weil er sonst Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und lebensnotwendige Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (BFH 181, 12 = BStBl 1996 II, 596; BFH/NV 1997, 755; BFH/NV 2009, 553). In diesen Ausnahmefällen können Prozesskosten auch nach dem VZ 2012 (> Rz 3 ff) weiter als AgB berücksichtigt werden. Unter Existenzgrundlage iSv § 33 Abs 2 Satz 4 EStG ist aber nur die materielle Lebensgrundlage des Stpfl zu verstehen, nicht jedoch die Lebensgrundlage im immateriellen Sinne. Schmerzensgelder (zu diesen > Schadensersatz) werden für immaterielle Schäden geleistet, sodass diesbezügliche Aufwendungen nicht als AgB berücksichtigt werden können (BFH 252, 418 = BStBl 2018 II, 742). Deshalb sind auch Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Umgangsrechtsstreit seit dem VZ 2013 keine AgB (BFH 270, 324 = BStBl 2021 II, 83; BFH/NV 2017, 895). Das gilt auch für vergleichbare Aufwendungen, die bis zum VZ 2012 als AgB anerkannt wurden, zB Aufwendungen für einen Prozess, mit dem ein Stpfl (mutmaßliches Kind) seinen Vater ermitteln will (Vaterschaftsprozess), weil sie die Existenzgrundlage des Stpfl berühren (vgl EFG 1986, 401; aA EFG 1999, 609). Die Kosten eines Vaterschaftsfeststellungsprozesses konnten für den mutmaßlichen Vater ebenfalls AgB sein. Wurde ein Stpfl auf Feststellung der Vaterschaft und Zahlung des Regelunterhalts verklagt, so konnten die ihm auferlegten Prozesskosten zwangsläufig sein (BFH 206, 16 = BStBl 2004 ...