Rz. 1
Stand: EL 124 – ET: 11/2020
Mit dem Tode einer Person, des Erblassers, geht deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über (§ 1922 BGB). Als Gesamtrechtsnachfolger tritt der Erbe in die Rechtsposition des Erblassers ein. Steuerlich gehen auch die Steuerschulden und Steuerforderungen auf den Erben über (§ 45 AO); er wird – wie vor ihm der Erblasser – selbst Steuerschuldner (und nicht Haftungsschuldner). Stirbt ein Angehöriger einer zur Erhebung von > Kirchensteuer berechtigten Religionsgemeinschaft, geht auch die Kirchensteuerschuld auf den Erben über (BFH 109, 123 = BStBl 1973 II, 544). Zivilrechtlich ist die Steuerschuld eine Nachlassverbindlichkeit, die bei der Erbschaftsteuer berücksichtigt wird (§ 1967 Abs 1 BGB; vgl BFH 238, 233 = BStBl 2012 II, 790; Scholl/Riedel, DB 2012, 1236). Zum Umfang der Haftung des Erben für Steuerschulden des Erblassers vgl BFH 238, 233 = BStBl 2012 II, 790 und teilweise Parallelentscheidungen BFH/NV 2012, 1785; 1788; 1790; 1792 mwN.
Rz. 2
Stand: EL 124 – ET: 11/2020
Erben treten nicht nur materiell-rechtlich, sondern auch verfahrensrechtlich in die Rechtsstellung des Erblassers ein (BFH 170, 186 = BStBl 1993 II, 346 mwN). Mit dem Tod des Erblassers gehen alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis auf die oder den Gesamtrechtsnachfolger über (§ 45 AO). Sie werden an seiner Stelle zum Stpfl (§ 33 AO). Sie müssen ggf eine > Steuererklärung für die dem Erblasser zu Lebzeiten noch zugeflossenen > Einkünfte abgeben und können ggf eine Veranlagung beantragen, > Rechtsbehelfe gegen die dem Erblasser bekannt gegebenen Steuerbescheide einlegen und Auskunft in dessen Steuerangelegenheiten vom FA verlangen. Zur > Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten an den Rechtsnachfolger vgl AEAO zu § 122 Tz 2.12ff. War der Erblasser zu seinen Lebzeiten Haftungsschuldner gemäß § 69 iVm § 34 AO für Steueransprüche des Fiskus (> Haftung für Lohnsteuer Rz 151 ff), so werden Gesamtrechtsnachfolger insoweit ebenfalls Haftungsschuldner für Ansprüche des Fiskus. Das gilt auch, wenn der Erblasser vor seinem Ableben noch nicht mit Haftungsbescheid gemäß § 191 Abs 1 Satz 1 AO vom FA in Anspruch genommen worden war (EFG 2006, 701).
Rz. 3
Stand: EL 124 – ET: 11/2020
Höchstpersönliche Eigenschaften des Erblassers wirken sich aber nur noch auf die Besteuerung für Zeiträume aus, in denen der Rechtsvorgänger noch lebte, gehen aber nicht auf den Rechtsnachfolger über. So kann der Rechtsnachfolger nicht Steuerermäßigungen erhalten, die darauf beruhen, dass der Erblasser zB Künstler oder Hinterbliebener (> Hinterbliebenen-Pauschbetrag) war oder wegen einer Behinderung bzw Beeinträchtigung Anspruch auf den > Behinderten-Pauschbetrag oder andere Vergünstigungen für > Behinderte Menschen hatte (vgl BFH 103, 453 = BStBl 1972 II, 80). Deshalb ist § 19 Abs 2 EStG nicht anwendbar (> Freibeträge für Versorgungsbezüge), wenn zB Witwenbezüge erst nach dem Tode der Witwe an deren Erben gezahlt werden (BFH 71, 414 = BStBl 1960 III, 404; H 24.2 – Rechtsnachfolger – EStH; > Rz 4). > Spenden eines Erben aufgrund eines > Vermächtnis sind nicht als > Sonderausgaben zu berücksichtigen, auch wenn sie beim Erblasser abzugsfähig gewesen wären (BFH 172, 362 = BStBl 1993 II, 874). Das gilt auch für nicht verbrauchte Beträge einer Großspende iSv § 10b Abs 1 Satz 9 EStG (BFH/NV 2009, 375). Auch das Realsplitting (> Unterhaltsleistungen Rz 5 ff) iSv § 10 Abs 1a EStG kann nicht vom Erben ausgeübt werden (BFH 184, 499 = BStBl 1998 II, 148). Führt der Erbe einen Prozess des Rechtsvorgängers fort, kommt es für die Gewährung von Prozesskostenhilfe (> Rechtsbehelfskosten Rz 4) auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Rechtsnachfolgers an (BFH/NV 2000, 201). Strittig ist, ob auch die Ausübung des Wahlrechts für die Zusammenveranlagung ein höchstpersönliches Recht ist; zu Einzelheiten > Ehegattenbesteuerung Rz 18 ff mit Stellungnahme; bis zur Ermittlung des Erben ist einzeln zu veranlagen (vgl BFH 218, 281 = BStBl 2007 II, 770).