Steuern auf die durch Erben rückwirkend erklärte Betriebsaufgabe
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig die vom Erblasser herrührenden Schulden, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb, Anteil an einem Gewerbebetrieb, land- und forstwirtschaftlichen (LuF-)Betrieb oder Anteil an einem LuF-Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits bei der Bewertung der wirtschaftlichen Einheit berücksichtigt worden sind.
Sachverhalt: Von den Erben mit Rückwirkung erklärte Betriebsaufgabe
Die sechs Kläger sind Miterben zu gleichen Teilen nach dem im Jahr 2016 verstorbenen Erblasser E. Dieser war Inhaber eines verpachteten LuF-Betriebes. Die Erben erklärten nach dem Tod des E die Aufgabe des LuF-Betriebes auf einen Zeitpunkt vor dem Tod des E unter Inanspruchnahme der Rückwirkung von maximal drei Monaten nach § 16 Abs. 3b Satz 2 EStG. Hierdurch entstand ertragsteuerrechtlich ein Aufgabegewinn gemäß § 16 Abs. 3 EStG i.V.m. § 14 Satz 2 EStG.
Das für die Festsetzung der Einkommensteuer des E zuständige Finanzamt setzte mit Bescheid vom 30.8.2018 Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für den Veranlagungszeitraum 2016 unter Einbeziehung dieses Aufgabegewinns fest.
Mit Erbschaftsteuerbescheiden vom 14.1.2019 setzte das Finanzamt jeweils Erbschaftsteuer gegenüber den Klägern fest. Die auf den Aufgabegewinn im Veranlagungszeitraum 2016 entfallende Einkommensteuer, den darauf entfallenden anteiligen Solidaritätszuschlag und die darauf anteilig entfallende Kirchensteuer ließ es entgegen des Antrags der Kläger nicht als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zum Abzug vom Erwerb der Erbschaft zu.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg
Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidungen als unbegründet zurück. Die Klage vor dem FG wegen der Nichtberücksichtigung der Einkommensteuer auf den Aufgabegewinn als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG hatte keinen Erfolg.
Revisionsbegründung
Mit ihrer Revision machen die Kläger eine Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG und § 16 Abs. 3b EStG geltend. Die auf die Aufgabe des LuF-Betriebes entfallenden Steuern (Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) seien als Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zum Abzug zuzulassen. Sie würden vom Erblasser "herrühren". Der BFH habe bereits entschieden, dass eine Einkommensteuerschuld für das Todesjahr des Erblassers trotz des Übergangs auf den Erben eine vom Erblasser herrührende Steuerschuld darstelle (BFH, Urteil v. 4.7.2012, II R 15/11, BStBl II 2012, 790). Dem stehe nicht der Umstand entgegen, dass im Streitfall die Kläger das Wahlrecht der Betriebsaufgabe für E ausgeübt hätten.
Nach dem Tod des E könnten nur die Erben dieses Wahlrecht ausüben. Sie seien damit den ihnen obliegenden Pflichten aus dem Steuerschuldverhältnis des E nachgekommen. Als Gesamtrechtsnachfolger gemäß § 45 AO seien sie umfassend in die Position des E eingetreten. Das ausgeübte Wahlrecht habe für und gegen E gewirkt. Die auf der Betriebsaufgabe und dem daraus folgenden Aufgabegewinn beruhende Einkommensteuer sei gegen E festgesetzt worden und daher nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.
Entscheidung: BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führten die Richter des BFH u.a. aus:
- Bei einem Erwerb von Todes wegen können sich auch Steuerschulden aus der Veranlagung des Erblassers für das Todesjahr bereicherungsmindernd auswirken, obwohl sie beim Erbfall noch nicht rechtlich entstanden waren. Denn der Erbe hat diese Steuerschulden zu tragen. Entscheidend für den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist jedoch, dass der Erblasser in eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und deshalb "für den Erblasser" als Steuerpflichtigen eine Steuer entsteht. Das für das Erbschaftsteuerrecht maßgebliche Stichtagsprinzip (§§ 9, 11 ErbStG) steht dem Abzug dieser Steuerverbindlichkeiten nicht entgegen. Bereits zum Zeitpunkt der Steuerentstehung, also beim Tod des Erblassers, steht fest, dass die Belastung kraft Gesetzes mit Ablauf des Todesjahres eintreten wird.
- Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Erben nach § 16 Abs. 3b Satz 2 EStG einkommensteuerrechtlich rückwirkend die Aufgabe des LuF-Betriebes auf einen Zeitpunkt vor dem Tod des Erblassers erklären. In diesem Fall können sie die Einkommensteuer, die auf den Aufgabegewinn entsteht und die damit in Zusammenhang stehenden Nebensteuern (Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) nicht als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG in Abzug bringen.
- Zwar handelt es sich bei der gem. § 38 AO i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstandenen Einkommensteuer um diejenige des Erblassers für sein Todesjahr; allerdings entstand der Aufgabegewinn in Bezug auf den LuF-Betrieb nach § 16 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 2 EStG erst durch die Aufgabeerklärung der Erben. Der Erblasser selbst hatte vor seinem Tod keine Aufgabeerklärung im Sinne des § 16 Abs. 3b Satz 2 EStG abgegeben, sodass im Zeitpunkt seines Todes ein LuF-Betrieb auf die Erben überging.
BFH Urteil vom 10.05.2023 - II R 3/21 (veröffentlicht am 28.09.2023)
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