Rz. 4
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Das BVerfG hat mit seinem Urteil vom 06.03.2002 (BVerfG 105, 73 = BStBl 2002 II, 618) entschieden, dass die bis dahin übliche unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19 EStG und der Renten aus der GRV nach § 22 Nr 1 Satz 3 Buchst a EStG aF mit dem > Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG unvereinbar ist. Mit dem Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (AltEinkG) vom 05.06.2004 (BGBl 2004 I, 1427 = BStBl 2004 I, 554) wurde die Besteuerung der Alterseinkünfte grundlegend reformiert.
Rz. 4/1
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Die Verfassungsmäßigkeit der Umstellung der Besteuerung der Alterseinkünfte auf die nachgelagerte Besteuerung durch das AltEinkG ist vom BVerfG bestätigt worden (BVerfG vom 29.09.2015 – 2 BvR 2683/11, BStBl 2016 II, 310; BVerfG vom 30.09.2015 – 2 BvR 1066/10, HFR 2016, 72; BVerfG vom 30.09.2015 – 2 BvR 1961/10, HFR 2016, 77). Die Verfassungsmäßigkeit bestätigend vgl zB auch BFH 253, 370 = BStBl 2016 II, 733 (VerfB BVerfG 2 BvR 1457/20 gemäß Beschluss vom 17.08.2023 nicht zur Entscheidung angenommen); BFH/NV 2021, 1199.
Rz. 4/2
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Verbot der Doppelbesteuerung: Es darf aber zu keiner doppelten Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezüge kommen. Hierzu vgl insbesondere BFH 273, 266 = BFH/NV 2021, 992 (VerfB, BVerfG 2 BvR 1140/21): Einem Stpfl, der nachweisen kann, dass es in seinem konkreten Einzelfall zu einer doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen kommt, kann aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase zustehen. Eine solche doppelte Besteuerung ist nicht gegeben, wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen. Zur erforderlichen Vergleichs- und Prognoserechnung enthält BFH 273, 266 = BFH/NV 2021, 992 zahlreiche grundlegende Hinweise. Vgl aber auch BFH/NV 2015, 1369; BFH 254, 545 = BFH/NV 2016, 1791; BFH 273, 237 = BFH/NV 2021, 980 (VerfB, BVerfG 2 BvR 1143/21; auch > Rz 32, > Rz 37, > Rz 47 und > Rz 48); BFH 274, 141 = BFH/NV 2021, 1571; außerdem FG Sachsen vom 25.05.2022 – 6 K 449/20, BeckRS 2022, 14 875 (Rev nach erfolgreicher NZB, BFH X R 18/23); FG Münster vom 22.11.2022 – 2 K 492/22 E, BeckRS 2022, 35 872 (rkr; Rev vom FG nicht zugelassen).
Hinsichtlich einer etwaigen doppelten Besteuerung ergehen Steuerbescheide vorläufig und werden mit einem Hinweis zu möglicherweise notwendigen weiteren Unterlagen versehen (BMF vom 28.03.2022, BStBl 2022 I, 203). Bei Geltendmachung einer Doppelbesteuerung wird das FA nämlich im Regelfall die Vorlage einer Berechnung der Höhe der doppelten Besteuerung im konkreten Fall, den Versicherungsverlauf, nicht an Amtsstelle vorliegende Steuererklärungen/-bescheide für Jahre der Einzahlungsphase und ggf weitere Dokumente und Informationen verlangen (vgl OFD NRW vom 14.07.2020, BeckVerw 507 194 NRW).
Zur neueren Rechtsentwicklung bei der Rentenbesteuerung vgl zB auch Musil, Reform der Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen – Das Verbot der Doppelbesteuerung als letzte offene Frage, DStR 2020, 1881; Ermel, Konsequenzen der neuesten BFH-Rechtsprechung zur Leibrentenbesteuerung, DStR 2021, 1729; Nöcker, Nachgelagerte Besteuerung der Altersrente – abstrakt verfassungsgemäß und konkret berechenbar, NWB 2021, 2340; Kempny/Siegel, Drohende doppelte Besteuerung von Renten trotz zu erwartender Gesetzesänderung, DStR 2022, 905. Die weitere Rechtsentwicklung bleibt abzuwarten. Dies gilt uE insbesondere hinsichtlich der zutreffenden Vorgehensweise bei der zum Nachweis einer Doppelbesteuerung erforderlichen, einzelfallbezogenen Vergleichs- und Prognoserechnung.
Rz. 5
Stand: EL 136 – ET: 11/2023
Die im Einzelnen sehr komplexe Neuregelung (> Rz 4) sieht in ihren Grundzügen ua Folgendes vor:
Ab dem VZ 2005 unterliegen Leibrenten aus einer – im Nichterlebensfall verfallenden – Basisversorgung, dh aus der GRV (> Rentenversicherung Rz 1), der > Landwirtschaftliche Alterskasse und den > Berufsständische Versorgungseinrichtungen nicht mehr der Ertragsanteilsbesteuerung. Sie werden vielmehr schrittweise in die vollständig nachgelagerte Besteuerung überführt. > Bemessungsgrundlage der Besteuerung ist nicht mehr nur der Ertragsanteil, sondern die > Einnahmen in voller Höhe nach Abzug von WK (> Rz 115 ff). Ebenso werden vergleichbare private Leibrenten iSd § 10 Abs 1 Nr 2 Satz 1 Buchst b EStG nF (zur Rürup-Rente > Rz 40 ff) besteuert. Dieser Wechsel in der Besteuerung vollzieht sich schrittweise, weil bisher die Altersvorsorgeaufwendungen, die mit diesen Leistungen zusammenhängen, nicht in voller Höhe steuermindernd berücksichtigt worden sind. Es gilt das Korrespondenzprinzip: In dem Maße, in dem die Beiträge für die spätere Rente (> Rentenbeiträge) steuerfrei geblieben sind, erfasst die...