Rz. 1
Stand: EL 134 – ET: 06/2023
Wird ein Stpfl durch staatliches Handeln in seinen Rechten beeinträchtigt, können ihm dadurch Ansprüche gegenüber dem Staat entstehen. Diese beruhen entweder auf einer konkreten Rechtsnorm oder sind durch die Rechtsprechung entwickelt worden. Zu unterscheiden ist dabei insbesondere zwischen der Amtshaftung (> Rz 2 ff) und der Entschädigung wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs (> Rz 5) des Staates. Darüber hinaus bestehen verschiedene spezialgesetzliche Anspruchsgrundlagen.
Rz. 2
Stand: EL 134 – ET: 06/2023
Bei einer Amtspflichtverletzung ergibt sich der Anspruch auf Schadensersatz aus § 839 Abs 1 Satz 1 BGB iVm Art 34 Satz 1 GG. Nach § 839 Abs 1 Satz 1 BGB hat ein Beamter, der vorsätzlich oder fahrlässig eine gegenüber einem Dritten bestehende Amtspflicht verletzt, dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Nach Art 34 Satz 1 GG wird die Haftung auf den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst die Amtsperson steht, übergeleitet.
Rz. 3
Stand: EL 134 – ET: 06/2023
Für die Amtshaftung des Staates ist es erforderlich, dass ein Beamter gehandelt hat. "Beamter" iSd § 839 Abs 1 Satz 1 BGB ist nicht nur, wer in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat steht (Beamter im statusrechtlichen Sinne), sondern jede Person, die von der zuständigen Stelle mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes betraut worden ist (haftungsrechtlicher Beamtenbegriff). Neben Angehörigen des öffentlichen Dienstes können auch Zivilpersonen unter den Begriff des Beamten in diesem Sinne fallen, wenn diesen die Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Funktionen anvertraut worden ist. Der Beamte muss außerdem in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben und die Handlung muss einen konkreten Bezug zu dem Geschädigten haben.
Rz. 4
Stand: EL 134 – ET: 06/2023
Weitere Voraussetzungen für die Amtshaftung sind, dass die Amtshandlung kausal für den Schaden des Dritten ist, der Amtsträger zumindest fahrlässig gehandelt hat und – sofern der Amtsträger nicht vorsätzlich gehandelt hat – der Geschädigte den Schaden nicht von einem anderen Schädiger ersetzt bekommen kann. Nach § 839 Abs 3 BGB entfällt der Haftungsanspruch, wenn der Geschädigte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Rechtsmittel idS sind alle Rechtsbehelfe, die sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und nach gesetzlicher Ordnung ihre Beseitigung oder Berichtigung bezwecken oder ermöglichen. Auch Gegenvorstellungen, Erinnerungen, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden zählen hierzu (vgl OLG BB vom 23.02.2021 – 2 U 56/18, juris, im Falle einer Falschauskunft eines FA).
Rz. 5
Stand: EL 134 – ET: 06/2023
Ein Anspruch auf Staatshaftung wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs besteht, wenn eine konkrete, in den Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG fallende Rechtsposition beeinträchtigt wird. Auch in diesem Fall ist erforderlich, dass der Geschädigte den Primärrechtsschutz beachtet hat, dh er ihm mögliche und zumutbare Rechtsbehelfe eingelegt hat. Allerdings sind Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff gegenüber einer Amtshaftung leichter durchzusetzen, weil sie verschuldensunabhängig sind und nicht geprüft werden muss, ob der Schaden auf andere Weise ausgeglichen werden kann.
Rz. 6
Stand: EL 134 – ET: 06/2023
Art 34 Abs 3 GG verbietet es, für Amtshaftungsansprüche die Zuständigkeit der allgemeinen ordentlichen Gerichte auszuschließen. Das gilt jedoch nur für die auf den Staat übergeleitete Haftung des Amtsträgers (> Rz 2), nicht jedoch für Ansprüche, die gegenüber dem Staat direkt geltend gemacht werden. Bestehen Ansprüche sowohl gegen einen Amtsträger, als auch direkt gegenüber dem Staat, ergeben sich unterschiedliche Rechtswege, je nachdem, wer vom Geschädigten in Anspruch genommen wird.
Rz. 7
Stand: EL 134 – ET: 06/2023
Ein Anspruch aus § 82 Abs 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO; > Datenschutz Rz 3), wonach jede Person, die wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter hat, ist kein Anspruch aus der Verletzung von Amtspflichten iSd Art 34 Satz 1 GG, da es sich nicht um eine auf die Behörde übergeleitete Haftung des Amtsträgers, sondern um eine originäre Haftung der Behörde handelt. Richtet sich ein solcher Anspruch gegen eine FinBeh, ist der Finanzrechtsweg gegeben (vgl BFH 275, 571 = BStBl II 2022, 535; BFH/NV 2022, 931).
Rz. 8
Stand: EL 134 – ET: 06/2023
Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt (§ 198 Abs 1 Satz 1 GVG). Nach den Erwägungen des Gesetzgebers setzt der Entschädigungsanspruch iSd § 198 GVG jedoch voraus, dass die Umstände, die zu einer Verlängerung der Verfahrensdauer geführt haben, innerhalb des staatlichen bzw dem Staat zurechenbaren Einflussbereichs liegen...