BGH: Keine staatliche Entschädigung nach Betriebsschließung

In einem Grundsatzurteil hat der BGH einem Gastronomen sowohl Entschädigungs- als auch Schadenersatzansprüche gegen den Staat nach einer coronabedingten Schließung seines Gastronomiebetriebs verweigert.

Mit Spannung ist die Entscheidung des BGH zu der Frage erwartet worden, ob der Staat für Einnahmeausfälle durch Betriebsschließungen oder Betriebsbeschränkungen wegen der staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus ganz oder teilweise haftet. Mit seiner jetzigen Entscheidung hat der BGH solche Entschädigungsansprüche komplett verneint.

Gastronom fordert Entschädigung für Betriebsschließung

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte ein Gastronom in Brandenburg, dessen Hotel- und Gastronomiebetrieb vom 23. März bis 7. April 2020 für den Publikumsverkehr geschlossen war, Entschädigung vom Land Brandenburg wegen der erlittenen Einnahmeausfälle gefordert.

Soforthilfe deckten Einnahmeausfälle nicht ab

Im Rahmen eines staatlichen Soforthilfeprogramms hatte der Gastronom von der Investitionsbank Brandenburg 60.000 EUR als Corona-Soforthilfe erhalten. Der Kläger vertrat die Auffassung, die Soforthilfe reiche nicht aus, um seine Umsatz- und Gewinneinbußen zu ersetzen und forderte vom Land die Zahlung von weiteren 27.017,28 Euro für nicht gedeckte Betriebskosten, nicht gedeckte Arbeitgeberbeiträge zur Kranken, Renten- und Pflegeversicherung sowie entstandenen Verdienstausfall.

Klage über drei Instanzen erfolglos

Die Klage des Gastronomen blieb über drei Instanzen erfolglos. Nach der Entscheidung des BGH ist die zunächst in Betracht kommende Entschädigungsvorschrift des § 56 Abs. 1 IfSG nicht anwendbar. Ein Entschädigungsanspruch nach dieser Vorschrift setze voraus, dass der Betroffene

  • gezielt und
  • personenbezogen
  • als infektionsschutzrechtlicher Störer (Ansteckungsverdächtiger)

Adressat einer staatlichen Infektionsschutzmaßnahme ist.

Inanspruchnahme im Rahmen einer Allgemeinverfügung

Diese Voraussetzungen waren nach Auffassung des BGH im konkreten Fall nicht erfüllt, denn der Kläger sei im Verordnungswege nach § 32 IfSG gemeinsam mit einer unbestimmten Vielzahl von Personen als infektionsschutzrechtlicher Nichtstörer im Rahmen einer auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützten allgemeiner Schutzmaßnahme in Form flächendeckender Betriebsschließungen in Anspruch genommen worden und nicht gezielt als Krankheitsverdächtiger oder Träger von Krankheitserregern.

Betriebsschließung zur Bekämpfung bestehender Pandemie

Aus dem gleichen Grund hat der Kläger nach Auffassung des BGH auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Geldentschädigung gemäß § 65 Abs. 1 IfSG. Diese Vorschrift komme nur bei Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten zum Zuge. Die hier zur Anwendung gekommene Corona-Eindämmungsverordnung vom 22.3.2020 nebst Folgeverordnungen sei erlassen worden, nachdem sich das Virus bereits deutschlandweit ausgebreitet habe. Zu diesem Zeitpunkt sei es daher nicht mehr in erster Linie um Verhütung, sondern um Bekämpfung einer bereits ausgebreiteten Pandemie gegangen.

Entschädigungsansprüche nach IfSG nur in Ausnahmefällen

Auch eine analoge Anwendung der Entschädigungsregelungen des IfSG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung schloss der BGH aus. Eine solche verfassungskonforme Auslegung setze voraus, dass vom Wortlaut der Normen her mehrere Deutungen möglich seien. Der Wortlaut der §§ 56, 65 IfSG sei eindeutig und lasse eine solche ausdehnende Auslegung nicht zu. Die Formulierung der Vorschriften lasse den Willen des Gesetzgebers erkennen, nur in Ausnahmefällen aus Gründen der Billigkeit eine Entschädigung für infektionsrechtliche Störer vorzusehen.

Keine Entschädigung aufgrund enteignenden Eingriffes

Mit ähnlicher Begründung verneinte der BGH auch eine Anwendung des richterrechtlich entwickelten Haftungsinstituts des enteignenden Eingriffs. Eine Ausdehnung dieses Rechtsinstituts auf Schadensfälle im Rahmen einer Pandemiebekämpfung würde den Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts sprengen, zumal dies wiederum in Widerspruch zum erkennbaren Willen des Gesetzgebers stehen würde, eine Entschädigung nur punktuell in besonderen Fällen zu gewähren.

Keine Entschädigung aus Amtshaftung

Schließlich lehnte der BGH auch Ansprüche aus Amtshaftung gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG und aus enteignungsgleichen Eingriff ab. Der Senat hatte keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der den Betriebsschließungen zu Grunde liegenden Corona-Eindämmungsverordnung vom 22.3.2020. Die Betriebsschließungen seien erforderlich gewesen, um eine weitere Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Mildere Mittel hätten nicht zur Verfügung gestanden. Die angeordneten Beschränkungen seien auch im engeren Sinne verhältnismäßig.

Corona-Hilfen nicht Gegenstand des Haftungsrechts

Der Senat stellte klar, dass Hilfeleistungen für infolge einer Pandemie schwer getroffene Wirtschaftsbereiche keine Aufgabe des Haftungsrechts sind. Die Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaft, entstandene besondere Lasten mitzutragen sei Folge des Sozialstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 1 GG. Die konkrete Ausgestaltung des in diesem Rahmen vorzusehenden innerstaatlichen Ausgleichs sei grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen. Die vom Staat in vielfacher Weise geschaffenen Corona-Hilfsprogramme seien Ausdruck der Wahrnehmung dieser staatlichen Gemeinwohlaufgabe.

Revision zurückgewiesen

Damit blieb der Revision des Gastronomen gegen die Versagung von Entschädigungsansprüchen durch die Vorinstanzen wegen der angeordneten Betriebsschließungen der Erfolg versagt.


(BGH, Urteil v. 17.3.2022, III ZR 79/21)


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