BGH zum Betriebsversicherungsschutz bei Corona-Betriebsschließung

Die Pandemie ist für viele Betriebe existenzbedrohend. Ob Betriebsschließungs- oder -ausfallversicherungen bei coronabedingten Einnahmeausfällen leisten, kann entscheidend sein. Viele Versicherungen mauerten und der BGH gibt ihnen nun Recht: Ihre Eintrittspflicht hängt von der individuellen Vertragsgestaltung ab und in der Praxis dürften mit dem Urteil viele Versicherungen aus der Haftung raus sein.

Die Betriebsschließungsversicherung ist nicht eintrittspflichtig, wenn sie im Vertrag oder in ihren AGB ihre Haftung auf bestimmte Gefahren begrenzt hat und eine Betriebsschließung wegen CoV-19 nicht in den Katalog der versicherten Gefahren aufgenommen wurde. Dies ist die Quintessenz der aktuellen BGH-Entscheidung. Damit dürften im Ergebnis viele von einer coronabedingten Betriebsschließung betroffene Unternehmer leer ausgehen.

Bisher gab es divergierende Gerichtsurteile

Die Rechtsfrage, ob eine Betriebsschließungsversicherung für coronabedingte Betriebsschließungen und dadurch verursachte Einnahmeausfälle haften muss, wurde bisher von den Gerichten höchst unterschiedlich beantwortet. Eine einheitliche Linie war nicht erkennbar: Die Auslegung der Versicherungsbedingungen und der Gesetze divergierte teilweise sogar bei den unterschiedlichen Spruchkörpern am gleichen Gericht. Nun hat der BGH Klarheit für einen Großteil der existierenden Verträge geschaffen.

Viele Gastronomen dürften leer ausgehen

Nach dem aktuellen BGH-Urteil dürfen insbesondere Gastronomen, deren Restaurants oder Hotels während der Corona-Pandemie von einer Betriebsschließung betroffen waren, künftig "in die Röhre gucken", wenn sie ihre Betriebsschließungsversicherung für den entstandenen Schaden durch Umsatzausfälle in Anspruch nehmen wollen.

  • Ein Großteil der abgeschlossenen Versicherungsverträge enthält Klauseln,
  • die entweder die versicherten Gefahren enumerativ aufzählen
  • oder durch Bezugnahme auf die im IfSG aufgezählten Krankheitserreger und Seuchen den Versicherungsschutz auf die dort genannten Gefahren begrenzen.

Die bisherigen Streitpunkte beim Versicherungsschutz für Corona-Schließungen

Bisher war strittig, ob der Versicherungsschutz auch dann eine Betriebsschließung infolge der Corona-Pandemie einbezieht, wenn

  • die Betriebsschließung nicht nur einen konkreten Betrieb betrifft, sondern auf einer Allgemeinverfügung beruht und/oder
  • das CoV-2-Virus im Versicherungsvertrag als versicherte Gefahr nicht ausdrücklich erwähnt wird und/oder
  • der Versicherungsvertrag unter Bezugnahme auf die im IfSG gelisteten Krankheitserreger abgeschlossen wurde, bevor das CoV-2-Virus im Februar 2020 in die Liste der Krankheitserreger des IfSG aufgenommen wurde.

Diese Fragen hat der BGH nun im Wesentlichen beantwortet.

Versicherungsschutz besteht auch bei Betriebsschließung nach Allgemeinverfügung

Zugunsten der Versicherungsnehmer fällt hierbei nur eine vom BGH gegebene Antwort aus. Abweichend von dem zuvor mit dem Fall befassten Berufungsgericht, stellte der BGH klar, dass der Versicherungsfall nicht zwingend auf einer intrinsischen Infektionsgefahr, also auf einem im Betrieb des Versicherten aufgetretenen Erreger beruhen muss. Auch wenn die Betriebsschließung auf einer im Rahmen einer Pandemie erlassenen Allgemeinverfügung beruht, kann der Versicherungsfall gegeben sein. Diese Klarstellung kann einigen Versicherten möglicherweise zur Versicherungsleistung verhelfen, sofern die im konkreten Vertrag verwendeten Klauseln nicht den Kriterien entsprechen, nach denen der BGH den Versicherungsschutz nun verneint hat.

Vertragsformulierungen sind entscheidend

Der BGH versagt in seinem Urteil den Versicherungsschutz, wenn die Versicherungsbedingungen des Betriebsschließungsvertrags einen Katalog der versicherten Krankheiten enthalten und der Vertrag ergänzend auf die im IfSG aufgelisteten Krankheitserreger Bezug nimmt. Dabei kommt es nach Auffassung des BGH auf die Sichtweise eines durchschnittlichen gewerblichen Versicherungsnehmers an.

Katalogmäßige Gefahrenauflistungen sind abschließend

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sich nach Auffassung des BGH den Katalog der versicherten Gefahren anschauen und nach dessen Durchsicht davon ausgehen, dass die Aufzählung abschließend ist. Andernfalls wäre die Aufzählung auch aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sinnlos. Dieser könne nicht ernsthaft annehmen, dass die Versicherung auch im Fall von im Katalog nicht aufgeführte Krankheiten und Krankheitserregern eintrittspflichtig ist.

Gefahrenliste ist Grundlage für die Kalkulation der Versicherungsprämie

Dies gelte umso mehr, wenn, wie im konkreten Fall, der Vertrag bereits im Jahr 2008 abgeschlossen wurde und der dort nicht benannte CoV-19-Erreger erst mehr als ein Jahrzehnt später aufgetreten ist. Auch dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei klar, dass bei einer Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf solche, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht absehbare Gefahren eine wirtschaftliche Kalkulation der Versicherungsprämien kaum möglich wäre.

Gefahrenkatalog ist ausreichend transparent

Nach der Bewertung des BGH hält die von der Versicherung verwendete Klausel auch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB stand. Insbesondere verstoße die Klausel nicht gegen das Transparenzgebot, da die Versicherungsbedingungen die versicherten Krankheitserreger eindeutig und klar aufgelistet hätten. Hierdurch würde dem Versicherungsnehmer auch nicht der unrichtige Eindruck vermittelt, dass jede denkbare Betriebsschließung aufgrund der Verbreitung eines Krankheitserregers versichert sein würde.

Klage auf Versicherungsschutz abgewiesen

Mit diesen Argumenten versagte der BGH dem Kläger im konkreten Fall eines Gastronomen aus Travemünde diesem den begehrten Versicherungsschutz für Umsatzausfälle infolge einer coronabedingten  Betriebsschließung.

(BGH, Urteil v. 26.1.2022, IV ZR 144/21)

Abweichende Entscheidungen nicht ausgeschlossen

Insgesamt sind beim BGH ca. 160 Klagen zu Betriebsschließungsversicherungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie anhängig. Die jetzt getroffene Entscheidung dürfte einen maßgeblichen Teil auch dieser Verfahren betreffen, soweit dort die gleichen oder ähnliche Versicherungsbedingungen verwandt wurden. Soweit die verwendeten Vertragsklauseln im Einzelfall abweichen, ist eine andere Entscheidung nicht ausgeschlossen. Das jetzige BGH-Urteil bezieht sich zunächst ausdrücklich auf die in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall verwendeten Vertragsklauseln.

Seit Ende 2020 neue Musterbedingungen für Betriebsversicherungen

Der Verband der deutschen Versicherer GDV hat bereits frühzeitig reagiert und bereits Ende 2020 Musterbedingungen für Betriebsschließungspolicen formuliert, in denen der Versicherungsschutz auch dann ausgeschlossen wird, wenn Betriebe per Allgemeinverfügung geschlossen werden. Mit diesen Bedingungen wurde diese Tür, die der BGH für die Versicherten in seiner Entscheidung offen gelassen hat, auch noch geschlossen. Die Bedingungen sind allerdings nur eine Empfehlung für die Versicherungen und werden von diesen unterschiedlich angewandt.

Auch das OLG Schleswig lehnte Haftung der Betriebsversicherung ab

Mit seiner jetzigen Entscheidung hat der BGH eine vorausgegangene Entscheidung des OLG Schleswig im Wesentlichen bestätigt. In einer für Gastronomen wenig erfreulichen Entscheidung hatte das OLG Schleswig die Haftung der Versicherung für eine coronabedingte Betriebsschließung gleich aus mehreren rechtlichen Gründen abgelehnt.

OLG definiert restriktive Voraussetzungen für Entschädigung aus einer Betriebsschließungsversicherung

Nach der Entscheidung des OLG setzt ein Entschädigungsanspruch aus einer Betriebsschließungsversicherungspolice voraus, dass

  • die behördliche Betriebsschließung eine aus dem Betrieb selbst stammende Infektionsgefahr (sogenannte endogene oder intrinsische Gefahr) betrifft,
  • aufgrund derer die zuständige Behörde, eine konkret auf den einzelnen Betrieb bezogenen Maßnahme erlässt.
  • Die Betriebsschließung aufgrund genereller Maßnahmen zum Gesundheitsschutz infolge einer allgemeinen Pandemielage begründe demgegenüber keinen Versicherungsfall.
  • Schließlich umfasse der Versicherungsschutz grundsätzlich nur, namentlich in den Versicherungsbedingungen genannte Krankheitserreger.

Das Cov-2-Virus sei bei Abschluss des Versicherungsvertrages noch nicht bekannt gewesen, daher im Versicherungsvertrag auch nicht benannt und folglich vom Versicherungsschutz nicht umfasst. Immerhin im Hinblick auf das Erfordernis einer intrinsischen Gefahr ist der BGH von dem Urteil des OLG abgewichen und hat klargestellt, dass auch die Betriebsschließung infolge einer Allgemeinverfügung vom Versicherungsschutz umfasst sein kann (OLG Schleswig, Urteil v. 10.5.2021, 16 U 25/21).

Coronavirus

Ganz anders entschied das OLG Karlsruhe zur Betriebsschließungsversicherung

Andere Gerichte teilten die Rechtsauslegung des OLG Schleswig nicht. Eines dieser in eine andere Richtung gehenden Urteile kommt vom OLG Karlsruhe. Das Urteil des OLG Karlsruhe betrifft allerdings anders formulierte Versicherungsbedingungen als sie dem jetzigen Urteil des BGH zu Grunde lagen. Die Begründung des OLG Karlsruhe ist daher durch das jetzige BGH Urteil nicht in jeder Beziehung überholt.

OLG sah Verletzung des Transparenzgebots

Das OLG Karlsruhe hielt die in den AVB der Versicherung enthaltenen Haftungsausschlüsse für unwirksam. Begründung: Verstoß gegen das Transparenzgebot. Nach Auffassung des OLG waren die im konkreten Fall verwendeten AVB unklar formuliert und für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Einerseits nahmen die auf AVB mehrfach auf die meldepflichtigen Krankheiten des IfSG Bezug, schränkten in ihrer Aufzählung der unter den Schutzbereich des Vertrages fallenden Krankheitserreger diese im Vergleich zum IfSG aber deutlich ein. Hierdurch wurde nach Auffassung des OLG beim Versicherungsnehmer eine unrichtige oder zumindest unklare Vorstellung über den Schutzumfang des Versicherungsvertrages hervorrufen.

Verstoß gegen Transparenzgebot führt zur Unwirksamkeit

Die Begrenzung des Versicherungsschutzes auf einen abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern, welche hinter dem Umfang des Infektionsschutzgesetzes zurückbleibt, ist nach der Beurteilung des Senats für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht hinreichend nachvollziehbar.

Die wiederholte Bezugnahme in den AVB auf die Bestimmungen des IfSG vermittle dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den Eindruck, dass der Versicherungsschutz jede Betriebsschließung aufgrund des IfSG erfasse. Dem Versicherungsnehmer erschließe sich nicht ohne weiteres, dass der tatsächliche Schutz des Versicherungsvertrages dann aber tatsächlich hinter dem IfSG zurückbleiben solle. Die Formulierung verstoße damit gegen das Transparenzgebot und führe zur Unwirksamkeit der Haftungsbeschränkungen (OLG Karlsruhe, Urteil v. 30.6.2021, 12 U 4/21).

OLG Karlsruhe differenziert je nach Vertragsgestaltung

Unter dem gleichen Datum traf der gleiche Senat des OLG Karlsruhe eine auf den ersten Blick entgegengesetzte Entscheidung ebenfalls gegenüber einem Hotel- und Gaststättenbetreiber und bestätigte die klageabweisende Entscheidung der Vorinstanz.

Der Unterschied zum Parallelfall bestand darin, dass die AVB an keiner Stelle auf das IfSG verwiesen. Die Haftungsausschlüsse waren nach der Bewertung des OLG hier so eindeutig und klar gefasst, dass diese von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres nachvollzogen werden konnten. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot lag damit nicht vor, so dass von der Wirksamkeit der entsprechenden Klausel auszugehen war (OLG Karlsruhe, Urteil v. 30.6.2021, 12 U 11/21).

Differenzierende Betrachtungsweise auch bei anderen Gerichten

Mit ähnlicher Argumentation entschied das LG Frankfurt zugunsten der Versicherung in zwei Fällen, in denen es um die coronabedingten Betriebsschließungen einer Gaststätte bzw. eines Kinos ging. In beiden Fällen enthielten die von der Versicherung verwendeten AVB eine konkrete, abschließende Liste der Krankheitserreger und Krankheiten, die unter den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fielen. Das CoV-2-Virus war in diesen Auflistungen nicht enthalten, so dass eine Leistungspflicht der Versicherung nach Auffassung des LG nicht gegeben war (LG Frankfurt, Urteile v. 12.2.2021, 2-08 O 186/20 und v. 19.2.2021, 2-08 O 147/20; ähnlich OLG Koblenz, Urteil v. 28.7.2021, 10 U 259/21; LG Oldenburg, Urteil v. 14.10.2020, 13 O 2068/20).

OLG Stuttgart urteilte ähnlich wie jetzt der BGH 

Das OLG Stutt­gart  hat in unter­schied­li­chen Fällen die Beschrän­kungen des Ver­si­che­rungs­schutzes in den AVB-BS von Ver­si­che­rungs­un­ter­nehmen als wirksam ange­sehen. Risi­ko­aus­schlüsse, die den Versicherungs­schutz auf die bei Abschluss der jewei­ligen Ver­si­che­rungs­ver­träge in den Kata­logen der zum Zeit­punkt des Ver­trags­ab­schlusses gel­tenden Fassung der in §§ 6 u. 7 IfSG auf­ge­führten Krank­heits­er­reger begrenzen, sind nach diesen Entscheidungen ohne wei­teres wirksam. Anders als das OLG Karlsruhe beurteilt das OLG Stuttgart die §§ 6, 7 IfSG nicht als Generalklauseln, die den SARS-CoV-2-Erreger generell miterfassen.

Risi­ko­aus­schlüsse sind weder über­ra­schend noch intrans­pa­rent

Nach Auf­fas­sung des OLG sind durch­schnitt­liche Ver­si­che­rungs­nehmer von Betriebs­schlie­ßungs­ver­si­che­rungen ohne wei­teres in der Lage, die in den AVB-BS ent­halten Risi­ko­aus­schlüsse zu erfassen und zu ver­stehen. AVB-BS, die den Ver­si­che­rungs­schutz auf einen Katalog bestimmter Krank­heits­er­reger begrenzen, seien für Gewer­be­trei­bende weder über­ra­schend noch intrans­pa­rent. Mit einer solchen Haftungsbegrenzung müsse jeder Geschäftsinhaber, der eine solche Versicherung abschließt, bei Abschluss des Vertrages rechnen. Die ver­wen­deten Klau­seln hielten deshalb einer Inhalts­kon­trolle gemäß § 307 BGB ohne wei­teres Stand (OLG Stutt­gart, Urteil v. 18.2.2021, 7 U 351/20; v. 18.2.2021, 7 U 335/20).

Corona-Virus erst seit Februar 2020 im Katalog der mel­de­pflich­tigen Krank­heiten

In der Praxis nehmen viele Ver­si­che­rungs­ver­träge auf die in §§ 6, 7 IfSG auf­ge­zählten Krank­heiten und Krank­heits­er­reger Bezug,ohne selbst die versicherten Krankheitserreger aufzulisten. Erst im Februar 2020 wurde das Coro­na­virus als mel­de­pflich­tige Krank­heit erfasst und schlie­ß­lich durch das zweite Gesetz zum Schutz der Bevöl­ke­rung bei einer epi­de­mi­schen Lage von natio­naler Trag­weite unter § 6 1 Ziffer 1 lit. t als „Coro­na­virus-Krank­heit-2019 (COVID-19)“ aus­drück­lich in den Katalog des IfSG auf­ge­nommen. In Kraft getreten ist die entsprechende Fassung des IfSG erst am 23.5.2020. In diesen Fällen könnte es auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages ankommen.

Klare Ent­schei­dung des LG Düs­sel­dorf zugunsten der Betriebs­in­haber: 764.138,63 EUR

Ein­deutig zugunsten der Ver­si­che­rungs­nehmer und mit einer dem jetzigen BGH-Urteil zum Teil diametral entgegengesetzten Argumentation hat das LG Düs­sel­dorf Posi­tion bezogen. Die 10. Kammer für Han­dels­sa­chen hat einem Düs­sel­dorfer Alt­stadt-Gas­tro­nomen gegen seine Betriebs­schlie­ßungs­ver­si­che­rung einen Betrag in Höhe von 764.138,63 EUR als Scha­dens­er­satz zuge­spro­chen. Drei Bars des Restau­rant­be­sit­zers wurden auf­grund einer All­ge­mein­ver­fü­gung der Lan­des­haupt­stadt Düs­sel­dorf vom 18.3.2020 aus Gründen des Infek­ti­ons­schutzes geschlossen. Laut AVB-BS des zugrun­de­lie­genden Ver­si­che­rungs­ver­trags war der Ver­si­che­rungs­schutz aus­drück­lich auf die im alten, vor Auf­treten der Covid-19-Pan­demie im ein­zelnen auf­ge­führten Krank­heits­er­reger beschränkt.

Ein­schrän­kende AVB-BS intrans­pa­rent und über­ra­schend?

Nach der Wertung des LG Düs­sel­dorf hält diese AVB-BS-Klausel der Inhalts­kon­trolle gemäß § 307 BGB in mehr­fa­cher Hin­sicht nicht stand und ist daher unwirksam. Die Klausel benach­tei­lige den Ver­si­che­rungs­nehmer in unan­ge­mes­sener Weise, sie sei für diesen, intrans­pa­rent, über­ra­schend und unklar. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer gehe nämlich bei vernünftiger Betrachtungsweise davon aus, dass eine pandemiebedingte Schließung seines Betriebs vom Versicherungsschutz einer Betriebsschließungsversicherung erfasst ist. Einschränkungen des Versicherungsschutzes müssten daher im Versicherungsvertrag in besonderer Weise kenntlich gemacht und herausgestellt werden.

Außer-Haus-Verkauf keine zwin­gende Alter­na­tive

Schlie­ß­lich sah das LG den Ver­si­che­rungs­schutz auch nicht dadurch ein­ge­schränkt, dass nach der Schlie­ßungs­ver­ord­nung der Stadt Düs­sel­dorf der Außer-Haus-Verkauf von Speisen und Getränken grund­sätz­lich erlaubt blieb. Um eine solche zwar mög­liche, aber wirt­schaft­lich mög­li­cher­weise nicht loh­nende Alter­na­tive müsse sich ein Betriebs­in­haber nicht ver­weisen lassen. (LG Düsseldorf, Urteil v. 19.2.2021, 4 O 53/20). Die Argumente des LG Düsseldorf dürften durch die jetzige Entscheidung des BGH in weiten Teilen überholt sein.

Dynamische Verweisung bezieht CoV-19-Erreger ein

Eine interessante Argumentation zugunsten der Versicherungsnehmer enthält ein Urteil des LG Magdeburg. Die Kammer des LG sieht in der Verweisung der AVB-BS auf die im IfSG aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger eine dynamische Verweisung mit der Folge, dass auch die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages noch nicht im IfSG aufgeführten Krankheitserreger SARS-CoV-2 vom Versicherungsschutz umfasst sind. Diese Auslegung entspreche auch dem Sinn und Zweck von Betriebsschließungsversicherungen, denn sonst würde jede Betriebsschließungsversicherung mit den Jahren nicht mehr dem aktuellen Stand der seuchenbedingten Gefahrenlagen entsprechen (LG Magdeburg, Urteil v. 6.10.2020, 31 O 45/10). Ob diese Argumentation nach dem aktuellen BGH-Urteil noch gültig ist, dürfte zumindest zweifelhaft sein.

Keine Anrech­nung staat­li­cher Hilfen auf Ver­si­che­rungs­leis­tungen

Ist im Einzelfall die Eintrittspflicht der Betriebsschließungsversicherung gegeben, so stellt sich die Frage nach dem Umfang der Entschädigungsleistungen. Nach einer Ent­schei­dung des LG München sind weder Kurz­ar­bei­ter­geld noch im Rahmen der Pan­demie gewährte staat­liche Liqui­di­täts­hilfen anspruchs­min­dernd zu berück­sich­tigen, da es sich bei diesen staat­li­chen Leis­tungen recht­lich um keine Scha­den­er­satz­zah­lungen handle und diese daher auch nicht auf Scha­dens­er­satz­an­sprüche der Ver­si­cherten ange­rechnet werden könnten. Dies ist inso­weit von beson­derem Inter­esse für Ver­si­che­rungs­nehmer und Ver­si­cherer, als selbst die kulan­teren Ver­si­cherer, die an Corona-Geschä­digte Leis­tungen wegen Betriebs­schlie­ßungen erbracht haben, bisher bei der Scha­dens­be­rech­nung die vom Betriebs­in­haber erhal­tenen staat­li­chen Leis­tungen in Abzug gebracht haben.

Auch eine Scha­dens­min­de­rungs­pflicht des kla­genden Gast­wirtes in Form der Ein­rich­tung eines Außer-Haus-Ver­kaufs lehnte das LG ab (LG München I, Urteil v. 1.10.2020, 12 O 5895/20).

Staat wohl nicht in der Haftung

Die Frage der Haftung der Betriebsschließungsversicherungen ist für viele Betriebsinhaber von entscheidender Bedeutung, da Entschädigungsansprüche gegenüber anderen Stellen in der Regel ausscheiden. So haben einige von Corona-Betriebsschließungen betroffene Betriebsinhaber den Versuch unternommen, den Staat auf Haftung für Betriebsausfälle in Anspruch zu nehmen. Dies war wenig erfolgreich: So hat das LG Heilbronn einen Entschädigungsanspruch der Inhaberin eines Friseursalons gegen das Land abgelehnt. Ein möglicher Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 4, 12 IfSG setzt nach dieser Entscheidung voraus, dass Maßnahmen gegen einen Betriebsinhaber getroffen werden, der selbst zur Gruppe der Ausscheider, der Ansteckungsverdächtigen oder der Krankheitsverdächtigen gehört (LG Heilbronn, Urteil v. 29.4.2020, I 4 O 82/20).

Keine Staatshaftung wegen Sonderopfer

Ein Rückgriff auf die Grundsätze des enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriffs kommt nach einer Entscheidung des LG Berlin nicht in Betracht, weil von den Betriebsinhabern kein Sonderopfer verlangt würde, denn alle Betriebsinhaber der gleichen Branche seien in gleicher Weise betroffen (LG Berlin, Urteil v. 13.10.2020, 2 O 247/20; ähnlich LG Hannover, Urteil v. 9.7.2020, 8 O 2/20).

Einige Versicherungen unterbreiten „Kulanzangebote“

Einige Versicherungen bieten „kulante Regelungen“ für bestimmte Branchen an. In Bayern haben einige Versicherer eine Vereinbarung getroffen, wonach 10-15 % der vereinbarten Tagessätze an betroffene Gastronomen ausgezahlt werden sollen. Die übrigen Einnahmeausfälle sollen über Staatshilfen abgedeckt werden. Nach Berechnungen der Versicherungswirtschaft können beispielsweise Gastronomen 70 % ihrer Einnahmeausfälle über staatliche Hilfen abdecken. Von den verbleibenden 30 % wollen einige Versicherungen daher die Hälfte, also 15 %, auf dem Kulanzwege, d.h. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, übernehmen. Nach der jetzigen Entscheidung des BGH dürfen die Versicherungen sich in Zukunft sicherer fühlen. Kulanzangebote, so sie noch erfolgen, dürften in Zukunft eher weniger großzügig ausfallen.

Fragwürdige Berechnungsmethode

Ob die Berechnungsmethode der Versicherungsbranche, Staatshilfen bei der Berechnung der Ersatzleistungen zu berücksichtigen, schlüssig ist, ist unter Juristen umstritten. Wenn Versicherungsverträge als Summen- und nicht als Schadensversicherungen ausgebildet sind und keine Subsidiaritätsklausel eingefügt ist, stehen den Versicherungskunden nach überwiegender Meinung die vereinbarten ungekürzten Tagessätze für Betriebsausfälle zu, auch wenn sie staatliche Hilfen in Anspruch nehmen. Diese Sichtweise entspricht der bereits zitierten Entscheidung des LG München. Nach einer Meldung der ARD hat ein Großteil der bei der Allianz versicherten Gastronomen in Bayern deren Kulanzangebot angenommen. Für viele in Not geratene Unternehmen geht es im Ergebnis auch darum, möglichst schnell Zahlungen zu erhalten. Zahlungen nach Eintritt der Insolvenz haben nur noch begrenzten Nutzen.

 

Bedienung in Kneipe wischt Bar

Klagewelle rollt

Besonders Gastronomen haben in großer Zahl den Gerichtsweg gegen ihre Versicherung eingeschlagen. Bei einigen deutschen Landgerichten sind inzwischen Hunderte solcher Verfahren anhängig. Nach der jetzigen BGH-Entscheidung dürfte sich die Hoffnung vieler Kläger auf Schadenersatz zerschlagen. Aber auch nach dieser Entscheidung lohnt es sich, die jeweiligen Versicherungsverträge genau daraufhin abzuklopfen, inwieweit sie von der aktuellen BGH-Entscheidung umfasst werden. 

Veranstaltungsausfallversicherungen lehnen Corona-Schutz häufig ebenfalls ab

Veranstaltungsausfallversicherungen sichern Veranstalter gegen finanzielle Schäden aus dem Ausfall von Veranstaltungen wie Konzerten oder Messen ab. Regelmäßig bezieht sich der Versicherungsschutz auf Absagen beispielsweise wegen einer individuellen Erkrankung des Künstlers. Auch hier lohnt es sich, den individuellen Versicherungsvertrag darauf zu prüfen, ob Ausfälle wegen behördlicher Untersagungen bei Infektionsgefahr mitversichert sind.

Unternehmen sollten auch ihre Kreditversicherungen prüfen

Auch Kreditversicherungen können in der Corona-Krise in einigen Fällen einschlägig sein. Eine Kreditversicherung schützt Lieferanten, wenn ein Abnehmer eine Rechnung nicht bezahlt. Infolge der Corona-Pandemie eintretende Forderungsausfälle oder längerfristige Zahlungsverzögerungen können ein Fall der Kreditversicherung und insbesondere auch einer Exportkreditversicherung sein. Die Kreditversicherungen könnte es sogar besonders hart treffen. Die ehemalige Bundesregierung hatte insoweit vorgesorgt und eine Garantie für Entschädigungszahlungen der Kreditversicherung von bis zu 30 Milliarden Euro im Rahmen eines Schutzschirms eingerichtet.

Transportversicherungen ebenfalls einschlägig

Bleiben Waren, die ein Unternehmen im Ausland bestellt hat, blockiert und werden nicht geliefert, so sind hieraus entstehende Verzögerungsschäden häufig durch die Warentransportversicherung gedeckt. Betroffene Unternehmen sollten in solchen Fällen den entsprechenden Versicherungsvertrag darauf prüfen, ob hierunter auch pandemiebedingte Lieferverzögerungen fallen. Die rechtlichen Argumente unterscheiden sich hier nicht wesentlich von denen bei der Betriebsschließungsversicherung.

Wichtig: Obliegenheiten des Versicherungsnehmers beachten

Im Schadensfall müssen Versicherte grundsätzlich schnellstmöglich handeln. Die Betriebsschließung muss in der Regel unverzüglich der Versicherung gemeldet werden. Außerdem sehen die Verträge häufig vor, dass der Versicherte sämtliche ihm zustehenden Entschädigungsansprüche nach dem IfSG geltend machen muss und die Versicherung erst sekundär für die Schäden haftet, die durch diese Entschädigungsansprüche nicht abgedeckt werden. Im Einzelfall kommt es auch in diesem Punkt sehr stark auf die genaue vertragliche Formulierung an.

Haftungsumfang

In der Regel werden im Versicherungsvertrag Tagessätze vereinbart, die bei einer Betriebsschließung zu zahlen sind. Wird der Betrieb teilweise geschlossen (Verkaufsgeschäft geschlossen, Handwerksbetrieb bleibt geöffnet) werden nach den jeweiligen Versicherungsbedingungen in der Regel anteilige Tagessätze vereinbart. Die Tagessätze umfassen in der Regel die weiterlaufenden festen Kosten sowie den entgangenen Gewinn und sind häufig durch eine fixe Obergrenze gedeckelt.