BAG verortet Lohnrisiko in coronabedingter Betriebsschließung beim Arbeitnehmer
Ende der Diskussionen um Betriebsrisiko bei flächendeckenden Schließungen
Die Unsicherheit hat ein Ende - ob das Urteil glücklich macht, hängt davon ab, aus welcher Perspektive man es betrachtet. Arbeitgeber wird es freuen. Angestellte kann es in künftigen Situationen dieser Art sehr hart treffen. Vor allem wenn sie zu denen gehören, die durch das soziale Stützraster fallen.
Geschäftsschließung gemäß SARS-CoV-2-Allgemeinverfügung
Geklagt hatte eine Verkäuferin auf Minijob-Basis, die in einem Laden für Nähbedarf in Bremen arbeitete. Im April 2020 mussten die Inhaber den Laden geschlossen halten. Sie hielten sich damit an die Vorgaben der seinerzeitig geltenden „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“ der Freien Hansestadt Bremen.
Zu welcher Risikosphäre gehört der Arbeitsausfall?
Die Verkäuferin blieb zu Hause, verlangte aber ihre monatliche Vergütung von 432 Euro als Annahmeverzugslohn. Sie war sich sicher, dass die coronabedingte Schließung dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzuordnen ist (§ 615 S. 3 BGB). Damit war die Gretchenfrage auf dem Richtertisch, zuletzt auf dem des BAG. Das Arbeitsgericht Verden und das LAG Niedersachsen sahen es wie die Arbeitnehmerin. Das BAG sorgte nun für die überraschende Wendung.
Gemeinschaftswohl aller war Auslöser der Maßnahmen
Das BAG argumentiert so: Die flächendeckende Schließung erfolgte zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen. Es realisierte sich somit gerade nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Eine Gefahr, wie sie eine Pandemie mit sich bringt, liegt völlig außerhalb des Einflussbereichs des Arbeitgebers – oder des Arbeitnehmers.
Staat hat das Problem geschaffen, also soll er es auch lösen
Dass die Arbeit nicht erbracht werden konnte, war Folge eines hoheitlichen Eingriffs zum Schutz aller, weshalb es auch Sache des Staates sei, einen Ausgleich für die entstehenden finanziellen Ausfälle zu schaffen. Das hat er zum Teil auch, z.B. durch den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld.
Kurzarbeitergeld kann den Ausfall auffangen
Die Minijobberin indes konnte nicht in den Genuss von Kurzarbeitergeld kommen; dies ist für geringfügig Beschäftigte, die keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen, nicht vorgesehen. Die Lücke ist dem BAG bewusst, leitet aber auch aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche keine Zahlungspflicht des Arbeitgebers her. Der Appell geht insoweit umso dringlicher an den Staat.
Fazit
Am Ende bleibt also der Schwarze Peter da, wo er zuerst aufgetaucht ist, beim Beschäftigten, der ohne Arbeit auch ohne Vergütung bleibt. An den Arbeitgeber jedenfalls will das BAG ihn nicht weitergeben. Der Staat soll ihn den Arbeitnehmern aus der Hand nehmen.
BAG, Urteil v. 13.10.2021 (5 AZR 211/21)
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