Rz. 22
Stand: EL 111 – ET: 01/2017
Der Begriff "Trinkgeld" ist für sich ein Tatbestandsmerkmal des § 3 Nr 51 EStG. Er kann im Auslegungswege näher bestimmt werden. § 107 Abs 3 Satz 2 GewO definiert: "Trinkgeld ist ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt". Es steht dem ArbN unmittelbar zu (vgl LArbG RP vom 09.12.2010, DB 2011, 881).
Das Trinkgeld war in seiner ursprünglichen Sinngebung wohl als spontaner Beitrag zur Begleichung der aktuell anstehenden Ausgaben für den – bei körperlicher Arbeit ggf zusätzlichen – Getränkebedarf des Empfängers gedacht. Von dieser Zweckbestimmung hat sich die Praxis zwar inzwischen entfernt; für die Höhe der Zuwendungen und ihre Art (Geldleistung) ist dieser Ausgangspunkt uE gleichwohl noch bestimmend. Dieser Gesichtspunkt kommt uE begrifflich zu den Merkmalen "freiwillig", "ohne Rechtsanspruch", "für eine Arbeitsleistung" usw hinzu. Es muss sich aber nicht unbedingt nur um "Kleingeld" handeln, zumal wenn der Betrag auf mehrere ArbN verteilt werden soll.
Beispiel 1:
Die Eltern haben die Hochzeit ihrer Kinder mit der ganzen Familie in einem Hotel gefeiert. Das Essen war ausgezeichnet und die Getränke reichlich. Erkennbar sind von Seiten des Hotels neben dem Chef eine Vielzahl von sichtbaren und unsichtbaren Personen beteiligt. Die Eltern geben deshalb ein freiwilliges (Zusatz-)Trinkgeld von 200 EUR, um ihre Zufriedenheit zu bekunden. Dieser Betrag ist zwar hoch, aber bei Verteilung auf mehrere Personen ein steuerfreies "Trinkgeld".
Grundsätzlich handelt es sich aber um kleine "Geldgeschenke" für erwiesene Dienste. Bei dem in > Rz 20 Beispiel 3 dargestellten Sachverhalt kann deshalb nicht mehr davon ausgegangen werden, dass ein Bonus in Millionenhöhe ein "Trinkgeld" ist.
Beispiel 2:
Ein stationär im Krankenhaus behandelter Patient gibt den Pflegekräften einen Geldbetrag für die "Freud- und Leidkasse". Das ist ein steuerfreies Trinkgeld. Anders ist es, wenn ein dankbarer Patient dem Oberarzt ein Geldgeschenk macht, dass deutlich über ein übliches "Dankeschön" hinausgeht; das Geldgeschenk ist steuerpflichtig; idR als Arbeitslohn, anderenfalls unterliegt es der Schenkungsteuer. Ergänzend > Rz 22.
Typisch für freiwillige "Trinkgelder" ist zudem, dass es sich um eine zusätzliche dauernde Einnahmequelle für die ArbN der sog Trinkgeldberufe handelt (vgl BFH 76, 843 = BStBl 1963 III, 306). Außerdem stellt der BFH auf ein trinkgeldtypisches kundenähnliches Verhältnis des Trinkgeldgebers zum ArbN ab (BFH 248, 471 = BStBl 2015 II, 767).
Rz. 22/1
Stand: EL 111 – ET: 01/2017
Als unschädlich wird die Vermischung des Trinkgelds mit Betriebsmitteln des ArbG und anschliessende Trennung bei der Abrechnung angesehen.
Beispiel 3:
Die Kellnerin K erhält von ihrem ArbG zu Schichtbeginn eine Geldbörse mit Wechselgeld. Beim Kassieren werden sowohl das Rechnungsentgelt einschließlich des Trinkgeldzuschlags von 15 % als auch ein freiwilliges Trinkgeld ununterscheidbar in dieser Börse vereinnahmt. Erst bei der Abrechnung am Schichtende werden die Rechnungsentgelte einschließlich des an den ArbG abzuführenden vertraglichen Trinkgelds von den für ein steuerfreies Trinkgeld in Betracht kommenden Beträgen getrennt (die ggf um Fehlgelder gemindert sind). Die zunächst unvermeidliche Vermischung des für K bestimmten Trinkgelds mit den dem ArbG gehörenden Beträgen und der daraus sich ergebende Rechtsanspruch gegen den ArbG auf Auszahlung des Trinkgeld(anteils) ist für die Steuerfreiheit nach § 3 Nr 51 EStG unschädlich.
Rz. 23
Stand: EL 111 – ET: 01/2017
Folgende Leistungen sind kein „Trinkgeld”: Der Angestellte einer Steuerberatungsgesellschaft erhält vom Auftraggeber eine besondere Zuwendung in Geld (RFH, RStBl 1944, 731); ein Angestellter eines Notariats erhält eine Vergütung für die Mitwirkung bei der Auflassungsvormerkung (> Notare Rz 4); freiwillige Zahlungen an Notarassessoren für deren Vertretungstätigkeit (BFH 248, 471 = BStBl 2015 II, 767); der Chefarzt zahlt den in seiner Privatstation tätigen Mitarbeitern, die dort als Angestellte des Krankenhauses tätig werden, selbst oder über einen Liquidationspool eine zusätzliche Vergütung (> Rz 15 Beispiel 3); der Auftraggeber veranlasst die ArbN der Auftragnehmerin mit deren Einverständnis zu Überstunden und zahlt einen erhöhten Stundenlohn, damit der Auftrag termingerecht ausgeführt wird (> Rz 16 Beispiel 9); ein Sponsor zahlt eine Prämie an einen Berufssportler (> Fußballspieler; ergänzend > VIP-Sponsoring); ein Großaktionär gibt dem Vorstandsmitglied eine "Prämie" für eine erfolgreiche Sanierung (vgl BFH 133, 375 = BStBl 1981 II, 707); freiwillige Sonderzahlungen der Konzernmutter an ArbN eines konzernverbundenen Unternehmens (> Rz 15/4 Beispiel 8); Messstipendien, die Gläubige einem katholischen Priester für die Feier der heiligen Messe gewähren (EFG 2004, 901; > Geistliche); ein Stpfl wird für einen "werthaltigen Tipp" auf Grund eines partiarischen Rechtsverhältnisses m...