Rz. 22
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Von der Anlaufhemmung (> Rz 15–20) ist die Ablaufhemmung zu unterscheiden. Sie ist in den §§ 171, 174 Abs 3 bis 5, 175a, 181 Abs 5 und 191 Abs 3 AO geregelt. Vgl dazu den AEAO zu §§ 171ff. Werden in einem Fall mehrere Tatbestände für eine Ablaufhemmung erfüllt, wirken diese nebeneinander, sodass die weitergehende Frist zu beachten ist (BFH 135, 234 [teilweise nv] = BStBl 1982 II, 524). Wie bei der Anlaufhemmung wird auch bei der Ablaufhemmung die Festsetzungsfrist hinausgeschoben. Bei der Ablaufhemmung ändert sich aber nicht der Beginn, sondern das Ende der Festsetzungsfrist. Wird der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt, endet die Frist häufig nicht am Ende, sondern zu einem Zeitpunkt während des Kalenderjahres.
Rz. 22/1
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Kann eine Steuer innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs wegen höherer Gewalt nicht festgesetzt werden, läuft die Festsetzungsfrist nicht ab (vgl § 171 Abs 1 AO). Höhere Gewalt iSd § 171 Abs 1 AO ist ein außergewöhnliches Ereignis, das unter den gegebenen Umständen auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhindert werden konnte, oder ein von außen kommendes Ereignis, das nicht vom menschlichen Willen gesteuert ist (BFH/NV 1998, 497). Typische Beispiel sind Kriege und Naturkatastrophen, auch Streiks und vergleichbare unabwendbare Ereignisse, damit uE möglicherweise auch die Einflüsse einer Pandemie. Durch die höhere Gewalt muss die gewollte Festsetzung der Steuer behindert werden, was voraussetzt, dass die FinVerw Kenntnis von einem Sachverhalt hat, der zur Festsetzung einer Steuer führen kann. Kein Fall der Ablaufhemmung wegen höherer Gewalt ist gegeben, wenn die höhere Gewalt (zB ein Brand) dazu führt, dass der FinVerw die Kenntnis über einen stpfl Sachverhalt verloren geht (BFH 172, 1 = BStBl 1993 II, 818). Wird durch höhere Gewalt in den letzten sechs Monaten vor Ablauf der Festsetzungsfrist diese gehemmt, verlängert sich die Festsetzungsfrist um den Zeitraum, während dessen die Hemmung, dh die höhere Gewalt in diesem Zeitraum andauerte. Sie kann somit die Festsetzungsfrist um maximal sechs Monate hinausschieben.
Rz. 22/2
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Ist es zur Umsetzung einer Verständigungsvereinbarung oder eines Schiedsspruchs zur Vermeidung der > Doppelbesteuerung erforderlich, einen > Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Wirksamwerden der Vereinbarung (§ 175a AO). Eine tatsächliche Verständigung (> Vereinbarungen mit dem Finanzamt) ist keine Verständigungsvereinbarung idS (BFH/NV 2002, 1010).
Rz. 22/3
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Ist dem FA beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses unrichtigen Steuerbescheids (§ 171 Abs 2 Satz 1 AO). Das Gleiche gilt bei Schreib- und Rechenfehlern des Stpfl, wenn er dadurch der FinVerw unzutreffende Informationen gibt, die nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen betreffen (vgl § 171 Abs 2 Satz 2 iVm § 173a AO). Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist jedoch nur insoweit gehemmt, soweit sich die offenbare Unrichtigkeit auswirkt (BFH 156, 59 = BStBl 1989 II, 531).
Rz. 23
Stand: EL 127 – ET: 08/2021
Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung – zB nach § 46 Abs 2 Nr 8 EStG – oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist (§ 171 Abs 3 AO). Ähnliches gilt bei Anfechtung eines vor Ablauf der Festsetzungsfrist erlassenen Steuerbescheids, und zwar auch dann, wenn der Einspruch erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird (§ 171 Abs 3a AO); es bleibt also Zeit bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens. Damit wird dem Stpfl die Verwirklichung seines Anspruchs und dem FA die für eine sorgfältige Prüfung erforderliche Zeit gesichert (vgl BFH/NV 2016, 161, dort unter Rz 26 mwN). Dies gilt in gleicher Weise für Feststellungsbescheide (vgl § 181 Abs 1 Satz 1 AO; BFH 211, 424 = BStBl 2006 II 400) und Haftungsbescheide (vgl § 191 Abs 3 Satz 1 AO). Voraussetzung ist ein Antrag des betroffenen Stpfl. Im Falle der Zusammenveranlagung von > Ehegatten oder für eingetragene > Lebenspartner (> Ehegattenbesteuerung Rz 25–34) wirkt der Antrag eines Ehegatten/Lebenspartners auch für und gegen den anderen Ehegatten/Lebenspartner (vgl BFH 210, 393 = BStBl 2005 II, 865). Kein Antrag idS ist die Abgabe einer > Steuererklärung, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder zu der die FinVerw aufgefordert hat (BFH 233, 326 = BStBl 2011 II, 963 mwN). Das gilt auch, wenn zusätzlich ein Antrag auf Veranlagung gestellt wird (FG München vom 06.05.2020 – 12 K 225/19, HaufeIndex 13 951 143). Durch das Wort "...