Rz. 57
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist, und bei elektronischen Dokumenten in dem Zeitpunkt, in dem der Empfänger das Empfangsbekenntnis zurückgesendet hat (vgl § 8 VwZG). Ein solcher Zustellungsmangel liegt zB vor, wenn bei einer Zustellung mittels Postzustellungsurkunde das Datum der Zustellung nicht auf dem Umschlag vermerkt wird, in dem sich das zugestellte Dokument befindet (Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 20/2022 Anm 3). Die Regelungen zur Heilung von Zustellungsmängeln gilt auch für öffentliche Zustellungen (BFH 1985, 220 = BStBl 1985 II, 597).
Rz. 58
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Tatsächlich zugegangen ist ein Dokument nicht bereits dann, wenn es in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, sondern erst, wenn der Empfänger es in die Hand genommen hat (vgl BFH vom 06.05.2014 – GrS 2/13, BFH 244, 536 = BStBl 2014 II, 645). Geheilt werden uE jedoch nur die Fehler der Zustellung, nicht etwaige Fehler im zugestellten Dokument, zB eine unzutreffende Bezeichnung des Empfängers (glA H/H/Sp/Schwarz, § 8 VwZG Rn 12; BFH/NV 1992, 51).
Rz. 59
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Der tatsächliche Zugang des Dokuments ist von der FinBeh nachzuweisen. Dazu ist jedoch eine schlüssige Handlung des Empfängers, zB das Einlegen eines Einspruchs gegen den zugestellten > Verwaltungsakt, ausreichend (vgl BFH/NV 2007, 1035).
Rz. 60
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Sofern eine förmliche Zustellung nicht erforderlich ist, kann die mangelhafte Zustellung auch durch Übersendung einer Kopie des VA geheilt werden (BFH/NV 1995, 195).
Rz. 61
Stand: EL 135 – ET: 08/2023
Ist eine Zustellung durch Formfehler unwirksam, schließt dies uE nicht aus, dass es zu einer einfachen Bekanntgabe gekommen ist, denn auch die Zustellung eines VA ist eine Form der Bekanntgabe, lediglich ergänzt um den Nachweis, dass und wann die Bekanntgabe erfolgte. Kann der Nachweis aus Formmängeln nicht erbracht werden, ändert dies nichts an der Bekanntgabe und den Bekanntgabewillen der FinBeh (vgl auch Klein/Ratschow, § 122 AO Rz 106; aA BFH 178, 105 = BStBl 1995 II, 681 und H/H/Sp/Schwarz, § 8 VwZG Rz 14). Allerdings gilt in diesen Fällen nicht die Fiktion des § 122 Abs 2 AO, wonach ein schriftlicher VA, der durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im > Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt (> Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten Rz 4), weil es sich bei dem Zustellungsversuch gerade nicht um die einfache Übermittlung eines Briefes handelt.