Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens der Steuerfahndung an eine Bank für strafrechtlich verjährte Zeiträume. Aussetzung der Vollziehung des Auskunftsersuchens vom 30.7.1996
Leitsatz (amtlich)
An der Rechtmäßigkeit eines auf § 93 AO gestützten Auskunftsersuchens der Steuerfahndungsstelle des FA an eine Bank wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen einen Steuerpflichtigen durch Abgabe unrichtiger bzw. Nichtabgabe von Steuererklärungen für strafrechtlich verjährte Zeiträume bestehen keine ernstlichen Zweifel. Ein solches Auskunftsersuchen ist durch die Aufgabenzuweisung des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO gerechtfertigt. Dem Auskunftsersuchen steht auch nicht entgegen, dass möglicherweise Festsetzungsverjährung gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO eingetreten ist.
Normenkette
AO 1977 §§ 93, 208 Abs. 1 Nrn. 3, 1-2, § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; FGO § 69 Abs. 2
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Steuerfahndungsstelle des beklagten Finanzamts (FA) führt gegen den Steuerpflichtigen … L., … ein Steuerstrafverfahren durch. Anläßlich dieses Verfahrens erwirkte das FA beim Amtsgericht … am 23.10.1995 einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluß gegen die Antragstellerin wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen den genannten Steuerpflichtigen durch die Abgabe unrichtiger bzw. die Nichtabgabe von Steuererklärungen in nicht rechtsverjährter Zeit, zumindest jedoch ab dem Veranlagungszeitraum 1989. Der Beschluß berechtigte insbesondere zur Beschlagnahme von Aufzeichnungen über Konten aller Art, Wertpapier- und Sammeldepots, den Inhalt von Bankschließfächern etc., die dem Beschuldigten … L. seiner Ehefrau bzw. seiner Tochter zuzurechnen waren.
Die Antragstellerin wandte die Durchsuchung und Beschlagnahme dadurch ab, daß sie die angeforderten Unterlagen freiwillig herausgab.
Am 07.03.1996 äußerte die Steuerfahndungsstelle des FA erstmals die Bitte gegenüber der Antragstellerin, auch die Erträge aller Konten des Beschuldigten, seiner Ehefrau und seiner Tochter für die Jahre 1986–1988 zusammenzustellen. Dies lehnte die Antragstellerin mit Schreiben vom 17.06.1996 ab. Daraufhin forderte das FA die Antragstellerin mit Bescheid vom 30.07.1996 nochmals auf, im Steuerstrafverfahren gegen … L. alle Erträgnisse aus Kapitalvermögen der Jahre 1986–1988 sowie alle Kontostände zum 01.01. der Jahre 1986–1988 bezüglich der Geschäftsverbindungen, die … L. zuzurechnen seien, mitzuteilen. Verbunden mit dem Bescheid wurde die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 1.000,– DM für den Fall angedroht, daß die Antragstellerin dem Ersuchen nicht bis zum 23.08.1996 nachkäme. Der Bescheid war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen.
Mit Schriftsatz vom 15.08.1996 legte die Antragstellerin gegen das Auskunftsersuchen vom 30.07.1996 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Die Verfahren blieben erfolglos. Das FA lehnte mit Entscheidung vom 20.08.1996 sowohl den Einspruch als auch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet ab.
Zwischen den Beteiligten ist es unstreitig, daß für Steuerstraftaten bezüglich der Veranlagungszeiträume vor 1989 Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
Mit dem nunmehr bei Gericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist die Antragstellerin der Auffassung, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Auskunftsersuchens.
Die Steuerfahndungsstelle des FA besitze für das Ersuchen keine sachliche Zuständigkeit im Sinne des § 208 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 1 AO sei die Steuerfahndung nur für die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang mit Steuerstraftaten bzw. Steuerordnungswidrigkeiten zuständig. Hier reiche nicht irgendein loser Zusammenhang mit einer Steuerstraftat aus, die Steuerfahndung sei vielmehr nur dann sachlich zuständig, wenn es um die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen für eine konkrete Tat gehe, deren Strafbarkeit nicht ausgeschlossen sei. Die Steuerfahndung dürfe nur solche Besteuerungsgrundlagen ermitteln, die für ein Straf- bzw. Bußgeldverfahren von Bedeutung seien.
Im Streitfall sei dagegen bezüglich der Jahre 1986–1988 Strafverfolgungsverjährung eingetreten. Damit stehe fest, daß eine Ermittlungstätigkeit der Steuerfahndung in bezug auf diese Jahre nicht mehr zu einer Bestrafung des Beschuldigten L. führen könne. Das Vorgehen der Steuerfahndung sei damit nicht mehr durch die Vorschrift des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 1 AO gedeckt. Dieses Ergebnis bestätigten auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie maßgebliche Stimmen in der Literatur.
Das Finanzamt könne sich zur Stützung seiner Auffassung auch nicht auf den HMDF-Erlaß vom 15.07.1996 berufen, wonach die Steuerfahndung im Rahmen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auch dann die Besteuerungsgrundlagen ermitteln könne, wenn steuerstraf- oder bußgeldrechtliche Ermittlungen, z. B. wegen Strafverfolgungsjährung, unzulässig seien.
Da ...