Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld 1996 und 1997
Leitsatz (redaktionell)
Keine Wiedereinsetzung im Hinblick auf die Ausschlußfrist nach § 66 Abs. 3 EStG; keine rückwirkende Änderung der Berechtigtenbestimmung nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG.
Tenor
Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.
Tatbestand
Streitig ist, von welchem Zeitpunkt an Kindergeld zu gewähren bzw. ein Kind als „Zählkind” zu berücksichtigen ist.
Die Kläger sind Eheleute. Aus der Ehe sind folgende Kinder hervorgegangen:
- J. geboren am 12. März 1989
- S. geboren am 1. Juli 1991
- T. geboren am 2. September 1992
- F. geboren am 4. März 1996.
Außerdem hat der Ehemann ein Kind (P, geboren am 15. Februar 1980) aus erster Ehe, das bei seiner Mutter lebt.
Das Kindergeld für die gemeinsamen Kinder J, S und T wurde mit Zustimmung des Ehemannes an die Ehefrau gezahlt (Anträge vom 13. April 1989, vom 22. Juli 1991 und vom 29. September 1992). Ein Kindergeldantrag für die Tochter F wurde von der Ehefrau nicht gestellt.
Am 17. Juni 1997 ging bei dem Beklagten (dem Arbeitsamt – AA) ein Kindergeldantrag des Ehemannes ein, in dem dieser mit Zustimmung seiner Ehefrau beantragte, ihm das Kindergeld für die gemeinsamen Kinder J, S, T und F zu gewähren. Durch Bescheide vom 21. Juli 1997 setzte das AA das Kindergeld gegenüber dem Ehemann ab Juni 1997 unter Berücksichtigung des Sohnes P als Zählkind auf 1.220 DM monatlich fest. Außerdem setzte es das Kindergeld für das Kind F rückwirkend ab Dezember 1996 auf 350 DM fest. Die Bewilligung von Kindergeld für weitere zurückliegende Zeiten lehnte es unter Hinweis auf die Ausschlußfrist des § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab. Ebenfalls durch Bescheid vom 21. Juli 1997 hob das AA die gegenüber der Ehefrau erfolgte Festsetzung des Kindergelds für die Kinder J, S und T ab Juli 1997 auf.
Mit zwei Schreiben vom 28. Juli 1997, die am folgenden Tag beidem AA eingingen, legte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger gegen die Kindergeldbescheide vom 21. Juli 1997 Einspruch ein. Er vertrat die Ansicht, daß das Kindergeld für die Tochter F ab März 1996 zu bewilligen und der Sohn P vom Beginn des Jahres 1996 an als Zählkind zu berücksichtigen sei. Mit Schreiben vom 30. Dezember 1996 habe er – wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Höhe des Kindergelds für das erste und zweite Kind – Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Ehefrau eingelegt. Sofern als Bekanntgabe des Bescheides die Zahlung des Kindergeldes seit Beginn des Jahres 1996 anzusehen sei, fehle es an der Rechtsbehelfsbelehrung, so daß die Rechtsmittelfrist ein Jahr betragen habe. Die Kindergeldzahlung sei somit nicht bestandskräftig erfolgt.
Durch Bescheid vom 7. November 1997 wies das AA die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück. Es vertrat die Ansicht, daß eine Berücksichtigung des Sohns P als Zählkind erst vondem Zeitpunkt an möglich sei, zu dem der Kindesvater als Kindergeldberechtigter für die gemeinsamen Kinder bestimmt worden sei. Die Gewährung von Kindergeld für die Tochter F für Zeiträume vor Dezember 1996 sei im Hinblick auf § 66 Abs. 3 EStG nicht möglich. Nach dieser Vorschrift sei eine rückwirkende Zahlung lediglich für die letzten sechs Monate vor der Antragstellung möglich. Mit dem Einspruch vom 30. Dezember 1996 habe sich die Ehefrau lediglich gegen die Festsetzung des Kindergeldes für das erste und zweite Kind gewandt. Die Stellung eines Neuantrages für das Kind F sei damit nicht verbunden gewesen. Von der Geburt des vierten Kindes habe das AA erst im Juni 1997 Kenntnis erlangt.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger tragen vor, daß die rechtzeitige Stellung eines Kindergeldantrages für das Kind F aufgrund verschiedener schwerer Krankheitsfälle in der Familie der Kläger unterblieben sei. In rechtlicher Hinsicht vertreten sie die Ansicht, daß durch die Einlegung des Einspruchs vom 30. Dezember 1996, der am 2. Januar 1997 bei dem AA eingegangen sei, die Kindergeldfestsetzungen in vollem Umfang offenseien. Da die Kindergeldfestsetzung zum 1. Januar 1996 nicht aufgrund eines schriftlichen Verwaltungsakts erfolgt und daher auch nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen gewesen sei, habe sich die Einspruchsfrist nach § 356 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) auf ein Jahr verlängert. Die Jahresfrist habe frühestens zu dem Zeitpunkt zu laufen begonnen, da die Kläger die Kontoauszüge für Januar 1996 mit der Gutschrift der Kindergeldbeträge erhalten hätten. Aufgrund des am 2. Januar 1997 bei dem AA eingegangenen Einspruchs gegen die Höhe des Kindergeldes bzw. der Kinderfreibeträge seien die Kindergeldfestsetzungen daher insgesamt materiell-rechtlich offen und könnten in jeder Hinsicht geändert werden. Daher sei auch die Ausschlußfrist des § 66 Abs. 3 EStGnicht anwendbar. Diese Regelung beziehe sich nämlich nur auf bestandskräftige Bescheide. Im übrigen sei § 66 Abs. 3 EStG ab Januar 1998 aufgehoben worden. In seiner Entschließung vom 26. Juni 1997 habe der Deutsche Bundestag seiner Erwartung Ausdruck gegeben, daß die Ausschluß...