Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG für Verkauf von Fruchtjoghurt?
Leitsatz (redaktionell)
- Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören nach § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG auch die Nebenbetriebe, die dem LuF-Betrieb zu dienen bestimmt sind.
- § 24 UStG ist richtlinienkonform entspr. Art. 295ff. der MwStSystRL auszulegen.
- Die Verarbeitung von Hofmilch zu Fruchtjoghurt unter Zusatz eines zugekauften Fruchtanteils von 14% unterliegt der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG.
Normenkette
RL 2006/112/EG Art. 195 Abs. 1 Nr. 4, Art. 296 Abs. 1; UStG § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Streitjahr(e)
2008, 2009
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Besteuerung von Umsätzen aus der Veräußerung von Fruchtjoghurt mit einem Fruchtanteil von 14 %.
Die Klägerin betreibt allgemeine Landwirtschaft mit Milcherzeugung und -verarbeitung. Sie verfügte in den Streitjahren über ca. 80 Milchkühe. Produziert wurden jährlich rund 650.000 Liter Milch, von denen rund 10.000 Liter in die Joghurtproduktion gingen.
Auf dem Hofgelände befindet sich ein altes Gebäude. Dort stehen 2 Tanks mit einem Fassungsvermögen von 450 Litern und 350 Litern. Der kleinere Tank wird überwiegend für die Joghurtherstellung eingesetzt. Für die Joghurtherstellung wird die Milch zunächst auf knapp 80° erhitzt (Pasteurisierung). Nach Abkühlung der Milch auf 44° werden die Bakterienkulturen zugefügt. Der Prozess der Joghurtherstellung benötigt dann rund 16 Stunden. Die Abfüllung des so hergestellten Naturjoghurts erfolgt zum Teil händisch in wiederverwertbare Plastikbecher, zum Teil auch maschinell über einen sog. Rundläufer. Für die Herstellung von Fruchtjoghurt werden eingekaufte Fruchtmischungen (3kg-Gebinde) zugeführt, händisch vermischt und anschließend händisch oder maschinell abgefüllt.
Im Rahmen einer Außenprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass der von der Klägerin erzeugte Fruchtjoghurt mit einem zugekauften Fruchtanteil von 14 % als Erzeugnis der 2. Verarbeitungsstufe anzusehen sei und deshalb kein landwirtschaftliches Erzeugnis im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 2 UStG vorliege.
Dementsprechend unterwarf das Finanzamt diese Umsätze (2008 [ab 1.7.]: 18.093,-- € / 2009: 37.391 €) der Regelbesteuerung mit 7 %.
Hiergegen wendet sich die Klägerin. Sie trägt vor, die Umsätze aus dem Verkauf des Fruchtjoghurts seien der Pauschalierung nach 24 UStG zuzurechnen.
Ob ein Produkt noch als landwirtschaftliches Produkt der 1. Verarbeitungsstufe anzusehen sei, richte sich nach der Ansicht des Durchschnittsverbrauchers. Für den Durchschnittsverbraucher sei Joghurt gleich Joghurt.
Diese Auslegung ergebe sich auch aus Abschn. 24.2 Abs. 3 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE). Dort sei aus Vereinfachungsgründen folgendes geregelt:
„Werden selbst erzeugte Produkte untrennbar mit zugekauften Produkten vermischt, unterliegt die Lieferung des Endprodukts aus Vereinfachungsgründen noch der Durchschnittssatzbesteuerung, wenn die Beimischung des zugekauften Produkts nicht mehr als 25 % beträgt”
Bei Anwendung dieser Vorschrift sei der zugekaufte Fruchtanteil in Höhe von 14 % unschädlich. Die Umsätze des Fruchtjoghurts seien daher der Durchschnittsbesteuerung zuzurechnen.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer wie folgt festzusetzen:
|
2008 |
2009 |
Umsatzsteuer zum allgemeinen Steuersatz |
311,22 € |
|
Umsatzsteuer für innergemeinschaftliche Erwerbe |
753,34 € |
785,61 |
Gesamt |
1.064,56 € |
785,61 € |
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass es sich bei dem veräußerten Fruchtjoghurt nicht um ein reines Milcherzeugnis, sondern um ein Produkt der 2. Verarbeitungsstufe handele, das gemäß BMF-Schreiben vom 16. Januar 2008 durch die Be- oder Verarbeitung seinen landwirtschaftlichen Charakter verloren habe.
Die in Abschnitt 24.2 UStAE aufgeführten Beispiele zeigten, dass lediglich untrennbare Beimischung des gleichen Produkts unter die Nichtbeanstandungsgrenze von 25 % fielen.
Unter dem 17. Mai 2017 hat die Klägerin eine Stellungnahme des „Verbandes für handwerkliche Milchverarbeitung im ökologischen Landbau e.V.” vom 15. Mai 2017 vorgelegt. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 56 - 59 der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet
I. Die Umsatzsteuerbescheide 2008 und 2009 in der Fassung vom 15. März 2013 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 11. Mai 2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die streitbefangenen Leistungen in Höhe von netto 18.093 € (2008) und 37.391 € (2009) unterliegen der Pauschalbesteuerung und sind daher zu Unrecht vom Beklagte der Regelbesteuerung unterworfen worden.
1. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung wird für „die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze” vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 die Steuer für die nicht näher bezeichneten --hier einschlägigen-- „übrigen Umsätze” auf 10,7 % der B...