Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichstellung von VBL-Beiträgen mit Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung
Leitsatz (redaktionell)
- Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung bei Ermittlung des Jahresgrenzbetrages abzuziehen.
- Die vom Arbeitgeber des Kindes abgeführten Beiträge an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder sind den Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung vergleichbar und daher ebenfalls bei Ermittlung des Jahresgrenzbetrages zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 2
Streitjahr(e)
2003
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge der Tochter des Klägers auch deren Beiträge zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) zu berücksichtigen sind.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 13. Juni 2005 bei der für ihn zuständigen beklagten Familienkasse Kindergeld für seine am 8. Februar 1982 geborene Tochter T für das Jahr 2003. T absolvierte im gesamten Jahr 2003 eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. Ihre Einkünfte und Bezüge betrugen im Jahr 2003 – unstreitig – 9.625 EUR. Hiervon behielt der Arbeitgeber Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung i.H.v. insgesamt 2.378 EUR ein. Darüber hinaus behielt der Arbeitgeber weitere 149,99 EUR ein, die er als Arbeitnehmeranteil an die VBL weiterleitete.
Die beklagte Familienkasse lehnte die Kindergeldfestsetzung für T für das Jahr 2003 mit Bescheid vom 22. August 2005 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Einkünfte und Bezüge der Tochter des Klägers auch unter Einbeziehung des Arbeitnehmeranteils zur gesetzlichen Sozialversicherung mit 7.247 EUR (9.625 EUR abzüglich 2.378 EUR) über dem maßgeblichen Grenzbetrag von 7.188 EUR lägen. Die Aufwendungen für die Beiträge zur VBL könnten bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden, da es sich nicht um eine gesetzliche Versicherung handele.
Gegen die Versagung des Kindergeldes wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Er ist der Ansicht, dass die Beiträge seiner Tochter zur VBL bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge zu berücksichtigen seien. Insoweit handele es sich bei der VBL um eine Pflichtversicherung, die für den Arbeitnehmer immer dann verpflichtend sei, wenn der Arbeitgeber durch eine Beteiligungsvereinbarung der VBL beigetreten sei. Dieses sei bei dem Arbeitgeber von T der Fall. Wegen dieses Pflichtcharakters der Versicherungsbeiträge sei kein Unterschied zur gesetzlichen Sozialversicherung gegeben.
Der Kläger beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 2. August 2005 sowie den Einspruchsbescheid vom 23. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Kindergeld ab Januar 2003 bis einschließlich Dezember 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer in der Einspruchsentscheidung geäußerten Rechtsauffassung fest, dass eine Berücksichtigung der Beiträge zur VBL nicht möglich sei, da es sich insoweit um steuerliche Sonderausgaben handele.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 22. August 2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2006 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger Kindergeld für seine Tochter T für das Jahr 2003 zu gewähren.
1. Der Kläger hat nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a Einkommensteuergesetz (EStG) für das gesamte Jahr 2003 einen Anspruch auf Gewährung von Kindergeld für seine Tochter T, da diese als leibliches Kind des Klägers das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und für einen Beruf ausgebildet wurde. Von dieser grundsätzlichen Berechtigung gehen auch beide Beteiligten zu Recht aus.
2. Die maßgeblichen Einkünfte und Bezüge der Tochter des Klägers stehen der Berücksichtigung im Streitjahr nicht entgegen, da sie unter dem gesetzlichen Grenzbetrag liegen.
a) Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG der im Streitjahr 2003 geltenden Fassung wird ein Kind nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.188 EUR im Kalenderjahr hat. Die Tochter des Klägers hatte im Streitjahr maßgebliche Einkünfte und Bezüge i.H.v. 7.098 EUR. Bei der Berechnung gehen die Beteiligten übereinstimmend von Einkünften und Bezügen vor Abzug der Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 9.625 EUR aus. Aus den Akten ergeben sich keine Anhaltspunkte, die Anlass zu Zweifeln an dieser Berechnung geben. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2005 (2 BVR 167/02, BVerfG 112, 164) ist § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dahingehend verfassungskonform...