Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnanteil eines insolventen Mitunternehmers als Masseverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
- Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt steuerrechtlich nicht zu Steuerfestsetzungen für einen Besteuerungszeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung.
- Bei Insolvenz ist die einheitlich ermittelte ESt den verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien zuzuordnen. Die Zuordnung bestimmt sich nach Insolvenzrecht.
- Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Begründetseins des gegen den Insolvenzschuldner gerichteten Anspruchs. Auf die Entstehung des Steueranspruchs i. S. des § 38 AO kommt es nicht an.
- Der Gewinnanteil eines insolventen Mitunternehmers stellt eine Masseverbindlichkeit dar, auch wenn die Insolvenzmasse durch den Gewinnanteil nicht vermehrt wird.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 7 S. 1; InsO §§ 36, 38, 53, 55
Streitjahr(e)
2004
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn B (zukünftig: Steuerpflichtiger). Über das Vermögen wurde am 19. Mai 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Steuerpflichtige war an der R/B GbR beteiligt. Die Gesellschaft betätigte sich als Bauträger.
Die GbR hatte in früheren Jahren in ihren Bilanzen Rückstellungen in erheblicher Größenordnung für Mietgarantien und drohende Rückabwicklungen gebildet. Zugrunde lagen Bauvorhaben in S und F, die die GbR in den Jahren 1994 und 1995 vermarktet hatte. Die Rückstellungen sollten bis zum Ablauf der Verjährungsfristen eingestellt bleiben.
Im Streitjahr 2004 löste die GbR die Rückstellungen in Höhe von 1.687.131 € auf. Als weitere Erträge wies die GbR sonstige betriebliche Erträge in Höhe von 489.956 € aus, die allem Anschein nach aus der Realisierung stiller Reserven herrührten. Der erzielte Gewinn betrug 1.304.991 €. Der auf den Steuerpflichtigen entfallende Gewinnanteil betrug 326.247 €. Das zuständige Finanzamt G erließ einen entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid.
In der von dem Steuerpflichtigen eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 waren nur negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Einkünfte aus einer Rente enthalten. Nachdem der Beklagte zunächst nach dieser Maßgabe veranlagt hatte, erging am 20. November 2006 ein nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO geänderter Einkommensteuerbescheid für 2004, der an den Insolvenzverwalter gerichtet war und der den Gewinnanteil des Steuerpflichtigen an der R/B GbR berücksichtigte. Die festgesetzte Einkommensteuer betrug 107.110 €. Der Beklagte begründete die geänderte Steuerfestsetzung damit, dass es sich bei der Steuer, die auf den GbR-Gewinnanteil entfiel, um eine Masseverbindlichkeit handele.
Am 17. August 2007 änderte der Beklagte die Steuerfestsetzung dahingehend, dass die auf die Renteneinkünfte entfallende Einkommensteuer dem insolvenzfreien Bereich zugeordnet wurde. Für die Steuer auf die Renteneinkünfte erging ein an den Steuerpflichtigen gerichteter Einkommensteuerbescheid. Entsprechend reduzierte sich die gegenüber dem Kläger festgesetzte Einkommensteuer geringfügig.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsbescheid vom 24. August 2007) erhob der Kläger mit am 18. September eingegangenem Schriftsatz Klage.
Er trug im Einspruchs- und Klageverfahren vor, dass es nicht zulässig sei, den Einkommensteuerbescheid für und gegen die Masse zu erlassen, weil die Masse keine Einnahmen aus dem GbR-Gewinnanteil generiert habe. Die Insolvenzordnung sehe nur vor, dass nach Insolvenzeröffnung erzielte Einnahmen der Insolvenzmasse zuzurechnen seien, soweit sie zur Masse fließen würden. Da im vorliegenden Fall keine entsprechenden Einnahmen in die Masse geflossen seien, brauche die Masse auch keine diesbezüglichen Steuern zu begleichen. Der Beklagte verkenne grundlegend, dass es für die Einordnung als Masseverbindlichkeiten darauf ankomme, ob es sich um Einkünfte handele, welche die Insolvenzmasse vermehrt hätten (BFH, ZIP 1995, 661, 662 f.).
Im Übrigen seien die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb der R/B GbR keine nachinsolvenzrechtlichen Einkünfte, die die Masse betreffen würden. Es handele sich um Berichtigungen von Verlustzuweisungen, die zwar steuertechnisch zu einem Gewinn führen würden, jedoch nicht als Masseverbindlichkeit anzusehen seien. Die Steuerforderungen seien insolvenzrechtlich bereits im Zeitpunkt ihrer unberechtigten Bildung entstanden und nicht erst im Zeitpunkt der Auflösung. Der BFH habe in seinem Beschluss vom 1. April 2008 (ZIP 2008, 1780, 1781) klargestellt, dass ein Steueranspruch bloße Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO sei, wenn er vor Eröffnung des Verfahrens in der Weise begründet worden sei, dass der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung geführt habe, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei. Im vorliegenden Fall seien der zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung geführt habe, bereits mit der Vereinnahmung der Veräuße...