Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung von Umsätzen aus der Tätigkeit von Prostituierten
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen einer Schätzung nach § 162 Abs. 1 AO.
- Wirkt sich eine Schätzung zu Ungunsten des Stpfl. aus, muss er sie hinnehmen, wenn er den Anlass für die Schätzung gegeben hat.
- Legt das FA bei einer Vielzahl der Unsicherheiten, einen durchschnittlichen Prostituiertenlohn von 150 DM/je Freier zu Grunde, dürfte diese Schätzung eher am unteren Rand des Realistischen liegen.
- Die Schätzung von zwei Freiern pro Tag je Prostituierter ist als Durchschnittswert ebenfalls eher am unteren Rande des Wahrscheinlichen angesiedelt.
Normenkette
AO § 162
Streitjahr(e)
1998, 1999, 2000
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist ledig und wird zur Einkommensteuer allein veranlagt. In den Streitjahren erzielte er u. a. Einnahmen aus der Tätigkeit von Prostituierten. Dabei war er vereinbarungsgemäß teilweise gemeinschaftlich mit seinem Bekannten A tätig.
Zur Erzielung der Einnahmen hatte A Anfang 1996 für eine Kaltmiete von monatlich 1.650 DM eine Wohnung in der C-Straße 42 a, in V gemietet. Bei dem Mietobjekt handelt es sich um ein kleines einstöckiges Gebäude mit einer Küche, einem Wohnraum und zwei Schlafzimmern. Die Wohnung diente in der Zeit vom 01.07.1996 bis 26.08.2000 der Ausübung der Prostitution.
A hatte ferner zumindest seit dem 01.01.1997 das Einfamilienhaus G-Straße 3 in B gemietet. Im Erdgeschoss befanden sich ein Raum mit Sitzecke und Bartresen sowie zwei weitere Räume, ein Badezimmer und eine Küche. Das Obergeschoss bestand aus drei Zimmern, einem kleinen Badezimmer und einem Wohnzimmer. Die monatliche Nettomiete betrug 1.200 DM. Ab 01.05.1998 war der Kläger Mieter des Grundstücks. Seit dieser Zeit diente das Obergeschoss ihm und seiner Lebensgefährtin S als Wohnung. Im Übrigen wurde das Grundstück in der Zeit vom 01.01.1997 bis 26.08.2000 zur Ausübung der Prostitution genutzt.
Alle in den Wohnungen tätigen Prostituierten waren von dem Kläger und A allein oder gemeinschaftlich eingesetzt worden. Für die Wohnungen in B und V hatte A mit einzelnen Prostituierten formal Mietverträge abgeschlossen.
Am 25.02.1999 erteilte die Stadt C dem Kläger die Konzession für den Betrieb des Nachtlokals „O” in der P-Straße 23 in C als Schankwirtschaft und Nachtlokal. In dem zweigeschossigen Gebäudekomplex befand sich im Erdgeschoss ein größerer Barraum mit Sitzmöglichkeiten. Im Obergeschoss befanden sich neben einer abgetrennten Wohnung sieben Räume, von denen fünf mit Betten ausgestattet waren, sowie ein Badezimmer mit Whirlpool. Die Räume waren von der Rückfront des Gebäudes über einen umschlossenen Innenhof des Gebäudekomplexes zu erreichen. Pächter des Erdgeschosses war der Kläger; Mieter der darüber gelegenen Räume war A.
Die „O” wurde als Nachtlokal betrieben. Gleichzeitig bestand die Möglichkeit, Kontakt zu Prostituierten aufzunehmen. Die Prostitution wurde in den über dem Nachtlokal gelegenen Zimmern ausgeübt. Die in der O tätigen Prostituierten wurden überwiegend von dem Kläger und A angeworben. Gelegentlich waren in dem Nachtlokal von Dritten gestellte Prostituierte tätig. Die Bezahlung der Prostituierten erfolgte überwiegend im Nachtlokal, teilweise unter Verwendung eines Geldabrechnungsgerätes. In Zeiten, in denen mehr Prostituierte nachgefragt als anwesend waren, wurden weitere Prostituierte aus den Wohnungen in V und/oder B in die „O” gebracht.
Die Prostitution wurde in den von A im Obergeschoß der „O” angemieteten Räumen in der Zeit vom 01.03.1999 bis 26.08.2000 ausgeübt. Für die Räume über dem Erdgeschoss zahlte A nach den Vereinbarungen im Mietvertrag eine monatliche Miete in Höhe von 1.400 DM. Ferner bedienten sich der Kläger und A im Jahre 1999 Hilfstätigkeiten ihres Bekannten W, der hierfür insgesamt 5.000 DM erhielt.
Zwischen dem Kläger und A bestand Einigkeit, den Betrieb der Prostitution in B und V in der Zeit vom 01.01.1997 bis 30.04.1998 und in der „O” vom 01.03.1999 bis 26.08.2000 gemeinschaftlich auszuüben. Entsprechend traten sie in dieser Zeit auch Dritten gegenüber nach außen hin auf.
Von den Bruttoeinnahmen verblieb die Hälfte als Lohn bei den Prostituierten. Die andere Hälfte erhielten der Kläger und A, die hieraus auch die Kosten zu tragen hatten. Die verbleibenden Einkünfte wurden zwischen ihnen geteilt.
Der Kläger und A hatten die Einnahmen aus dem Betrieb der Prostitution weder in ihren Einkommensteuererklärungen erklärt noch Umsatzsteuererklärungen abgegeben. Der Kläger hatte lediglich den Gewinn aus dem Barbetrieb in der „O” für 1999 i.H.v. 33.956 DM und für 2000 i.H.v. 10.168 DM erklärt.
Nach den Feststellungen einer Fahndungsprüfung und den ihnen zugrunde liegenden polizeilichen Feststellungen waren in den Wohnungen bei Polizeikontrollen mehrfach regelmäßig teilweise mehrere, überwiegend aus osteuropäischen Ländern stammende Prostituierte angetroffen worden. Nach den Feststellungen waren in den Wohnungen neben im Einzeln...