Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des FA zur Schätzung des Steuerabzugsbetrags nach § 10f EStG bei Erlass eines Einkommensteuerbescheids vor Ergehen des Grundlagenbescheids der Denkmalschutzbehörde und nach Vorlage einer „qualifizierten Eingangsbestätigung”. AdV bei Erlass eines Folgebescheids vor Ergehen des Grundlagenbescheids wegen im Bereich des Grundlagenbescheids liegender Gründe
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bescheinigung der zuständigen Denkmalschutzbehörde nach § 7i Abs. 2 S. 1 EStG als Voraussetzung für den Steuerabzugsbetrag nach § 10f EStG ist ein Grundlagenbescheid.
2. Eine „qualifizierte Eingangsbestätigung” der Denkmalschutzbehörde mit bezifferten Sanierungskosten betreffend die Bescheinigung nach §§ 7i, 10f und 11b EStG sowie eine Abstimmungsbestätigung nach § 7i Abs. 1 S. 6 EStG können zwar die Bescheinigung nach § 7i Abs. 2 EStG nicht ersetzen und damit nicht wie ein Grundlagenbescheid gewertet werden. Erlässt das FA dann aber gleichwohl vor Ergehen des Grundlagenbescheides bereits den Einkommensteuerbescheid, muss es hierbei nach § 155 Abs. 2 i. V. m. § 162 Abs. 5 AO unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände den Steuerabzugsbetrag nach § 10f EStG schätzen. Dabei darf weder automatisch vom für den Steuerzahler günstigsten noch vom ungünstigsten Fall ausgegangen werden. Das FA ist nicht berechtigt, unabhängig von den Umständen des Einzelfalls mangels einer abschließenden Entscheidung der Denkmalschutzbehörde ohne weitere Prüfung den Ansatz jeglicher Abzugsbeträge auszuschließen.
3. Erlässt das FA nach § 155 Abs. 2 i. V. m. § 162 Abs. 5 AO Einkommensteuerbescheide vor Erlass der erforderlichen Grundlagenbescheide, so ist die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide bis zum Erlass der Grundlagenbescheide auch aus den Gründen zulässig, die eigentlich gegen die noch nicht erlassenen Grundlagenbescheide geltend zu machen sind.
Normenkette
AO § 88 Abs. 2, § 155 Abs. 2, § 162 Abs. 5, § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 361; EStG § 10f Abs. 1, § 7i Abs. 1 S. 6, Abs. 2 S. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
1. Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom 2. September 2009 wird in Höhe von 10.422,– EUR bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch ausgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
3. Die Beschwerde an den Bundesfinanzhof wird zugelassen (§ 128 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung).
Tatbestand
I.
Die Antragsteller sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für 2008 beantragten sie die Gewährung der Steuerbegünstigung nach § 10f des Einkommensteuergesetzes (EStG) für eine in L., M.-Str., gelegene Eigentumswohnung. Hierzu legten sie eine Eingangsbestätigung des Amtes für Bauordnung und Denkmalpflege der Stadt L. vom 17. Oktober 2008 vor, wonach der Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung gemäß §§ 7i, 10f und 11b EStG betreffend das Objekt dort am 10. September 2008 eingegangen sei (Blatt 1 der Dauerunterlagen). Die in der Anlage FW geltend gemachten Aufwendungen betrugen 259.380,– EUR (Abzugsbetrag 9 % = 23.345,– EUR). Der Antragsgegner (das Finanzamt) lehnte die Berücksichtigung der geltend gemachten Abzugsbeträge ab, da noch keine endgültige Bescheinigung des Regierungspräsidiums vorliege, und setzte mit Bescheid vom 2. September 2009 die Einkommensteuer für 2008 auf 67.699,– EUR fest. Hinsichtlich der fehlenden Bescheinigung wurde der Bescheid gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) für vorläufig erklärt.
Im Rahmen des hiergegen durchgeführten Einspruchsverfahrens reichten die Antragsteller zusätzlich eine „qualifizierte Eingangsbestätigung zur Vorlage beim Finanzamt” ein, wonach der Antrag am 10. September 2008 im Amt für Bauordnung und Denkmalpflege eingegangen sei, die Antragssumme sich laut der im Kaufvertrag angegebenen Sanierungskosten auf 330.000,– EUR belaufe und die Bestätigung der unteren Denkmalschutzbehörde über die Einhaltung des nach § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG erforderliche Abstimmung vorliege (Blatt 4 der Rechtsbehelfsakte). Über den Einspruch hat das Finanzamt noch nicht entschieden. Den mit der Einspruchseinlegung gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt mit Verfügung vom 6. Oktober 2009 ab.
Mit ihrem Antrag bei Gericht machen die Antragsteller geltend, dass das Finanzamt die Steuer gemäß § 155 Abs. 2 AO auf der Grundlage der eingereichten Einkommensteuererklärung festsetzen müsse (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 3. Dezember 2008 X R 31/05). Mit der vorliegenden Eingangsbestätigung vom 17. Oktober 2008 liege ein Nachweis darüber vor, dass eine Bearbeitung erfolgen werde. Damit liege im Ergebnis eine Bescheinigung vor, die den steuerlichen Charakter eines Grundlagenbescheides trage. Mit der Bescheinigung vom 8. Januar 2009 bestätige die Stadt L. eine voraussichtliche Bemessungsgrundlage. Da in 2008 die Voraussetzungen erfüllt worden seien, ...