Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bei objektiver Unmöglichkeit der Fortführung des krankheitsbedingt unterbrochenen Ausbildungsdienstverhältnisses und bei bestehender Eignung zur Erbringung beruflicher Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein volljähriges Kind befindet sich auch dann noch in Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs.4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, wenn die eigentliche Berufsausbildung infolge z. B. Krankheit oder Mutterschutz vorübergehend bzw. zeitweise unterbrochen wird, aber anschließend wieder aufgenommen und abgeschlossen werden soll.
2. Ist hingegen klar, dass die Fortführung des bestehenden, aus Krankheitsgründen mehr als 18 Monate nicht mehr durchgeführten Ausbildungsverhältnisses dauerhaft objektiv unmöglich oder unzumutbar ist, kann trotz eines fortbestehenden generellen Ausbildungswillens keine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfolgen. In diesem Falle kommt allenfalls eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG in Betracht; Voraussetzung hierzu ist, dass konkrete Bemühungen um einen anderen Ausbildungsplatz zum nächstmöglichen Zeitpunkt an den Tag gelegt werden.
3. Ein volljähriges Kind kann nicht als „arbeitsunfähig krank” behandelt werden, wenn nach einer sozialmedizinischen Stellungnahme zwar ein erneuter Einsatz im letzten, abgebrochenen Ausbildungsdienstverhältnis (zur Tiermedizinischen Fachangestellten) nicht befürwortet wird, das Kind jedoch nicht mehr aus objektiven Gründen daran gehindert ist, seine Ausbildung fortzusetzen, und somit wieder in der Lage ist, berufliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen.
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Tochter der Klägerin im Zeitraum ab August 2011 als Kind in Ausbildung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz – EStG – kindergeldrechtlich zu berücksichtigen war.
Die am 09.04.1989 geborene Tochter der Klägerin E. begann im August 2008 eine Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten.
Daraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 26.08.2008 Kindergeld für E. für den Zeitraum August 2008 bis Juli 2011 fest.
Gemäß einer Bestätigung ihrer Krankenkasse vom 29.11.2011 war E. vom 07.01.2010 bis zum 07.07.2011 arbeitsunfähig krank. Danach wurden ihr keine weiteren Auszahlungsscheine für den Nachweis der weiteren Arbeitsunfähigkeit zugesandt, weil das Krankengeld ausgeschöpft war. Am 27.04.2010 beantragte E. eine Verlängerung der Ausbildungszeit von drei auf vier Jahre und eine Wiederholung des Zweiten Lehrjahres mit Beginn am 01. August 2010. Dies wurde nach Zustimmung der ausbildenden Tierärztin von der sächsischen Landestierärztekammer so beschlossen. Krankheitsbedingt konnte sie jedoch am 01.08.2010 die Ausbildung nicht wieder aufnehmen. Eine sozialmedizinische Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit L. vom 27.09.2010 ergab, dass das berufliche Leistungsvermögen der Tochter E. auf täglich weniger als drei Stunden herabgesunken war. Ob die begonnene Ausbildung zur tiermedizinischen Fachangestellten später fortgesetzt werden kann, konnte der Stellungsnahme zufolge aufgrund der gegenwärtig noch andauernden medizinischen Maßnahme nicht endgültig eingeschätzt werden. In einem hierauf gestützten Widerspruchsbescheid der Knappschaft Bahn/See vom 27.07.2011 wird davon ausgegangen, dass die Tochter die Tätigkeit als Auszubildende zur Tiermedizinischen Fachangestellten nicht weiter verrichten kann. In einer neuerlichen sozialmedizinischen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit L. vom 04.08.2011 wird in Auswertung dort vorliegender ärztlicher Befunde zusammenfassend eingeschätzt, dass die Tochter der Klägerin E. jetzt wieder in der Lage ist, berufliche Tätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen. Sie könne am allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten bei gelegentlich wechselnder Arbeitshaltung ausüben. Zu meiden seien Tätigkeiten mit besonderer psychischer Beanspruchung, erhöhter Verletzungsgefahr, Gehen auf unebenem Gelände und dem Tragen schwerer Lasten. Aus agenturärztlicher Sicht werde ein erneuter Einsatz in der letzten Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten nicht befürwortet.
Bereits unter dem 14.01.2011 und neuerlich unter dem 19.08.2011, dem 01.09.2011, dem 09.09.2011, dem 04.10.2011 und dem 11.11.2011 forderte der Beklagte von der Klägerin ein amtsärztliches Attest, aus dem hervorgeht, ob und wann die Tochter die Ausbildung fortsetzen oder eine weitere beginnen kann. Nachdem die Klägerin den Beklagten zur Kostenübernahme aufgefordert hatte, verwies er diese an das Sozialamt bzw. die ARGE.
Mit Bescheid vom 13.12.2011 lehnte der Beklagte die von ...