Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlbeurteilung des Vorsteuerabzugs im Erstjahr der Verwendung eines Wirtschaftsguts nicht nach § 15a Abs. 1 UStG, sondern allenfalls über die Korrekturvoschriften der Abgabenordnung änderbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Das FA kann für die Folgejahre keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 S. 1 UStG vornehmen, wenn es allein die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG im Jahr des erstmaligen Vorsteuerabzugs rechtlich unzutreffend beurteilt hat und eine Änderung der Verwendungsvoraussetzungen nach § 15 Abs. 2 UStG (Ausgangssätze) in den Folgejahren nicht gegeben ist. Eine Fehlbeurteilung des Vorsteuerabzugs im Erstjahr ist allenfalls unter den Korrekturvorschriften der AO änderbar.
2. Ein solcher, nicht „berichtigungsfähiger” Sachverhalt ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige im Jahr 2002 einen PKW für sein Unternehmen gekauft, entgegen § 15 Abs. 1b UStG in der im Streitjahr 2002 gültigen Fassung aber den Vorsteuerabzug nicht nur zu 50 %, sondern zu 100 % vorgenommen hat, obwohl mangels rechtzeitiger Zuordnung des Fahrzeugs zum Unternehmensvermögen materiell-rechtlich kein Vorsteuerabzug mehr zulässig gewesen wäre, und wenn der bestandskräftige Umsatzsteuerbescheid 2002, in dem der Vorsteuerabzug für den PKW zu 100 % vorgenommen worden ist, infolge Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr geändert werden kann.
3. Eine Fehlerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG in den Folgejahren trotz Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung des Jahres der erstmaligen Verwendung lässt sich insbesondere auch nicht mit den Vorgaben der 6. EG-Richtlinie begründen.
Normenkette
UStG 2003 § 15a Abs. 1 S. 1, Abs. 4; UStG 2002 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, 1b; AO § 164 Abs. 2, 4; EWGRL 388/77 Art. 20 Abs. 1 Buchst. a, b
Tenor
1. Die Umsatzsteuerbescheide vom 26.10.2009 für die Jahre 2003 bis 2005 und 2007 sowie der geänderte Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 26.10.2009, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.11.2011 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht im Rahmen geänderter Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2007 über eine Anwendung des § 15a UStG Vorsteuern korrigiert hat, die der Kläger zu Unrecht durch bestandskräftigen und wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr änderbaren Umsatzsteuerbescheid 2002 für die Anschaffung eines Pkws in Anspruch genommen hat.
Der Kläger erzielte u.a. in den Jahren 2002, 2006 und 2007 aus der Tätigkeit als Maler sowie als Honorardozent umsatzsteuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Im Oktober 2002 erwarb der Kläger ein Fahrzeug zur betrieblichen Nutzung. Der Kaufpreis im Jahr 2002 betrug 16.810,34 EUR zzgl. 16 % Umsatzsteuer i.H.v. 2.689,65 EUR. Im Rahmen der am 04.08.2004 beim Beklagten eingereichten Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 2002 (vgl. Bl. 150 der FA-Akte) machte der Kläger 100% der entstandenen Umsatzsteuer, mithin 2.689,65 EUR, als Vorsteuern gem. § 15 Abs. 1b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geltend. Einen Gegenstandseigenverbrauch hinsichtlich des Fahrzeuges erklärte er nicht.
Der Beklagte stimmte der eingereichten Umsatzsteuer-Jahreserklärung am 16.08.2004 zu. Nach Aktenlage erklärte der Kläger keine unternehmerische Nutzung dieses Fahrzeuges in den Jahren 2003 bis 2007; den eingereichten Gewinnermittlungen für die Jahre 2006 und 2007 sind keine entsprechenden Angaben zu entnehmen. Für die Jahre 2003 bis 2005 liegen – trotz ausdrücklicher Aufforderung durch den Beklagten – weder Gewinnermittlungen noch Umsatzsteuererklärungen vor.
Da sich mithin ab dem Jahr 2003 die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse zu 100% geändert hätten, vertrat der Beklagte in Anlehnung an ein BMFSchreiben vom 06.12.2005, IV A 5-S 7316-25/05, BStBl I 2005, 1068, Tz. 25 die Auffassung, dass für die Jahre 2003 bis 2007 eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges gem. § 15a Abs. 1 UStG durchzuführen sei. Irrtümlich ging der Beklagte bei der Ermittlung des Änderungsbetrages der Jahre 2003 bis 2007 davon aus, dass der Kläger im Jahr 2002 – wie es das UStG in der maßgebenden Fassung an sich auch vorgesehen hätte – lediglich einen Vorsteuerabzug i.H.v. 50% der tatsächlichen Vorsteuern in Anspruch genommen habe, so dass der Beklagte zunächst folgende Vorsteuerbeträge ermittelte, die aufgrund des § 15a UStG zurückzuzahlen seien:
Vorsteuer aus der Anschaffung Pkw |
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2.689,65 EUR |
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davon 2002 in Anspruch genommen |
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1.344,83 EUR |
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davon 1/5 |
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268,96 EUR |
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somit entfallen auf |
2003 |
269 EUR |
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2004 |
269 EUR |
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2005 |
269 EUR |
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2006 |
269 EUR |
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2007 9/12 |
201 EUR |
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