a) Bisherige BGH-Rechtsprechung
Der BGH hatte in seiner umfangreichen Judikatur bis zu der "Zeitenwende" im Jahr 2017 immer wieder festgestellt, dass für das allgemeine steuerrechtliche Mandat eines Steuerberaters keine allgemeine Nebenpflicht zum Hinweis auf die Pflichten im Zusammenhang mit der insolvenzreife eines Unternehmens besteht.
Unter das allgemeine steuerrechtliche Mandat fielen nach diesen Grundsätzen nicht nur die Erstellung von monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen, von Lohnabrechnungen der Mitarbeiter sowie von Meldungen an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger, sondern gerade auch die Erstellung von Bilanzen und Jahresabschlüssen.
Es konnte nach dieser Gesetzes- und Rechtslage mithin sogar im Falle einer Unterdeckung in der Handelsbilanz unter keinen Umständen zu einer Haftung des Steuerberaters wegen Falschberatung in Insolvenznähe kommen. Beachten Sie: Jedenfalls dann nicht, wenn die Frage nach einem Vorliegen von Insolvenzgründen in den Gesprächen zwischen dem Steuerberater und seinem Auftraggeber nicht gesondert zur Sprache kam.
b) Plötzlicher Kurswechsel der BGH-Rechtsprechung im Jahr 2017
In einer Entscheidung vom 26.1.2017 bejahte der BGH dann plötzlich eine Haftung des Steuerberaters für Schäden aus einer Insolvenzverschleppung wegen mangelhafter Bilanzerstellung.
Damit stellte er sich vollständig entgegen seiner vorstehend geschilderten bisherigen Rechtsprechung erstmals auf die Seite zahlreicher Stimmen aus der Literatur, die schon immer für eine Haftungsausweitung bezüglich des Steuerberaters kraft seines überlegenen Wissens gestimmt hatten.
Erhebliche Erweiterung der Haftung von Steuerberatern: Die betreffende Entscheidung führt zu einer erheblichen Erweiterung der Haftung von Steuerberatern und geht von der Ansicht aus, dass den Steuerberater eine entsprechende Prüfungs- und Hinweispflicht gegenüber seinem Auftraggeber treffe,
- wenn die – eine insolvenzrechtliche Gefahrenlage schaffenden – Umstände dem Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig seien bzw. sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung seines Mandats aufdrängen müssten und
- wenn er zudem Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahrenlage, die sich aus der wirtschaftlichen Notlage des Unternehmens ergibt, nicht bewusst ist.
Beachten Sie: Eine solche Verpflichtung bestehe dabei eben gerade auch über den jeweils konkreten Mandatsgegenstand im Rahmen eines allgemeinen steuerrechtlichen Mandats hinaus.
Pflichtverletzung bei Jahresabschlusserstellung: Der mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragte Steuerberater verstößt nach den in dieser Judikatur des BGH aufgestellten Grundsätzen gegen seine Verpflichtung aus dem der Erstellung des Jahresabschlusses zugrunde liegenden Mandatsvertrag, wenn er im Jahresabschluss Fortführungswerte ansetzt, obwohl dies wegen des Eintritts der Insolvenzreife gem. § 252 Abs. 1 HGB eben gerade nicht mehr zulässig ist. Ein entsprechender Jahresabschluss weist Mängel auf, die zur Haftung des Bilanzerstellers führen können.
Beraterhinweis Aus dieser neuen BGH-Rechtsprechung ergibt sich mithin eine den Steuerberater bereits in seinem allgemeinen Beratungsmandat treffende Verpflichtung. Er hat Hinweisen auf solche Umstände aktiv nachzugehen, die auf eine Insolvenzreife des Unternehmens hindeuten. Solche Anhaltspunkte begründen für den Steuerberater eine über das Mandat hinausgehende Verpflichtung,
- (gegebenenfalls in Abstimmung mit dem Mandanten) den zugrunde liegenden Sachverhalt weiter aufzuklären und
- letztlich eine Entscheidung des Mandanten über eine mögliche Insolvenzantragstellung herbeizuführen.
c) Gesetzliche Kodifizierung von Hinweis- und Warnpflichten in § 102 StaRUG
Mit der Einführung der Regelungen des vorinsolvenzlichen Restrukturierungsrahmens durch das StaRUG...