Mit der Einführung der Regelungen des vorinsolvenzlichen Restrukturierungsrahmens durch das StaRUG im Jahr 2021 hat der Gesetzgeber diese zuvor geschilderten – vom BGH herausgearbeiteten – Hinweis- und Warnpflichten von Beratern nun endgültig kodifiziert und konkretisiert.
Die Vorschrift des § 102 StaRUG lautet wie folgt:
"Bei der Erstellung eines Jahresabschlusses für einen Mandanten haben Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte den Mandanten auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 der Insolvenzordnung und die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und sie annehmen müssen, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist."
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Insolvenzgrundes: Auf die Frage, wann entsprechende Anhaltspunkte vorliegen, wird man auf die von der Rechtsprechung hierzu aufgestellten Grundsätze zurückgreifen können. Danach liegen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Insolvenzgrundes vor, wenn
- das Unternehmen die zur Finanzierung seines Betriebs notwendige Liquidität nicht oder nur teilweise aufbringen kann, oder
- die Jahresabschlüsse der Gesellschaft in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufweisen, oder
- die bilanziell überschuldete Gesellschaft über keine stillen Reserven verfügt.
Im Ergebnis muss man davon ausgehen, dass die nunmehr gesetzlich geregelten Hinweis- bzw. Warnpflichten der Berater bzgl. etwaiger Indizien für den Eintritt eines Insolvenzgrundes früher eintreten als die Verpflichtung zum Ansatz von Liquidationswerten im Jahresabschluss.
Beachten Sie: Wenn der Steuerberater
- Kenntnis von den Indizien für eine allfällige Insolvenzreife der Gesellschaft erlangt und
- keine weitere Sachverhaltsaufklärung betreibt bzw. weitere Schritte seines Auftraggebers veranlasst,
dann läuft er zumindest Gefahr, ab diesem Moment nach den Grundsätzen der vertraglichen Haftung für Schlechtleistungen gem. §§ 280 Abs. 1, 634 Nr. 4, 675 Abs. 1 BGB zu haften.
Beraterhinweis Unter die solchermaßen haftungsrelevante Warn- und Hinweispflicht fällt vor allem die Pflicht, der auftraggebenden Gesellschaft einen Weg aufzuzeigen, der ihr die Feststellung ermöglicht, ob eine Insolvenzreife vorliegt oder nicht.
Welche Folgen der Gesetzgeber dann aber letztlich genau aus dieser in § 102 StaRUG niedergelegten Verpflichtung zieht, wird sich erst mit der Zeit zeigen.
Beraterhinweis Deshalb empfiehlt es sich im Moment in der Praxis für den Jahresabschlussersteller, sich zur Einhaltung dieser Hinweispflichten strikt an die vom BGH bereits in seiner früheren Rechtsprechung aufgezeigten Wege zu halten. Insofern kann er
- auf der Grundlage eines ihm dann gesondert erteilten besonderen Auftrags selbst eine verbindliche gutachtliche Stellungnahme erstellen oder
- für den Fall, dass er sich selbst hierzu fachlich nicht in der Lage sieht, den Mandanten darauf hinweisen, zum Zwecke der erbetenen Klärung einem insolvenzerfahrenen Berater einen entsprechenden Prüfauftrag zu erteilen.