Die Ausgestaltung des Grunderwerbsteuerrechtes, nach dem die Steuertatbestände an bestimmte Rechtsvorgänge anknüpfen, erfordert eine Korrekturvorschrift, sofern die Wirkungen dieser Rechtsvorgänge später tatsächlich nicht eintreten oder auf Grund eines neuen Rechtsaktes rückgängig gemacht werden. Die entsprechenden Regelungen befinden sich in § 16 GrEStG.
Die wesentlichen Tatbestände der Vorschrift beziehen sich
- auf die Nichterhebung der Steuer, wenn der Erwerbsvorgang vor dem eigentlichen Eigentumsübergang rückgängig gemacht wird (§ 16 Abs. 1 GrEStG),
- auf die Nichterhebung oder Rückgängigmachung der Steuerfestsetzung, wenn der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurückerlangt und zusätzlich weitere Voraussetzungen vorliegen (§ 16 Abs. 2 GrEStG),
- auf die Herabsetzung der Grunderwerbsteuer, wenn die Gegenleistung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung herabgesetzt wird oder eine Herabsetzung der Gegenleistung auf Grund von Sachmängeln (§ 437 BGB) erfolgt (§ 16 Abs. 3 GrEStG) und
- auf die Besonderheiten beim Signing und Closing von Share Deals (§ 16 Abs. 4a GrEStG). Diese Vorschrift wurde erst mit dem JStG 2022 (JStG 2022 v. 16.12.2022, BGBl. I 2022, 2294 = BStBl. I 2023, 7) in das Gesetz aufgenommen.
Ein eher stiefmütterliches Dasein führt dabei eine Regelung in § 16 GrEStG, die jedoch bei besonders gelagerten Sachverhalten eine Korrektur der ursprünglich entstandenen Steuer verhindert. Dabei handelt es sich um § 16 Abs. 5 GrEStG. Im Zuge der Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG wurde auch diese Vorschrift um einen weiteren Satz erweitert und damit auch auf das Signing und Closing bei Share Deals ausgedehnt. Nach dieser Bestimmung gelten die Abs. 1 bis 4 und Abs. 4a des § 16 GrEStG nämlich dann nicht, wenn einer der in § 1 Abs. 2, 2a, 2b und Abs. 3, 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird und dieser zuvor nicht ordnungsgemäß angezeigt war. Bei diesen Erwerbsvorgängen handelt es sich um Ersatz- und Ergänzungstatbestände, die besondere Umstände im Rechtsverkehr berücksichtigen und zum Teil auch Umgehungen des Steuerrechts verhindern sollen.
§ 1 Abs. 2 GrEStG erfasst demgemäß die Verschaffung der Verfügungsmacht über ein Grundstück, wenn dem kein schuldrechtlicher Vertrag über die Verschaffung des Eigentums vorausgegangen ist. Die Vorschrift beinhaltet einen selbständigen, allerdings gegenüber den Grundtatbeständen des § 1 Abs. 1 GrEStG subsidiären Besteuerungstatbestand (BFH v. 12.12.1973 – II R 29/69, BStBl. II 1974, 251).
Über § 1 Abs. 2a GrEStG wird die vollständige oder wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft erfasst. Die Vorschrift hat zum Ziel, Umgehungstatbestände zu verhindern. Zu diesem Zweck erfasst das Gesetz Änderungen Im Gesellschafterbestand einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft von mindestens 90 % innerhalb von zehn Jahren.
§ 1 Abs. 2b GrEStG wurde erst durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986 = BStBl. I 2021, 838) mit Wirkung zum 1.7.2021 eingefügt. Die Vorschrift entspricht den Regelungen des Abs. 2a, die jetzt ausdrücklich auch für grundbesitzhaltende Kapitalgesellschaften gelten. Allerdings enthält § 23 Abs. 23 GrEStG eine Vertrauensschutzregel, die den Kreis der "Altgesellschafter" auf alle Beteiligten ausdehnt, die am 30.6.2021 an der Gesellschaft beteiligt waren (vgl. auch Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass v. 10.5.2022 – S 4501, BStBl. I 2022, 821 – Tz. 5.2.3; dazu Günther, ErbStB 2022, 247).
Beraterhinweis Über § 1 Abs. 2c GrEStG werden allerdings Übergänge von Anteilen bei börsennotierten Gesellschaften, bei denen der Gesetzgeber keine Missbrauchsabsicht unterstellt, von den Regelungen zum Share Deal ausgenommen, indem sie bei der Berechnung des Vomhundertsatzes von 90 % nicht berücksichtigt werden (Börsenklausel; vgl. dazu Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass v. 4.10.2022 – S 4501, BStBl. I 2022, 1451 = ErbStB 2023, 364 [Günther]).
§ 1 Abs. 3 GrEStG ergänzt den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG um weitere Fallgestaltungen (s. dazu auch Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass v. 19.9.2018 – S 4501, BStBl. I 2018, 1053 und 1074 = ErbStB 2018, 361 [Günther]). Obwohl auch hier die Bekämpfung des Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten im Vordergrund stehen soll (BFH v. 26.7.1995 – II R 68/92, BStBl. II 1995, 736 = GmbHR 1995, 840), geht die Vorschrift über diesen Bereich weit hinaus und schafft Besteuerungstatbestände, bei denen der tatsächliche Grundstücksverkehr durch einen fingierten Grundstücksverkehr ersetzt wird. Im Ergebnis wird durch § 1 Abs. 3 GrEStG die Änderung der Verwertungsbefugnis des Gesellschafters in Bezug auf ein der Gesellschaft gehörendes Grundstück besteuert.
Mit § 1 Abs. 3a GrEStG hat der Gesetzgeber einen weiteren Ergänzungstatbestand in das GrEStG aufgenommen und vermutete Lücken bei den Besteuerungstatbeständen geschlossen. Mit dieser Vorschrift wird die erstmalige wirtschaftliche Beteiligung eines Rechtsträgers in qualifizier...