Mehrfache Versagung des Vorsteuerabzugs in Lieferkette zulässig: Unter den Voraussetzungen des § 25f UStG verliert der betroffene Unternehmer sowohl den Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen als auch die Steuerbefreiung für seine nachfolgende innergemeinschaftliche Lieferung. Er zahlt den Umsatzsteuerschaden damit doppelt, einschließlich der Steuer auf seine Marge aus dem Weiterverkauf. Diese belastende Rechtsfolge ist vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt, wurde durch den EuGH bereits in seinem Urteil "Italmoda" entsprechend entschieden und zuletzt insoweit durch den EuGH bestätigt, als dass die mehrfache Versagung des Vorsteuerabzugs in einer Lieferkette zulässig ist, ohne auf die Höhe des tatsächlichen Steuerschadens begrenzt zu sein. Dies resultiert aus der von der Rechtsprechung entwickelten zusätzlichen Anforderung an das Recht auf Vorsteuerabzug oder Steuerbefreiung, dass der Unternehmer nichts von einem Umsatzsteuerbetrug in der Kette wissen darf.
Das BMF-Schr. v. 15.6.2022 sieht in dem neuen Abschn. 25f.1 Abs. 6 Satz 2 UStAE vor, dass das Finanzamt für den Fall, dass dem Unternehmer die Kenntnis des Umsatzsteuerbetrugs in der Lieferkette nachgewiesen wurde, den Vorsteuerabzug und die Steuerbefreiung für eine etwaige innergemeinschaftliche Lieferung "in voller Höhe" zu versagen hat. Das Ermessen des Finanzamts reduziert sich damit auf Null, so dass die noch zuvor im BMF-Schreiben angeführten Gesamtumstände des Einzelfalls anscheinend nicht zwingend zu berücksichtigen sind. Satz 3 derselben Vorschrift sieht außerdem vor, dass diese Versagungen auch bei mehreren Beteiligten vorzunehmen sind, bei denen die Voraussetzungen des § 25f vorliegen.
Mehrfacherhebung der USt möglich ... Im Extremfall erhebt der Fiskus damit die Umsatzsteuer nicht nur bei einem einzelnen Unternehmer doppelt, sondern gleich mehrfach, wenn auf eine Mehrzahl von beteiligten Unternehmern zugegriffen werden kann, sofern diesen die Kenntnis oder das Kennen-müssen des Betrugsfalls nachgewiesen werden kann. Durch diesen Zugriff auf andere Unternehmer, die nicht selbst den Umsatzsteuerbetrug begangen haben, fließt dem Fiskus ein Mehrfaches des eingetretenen Steuerschadens zu. Sofern der Steuerschaden im EU-Ausland eingetreten ist, erzielt der inländische Fiskus dann Einnahmen, die ihm bei einem ordentlichen Geschäftsablauf unter zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmern überhaupt nicht zugeflossen wären.
... aber umstritten: Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots ist diese Mehrfacherhebung umstritten, wurde aber durch den EuGH bestätigt. In der Praxis wird sich die Diskussion zwischen Steuerpflichtigem und Finanzbehörde daher mehr darauf verlagern, wie das "wissen müssen" auszulegen ist. Hier sind Billigkeitsverfahren oder weitere Gerichtsverfahren zu erwarten.
Neben dem Verlust des Vorsteuerabzugs können auch die Bußgelder nach § 26a UStG und die Strafen gem. § 26c UStG erhoben werden.
Der EuGH hatte zuletzt in einem "verunglückten Reihengeschäft" entschieden, dass eine doppelte Erhebung der Umsatzsteuer nicht mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Neutralität der Umsatzsteuer vereinbar ist. Im Urteilsfall lag jedoch keine Hinterziehungsabsicht vor, so dass in Fällen, in denen der Unternehmer den Betrug hätte erkennen können, die Mehrfachbestrafung als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden kann bzw. muss.