Vor dem Hintergrund
- der Komplexität der Regelung des § 27 KStG und
- der Strenge der Finanzrechtsprechung
kommt es in der Praxis immer wieder dazu, dass materiell-rechtliche Auskehrungen aus dem Einlagenkonto steuerrechtlich auf der Ebene der Gesellschafter als steuerpflichtige Dividende qualifiziert werden.
Fehlerhafter Umgang mit dem Einlagekonto auf Gesellschaftsebene schlägt auf den Gesellschafter durch ...: Der fehlerhafte Umgang mit dem Einlagekonto auf der Ebene der Gesellschaft ist nach der BFH-Rechtsprechung materiell-rechtlich bindend für die Gesellschafter. Ist eine Einlage fehlerhaft im Einlagekonto nicht festgestellt oder ist eine Auskehrung aus dem Einlagekonto nicht erklärt und nicht ordnungsgemäß bescheinigt, führt dies dazu, dass im Fall der Auskehrung diese auf der Ebene der Gesellschafter als Dividende zu versteuern ist.
... und löst bei diesem materiell-rechtlich nicht berechtigte Steuern aus: Der fehlerhafte Umgang mit der steuerlichen Erklärung des Einlagekontos auf der Ebene der Gesellschaft zeigt demnach materiell-rechtlich nicht berechtigte Steuern auf der Ebene der Gesellschafter.
Die Zivilrechtsprechung geht davon aus, dass bereits mit Bekanntgabe eines fehlerhaften Feststellungsbescheids über das Einlagekonto ein Schaden eintrete.
Dies ist unzutreffend. Werden die Anteile veräußert oder die Gesellschaft liquidiert, wirkt sich der Schaden nicht aus. Materiell-rechtliche Einlagen stellen AK auf die Beteiligung dar – unabhängig davon, ob diese Einlagen im Einlagekonto festgestellt wurden. Die AK wirken sich im Fall der Veräußerung und im Fall der Liquidation aus.
Das OLG Hamm hat aktuell dazu entschieden:
- Macht eine GmbH als eigenen Schaden die Steuern geltend, die sie nach § 44 Abs. 1 S. 3, 5 EStG als Entrichtungsschuldner für Rechnung ihrer Gesellschafter aufgrund einer nachträglichen in einer Steueraußenprüfung festgestellten verdeckten Gewinnausschüttung abgeführt hat, so ist im Rahmen einer konsolidierten Schadensbetrachtung die Vermögenssituation zu berücksichtigen, die sich aus den tatsächlichen Geschehnissen auf Seiten der Gesellschafter ergeben hat.
- Die Erteilung einer Steuerbescheinigung i.S.d. § 27 Abs. 3 KStG zur entsprechenden Verwendung des steuerlichen Einlagekontos zielt im Wesentlichen auf den Schutz der Interessen der Gesellschafter der GmbH ab.
Grundsätzlich hat die GmbH ausschließlich ihre eigenen steuerrechtlichen Rechte, Pflichten und Interessen zu wahren. Die steuerlichen Rechte, Pflichten und Interessen der Gesellschafter sind nicht Gegenstand der Geschäftsführungstätigkeit.
Im Rahmen des fehlerhaften Umgangs mit dem Einlagenkonto wird dies nach herrschender Auffassung im Zivilrecht anders gesehen. Das steuerrechtliche Einlagekonto ist auf der Ebene der Gesellschaft grundsätzlich neutral. Hier wirkt es sich nur im Hinblick auf die Pflicht zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer aus. Diese Kapitalertragsteuer ist letztlich eine Steuer der Gesellschafter in Form der Vorauszahlung auf deren Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer.
Pflicht mit Drittwirkung zugunsten der Gesellschafter: Vor dem Hintergrund der materiell-rechtlichen Bindung der Feststellung des Einlagekontos auf der Ebene der Gesellschaft handelt es sich hierbei aber um eine Pflicht mit Drittwirkung zugunsten der Gesellschafter.
Betrachtung des "Gesamtvermögens" bei der Schadensbetrachtung: Hauptaussage des Urteils des OLG Hamm ist einmal mehr, dass in der Konstellation des Umgangs mit dem Einlagekonto auf der Ebene der Gesellschaft bei der Schadensbetrachtung
- die Vermögenssituation der Gesellschaft und
- die Vermögenssituation der Gesellschafter
aufgrund einer konsolidierten Schadensbetrachtung zusammen zu betrachten sind. Maßgeblich ist, dass die zu berücksichtigenden Folgen tatsächlich so miteinander verbunden sind, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung von einem Gesamtvermögen ausgegangen werden kann.
Beraterhinweis Wieder wird einmal mehr ausgesprochen, dass der Steuerberatungsvertrag mit der GmbH im Hinblick auf die Beratung i.R.d. § 27 KStG Schutzwirkung zugunsten der Gesellschafter hat.