Die Rechtsprechung des BFH zur Notwendigkeit der Einhaltung sämtlicher formaler Voraussetzungen des § 27 KStG, um von einer nicht steuerbaren Auskehrung aus dem Einlagenkonto ausgehen zu können, ist bekanntlich streng.

Die Entscheidung des BFH vom 17.5.2022 bestätigt dies:

  • Die Feststellung des Einlagekontos auf der Ebene der Gesellschaft ist zwar kein Grundlagenbescheid für die Besteuerung für den Einkommensteuerbescheid der Gesellschafter. Es besteht jedoch eine materiell-rechtliche Bindung. Die Gesellschafter können auf ihrer Ebene nicht mehr darum streiten, dass eine Auskehrung aus dem Einlagekonto gegeben ist, wenn diese i.R.d. Feststellung nach § 27 KStG nicht verarbeitet wurde.
  • Die Fiktion nach § 27 Abs. 5 S. 2 KStG überlagert eine materiell-rechtliche Prüfung auf der Ebene des Gesellschafters. Wurde keine Bescheinigung über eine Auskehrung aus dem Einlagekonto seitens der Gesellschaft ausgestellt, wird diese mit 0 EUR fingiert. Eine Bescheinigung muss den Gesellschaftern erteilt sein bis zur erstmaligen Bekanntgabe der Feststellung des Einlagekontos zum Schluss des Wirtschaftsjahres der fraglichen Auskehrung. Auf Bestandskraft kommt es nicht an.
  • Die materiell-rechtliche Bindung der Null-Fiktion wirkt auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Ausschüttung zurück. Die Fiktion gilt nicht erst ab Bekanntgabe des Feststellungsbescheids über das Einlagekonto zum Schluss des Jahres der Auskehrung.
  • Gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 EStG entsteht die Kapitalertragsteuer für Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG in dem Zeitpunkt, in dem der Kapitalertrag dem Gläubiger (Gesellschafter) zufließt. Die Kapitalerträge fließen den Gesellschaftern an dem Tag zu, der im Beschluss als Tag der Auszahlung bestimmt ist (§ 44 Abs. 3 S. 1 EStG). Ist kein Zeitpunkt festgesetzt, wird der Tag nach der Beschlussfassung zugrunde gelegt (§ 44 Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 EStG).

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