(BFH v. 30.6.2022 – IV R 19/18, BB 2022, 2415 = GmbHR 2022, 1261 = GmbH-StB 2022, 336 [Trossen])
a) Bewertung der Einlagen von GmbH-Beteiligungen
Einlagen sind grundsätzlich mit dem Teilwert im Zeitpunkt der Zuführung zu bilanzieren (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Halbs. 1 EStG). Die Einlage einer – wie im Urteilsfall – zunächst im Privatvermögen (PV) gehaltenen wesentlichen Beteiligung i.S.d. § 17 EStG an einer Kapitalgesellschaft in ein BV ist hingegen mit den AK der Beteiligung zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Halbs. 2 Buchst. b EStG). Maßgeblich ist, dass es sich im Zeitpunkt der Zuführung um eine "wesentliche" Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG handelt – mithin diese mindestens 1 % beträgt. Insoweit hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung bestätigt.
Beraterhinweis Bei Entnahme der Beteiligung ist der Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 Halbs. 1 EStG). Es besteht keine Mindestdauer der Zugehörigkeit zum BV. Fällt zu einem späteren Zeitpunkt die BV-Qualität weg, reicht es aus, wenn sie lediglich für eine logische Sekunde bestand. Auch bei einer kurzfristigen Zuordnung zum BV ist ein entsprechender Entnahmegewinn zu versteuern, da die Einlage zu AK und die Entnahme zum Teilwert erfolgt. Dies wird in der Praxis häufig übersehen.
Die Bewertung mit den AK erfolgt – über den Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Halbs. 2 Buchst. b EStG hinaus – nach Auffassung des BFH,
- nicht nur, wenn der Teilwert der Beteiligung oberhalb der AK liegt,
- sondern ebenfalls, wenn dieser unterhalb der AK liegt (sog. wertgeminderte Beteiligung). Insoweit bestehe eine planwidrige Regelungslücke. Der BFH bestätigt auch diesbezüglich seine bisherige Rechtsprechung, nach der es einer teleologischen Extension der Vorschrift bedarf.
b) Berücksichtigung von Auskehrungen aus dem Einlagekonto
Sind bei der GmbH, deren Anteile eingelegt werden, Auskehrungen aus dem Einlagekonto erfolgt, sind diese von den AK abzuziehen. Übersteigen die Auskehrungen die AK, wird ein Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 EStG erzielt. Nach der Auffassung des BFH sind auch i.R.d. Bewertung der Einlage einer GmbH-Beteiligung ins BV Auskehrungen aus dem Einlagekonto AK-mindernd zu berücksichtigen. Dies ist konsequent. Bei Anteilen im BV kann es insoweit zu negativen AK kommen, die sich erst bei einer Veräußerung oder Liquidation auswirken.
c) "Hineinwachsen in die Wesentlichkeit"
Hervorzuheben sind die Ausführungen des BFH hinsichtlich der Erfassung von Wertveränderungen in einem Zeitraum, in dem der Anteilsinhaber noch nicht "wesentlich" i.S.d. § 17 EStG beteiligt war. Dies betrifft z.B. Fälle, in denen der Anteilsinhaber zuvor mit 0,9 % beteiligt war und sich im weiteren Verlauf seine Beteiligung auf mindestens 1,0 % erhöht.
Nach Auffassung des BFH ändern zwischenzeitlich im PV entstandene Wertsteigerungen zu Zeiten der "Nichtwesentlichkeit" nichts an der Bewertung der Einlage mit den AK. Diesem Ergebnis stehe die Rechtsprechung des BVerfG zur rückwirkenden Absenkung der Beteiligungsgrenze i.R.d. § 17 EStG von 25 % auf 10 % nicht entgegen. Ein Wertzuwachs im PV bei nicht wesentlichen Beteiligungen sei auch nach Auffassung des BVerfG "latent steuerverhaftet". Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Steuerpflichtige – mit oder ohne sein Zutun – "in die Wesentlichkeit hineinwächst", wodurch der gesamte Wertzuwachs zu versteuern wäre. Der Steuerpflichtige könne sich nicht auf "Bestandschutz" berufen, wenn im einzelnen Fall ein solches "Hineinwachsen in die Wesentlichkeit" im Zeitpunkt der Veräußerung tatsächlich erfolgt ist. Hinsichtlich der Bewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Halbs. 2 Buchst. b EStG folge daraus, dass durch Ansatz der AK auch der in der Zeit zwischen Anschaffung und Überschreitung der Wesentlichkeitsgrenze erzielte Wertzuwachs im BV zu erfassen sei. Dies führt in der Praxis zu einer lückenlosen Erfassung von Wertveränderungen auch bei zunächst nicht "wesentlichen" Beteiligungen.