Streitanfälliges Problemfeld und Dauerbrenner
[Ohne Titel]
Prof. Dr. Burkhard Binnewies, RA/FASt
Das Einlagekonto bleibt als streitanfälliges Problemfeld Dauerbrenner in der Praxis. Die Rechtsprechung bleibt ihrer Linie treu und legt § 27 KStG restriktiv zu Lasten der Gesellschaften bzw. Gesellschafter aus. Einziger Lichtblick am Horizont ist, dass der BFH nun bestätigt, dass § 129 AO als Korrekturnorm anwendbar sein kann. Der Beitrag zeigt die aktuelle Entwicklung bezüglich der Auffassung der Finanzverwaltung und der Finanzrechtsprechung auf.
1. Einlagenrückgewähr und Anteilserwerb zu verschiedenen Zeitpunkten
(OFD Frankfurt/M. v. 16.6.2021 – S 2244 A-41-St 519, GmbH-StB 2022, 17 [Trossen])
Beispiel
A ist mit zwei Gesellschaftsanteilen an der A-GmbH beteiligt. Beide Geschäftsanteile haben einen Nennwert von 12.500 EUR. Geschäftsanteil 1 hat A zu einem Kaufpreis von 1 EUR erworben. Geschäftsanteil 2 hat A zu einem Kaufpreis i.H.v. 50.000 EUR erworben. Es erfolgt eine Auskehrung aus dem Einlagekonto nach § 27 Abs. 1 KStG i.H.v. 50.000 EUR. A hat einen Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG i.H.v. 24.999 EUR nach dem Teileinkünfteverfahren zu versteuern.
a) Anteilserwerb zu verschiedenen Zeitpunkten = Gesondertes Festhalten der Anschaffungskosten
Bei einem Erwerb von Anteilen an derselben Kapitalgesellschaft
- zu verschiedenen Zeitpunkten und
- verschiedenen Erwerbspreisen
sind die Anschaffungskosten (AK) gesondert festzuhalten. Im Fall einer Veräußer9ung sind die tatsächlichen AK für den jeweils einzelnen Anteil maßgeblich. Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto sind prozentual nach dem Anteil am Nennkapital den einzelnen Anteilen zuzuweisen.
Rechtliche Selbständigkeit der GmbH-Anteile: Anteile an GmbH behalten ihre rechtliche Selbständigkeit:
b) Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto
Werden bei einer Auskehrung aus der Gesellschaft Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nach der Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs. 1 S. 3 KStG bezogen, sind diese nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG). Die Leistungen mindern die AK der Anteile in der Höhe, auf die diese Auskehrung auf die jeweiligen Anteile entfällt. Bei einer Veräußerung der Anteile oder einer Auflösung der Gesellschaft sind die entsprechend geminderten AK zu berücksichtigen.
Übersteigen die Auskehrungen aus dem steuerlichen Einlagekonto die jeweiligen AK der Anteile, entsteht ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG. Das Einlagekonto kann nicht negativ werden.
"Anteilsbezogene Betrachtung" der Finanzverwaltung: Nach Auffassung der Finanzverwaltung müssen
- die Leistungen aus dem Einlagekonto pro Anteil ermittelt und
- die AK pro Anteil weiterentwickelt werden.
Dies kann dazu führen, dass bei einzelnen Anteilen desselben Gesellschafters die AK durch Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto bereits verbraucht sind. In diesem Fall entsteht ein Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG, während bei anderen Anteilen an derselben Kapitalgesellschaft desselben Gesellschafters noch AK vorhanden sind.
Für die Berechnung des Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs. 4 EStG werden die Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto prozentual den Anteilen des Gesellschafters zugeordnet (§ 20 Abs. 5 S. 1 EStG). Maßgeblich ist das Verhältnis der einzelnen Anteile in Bezug auf die Gesamtbeteiligung des Anteilseigners am Nennkapital der Kapitalgesellschaft. Es erfolgt eine Aufteilung nach Nennwerten.
Beachten Sie: Dasselbe soll bei Anteilen im Betriebsvermögen (BV) gelten.
Eigene Stellungnahme: Ich halte die Auffassung der Finanzverwaltung für unzutreffend. Das Einlagekonto ist ein Konto der Gesellschaft, nicht der Gesellschafter und daher sind Einlagerückzahlungen aus dem Einlagekonto beteiligungsbezogen zu betrachten und nicht anteilsbezogen.
2. Korrektur des Bescheids über die Feststellung des Einlagekontos nach § 129 AO
Die Korrektur des Feststellungsbescheids des Einlagekontos nach § 27 KStG unter Anwendung von § 129 AO aufgrund des Vorliegens einer offenbaren Unrichtigkeit ist nunmehr auch vom BFH anerkannt.
Sachverhalt
A verpflichtet sich gegenüber der A-GmbH, in einem Einbringungsvertrag zur Stärkung des Kapitals an diese vollwerthaltige Darlehensforderungen abzutreten. Im Jahresabschluss wurde diese Einstellung in die Kapitalrücklage erläutert. Das Einlagekonto wurde mit 0 EUR erklärt. Entsprechend hat das FA das Einlagekonto mit 0 EUR festgestellt.
Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO setzt voraus, dass die offenbare Unrichtigkeit in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein sog. Übernahmefehler vorliegt, d.h. das FA eine offenbare Unrichtigkeit aus der Steuererklärung in die Veranlagung übernimmt.
Offenbare Unrichtigkeiten sind mechanische Versehen, wie z.B. Eingabe- oder Übertragungsfehler. Solche sind nicht gegeben, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler be...