Rz. 5
Familienunternehmen stellen 90 % der hierzulande mehr als 3,2 Mio. Unternehmen, 55 % aller Umsätze und 57 % aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Mit Blick auf die Abgrenzungskriterien der CSRD ist es wichtig zu wissen, dass rund 46 % aller Unternehmen mit mehr als 50 Mio. EUR Jahresumsatz hierzulande in Familienhand sind. Angesichts von rund 20.000 Unternehmen, die nach jüngsten Daten des Statistischen Bundesamts diesen Schwellenwert überschreiten, sind somit schätzungsweise mehr als 9.000 Familienunternehmen als "große Unternehmen" einzustufen. Sie fallen damit höchstwahrscheinlich unter die CSRD und müssen erstmals für das Geschäftsjahr 2025 einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht vorlegen.
Rz. 6
Weder Rechtsform noch Größe noch Börsennotierung sind entscheidend dafür, ob ein Unternehmen als Familienunternehmen einzustufen ist. Familienunternehmen definieren sich dadurch, dass sie mehrheitlich im Familienbesitz sind und von einer Familie (oder mehreren) kontrolliert werden. Dass Mitglieder der Familie auch an der operativen Leitung beteiligt sind, ist nicht zwingend notwendig, aber häufig der Fall. Lt. einer auf Daten zu mehr als 1.000 Familienunternehmen basierenden Untersuchung des Münchner ifo-Instituts sind in 82 % von ihnen Familienmitglieder in der Geschäftsführung tätig.
Familienunternehmen sind damit grds. in einer guten Position, um ihr Geschäftsmodell nachhaltiger zu gestalten und ihr Reporting auszubauen. Anders als Aktiengesellschaften können sie z. B. die nötigen Schritte rasch einleiten. Die häufige Kombination von Eigentum und Management in einer Hand ermögliche ihnen "eine besonders schnelle und nachhaltige Entscheidungsfindung", so das ifo-Institut.
Rz. 7
Die TOP 500 der deutschen Familienunternehmen weisen sowohl besonders viele Beschäftigte in der Heimat als auch ein besonders starkes Beschäftigungswachstum auf. Als Arbeitgeber, aber auch darüber hinaus spielen sie eine große soziale Rolle. Die Mehrheit zeigt gesellschaftliches Engagement. Ihr Fokus richtet sich dabei insbes. auf Ökologie & Nachhaltigkeit, Innerbetriebliches, Soziales, Bildung & Forschung, Sport und Kunst & Kultur. Mehr als 81 % sind lokal aktiv, gut 70 % in der Region und 24 % auf nationaler Ebene. Knapp 48 % der TOP 500 unterhalten Stiftungen. Diese dienen zu 88 % gemeinnützigen Zwecken.
Bezogen auf die ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) zeigen Erhebungen, dass Familienunternehmen insbes. beim Aspekt "Soziales" schon heute große Stärken haben (etwa bei den Arbeitsbedingungen, Arbeitsrechten, Arbeitssicherheit und -gesundheit, der Entlohnung, Vielfalt, Integration). Auffällig ist bei Analysen, dass diese Tatsache vielen Familienunternehmen erst durch die systematische Befassung mit ESG ins Bewusstsein rückt. Soziales Verantwortungsbewusstsein gehört für sie häufig zum Selbstverständnis, weshalb sie darum kein großes Aufheben machen.
Während das Streben nach ökonomischer Nachhaltigkeit selbsterklärend ist, lässt sich die Betonung der sozialen Dimension damit erklären, dass Familienunternehmen sich sowohl ihren Beschäftigten als auch der Bevölkerung an den Standorten häufig stärker verpflichtet fühlen als Unternehmen, die Finanzinvestoren oder einem breiten Aktionärskreis gehören. Die Beziehung aller Beteiligten ist i. d. R. persönlicher, weniger anonym. Arbeitnehmer sind z. T. über Jahrzehnte oder gar selbst in 2. oder 3. Generation im Unternehmen. Zudem lebt die Eigentümerfamilie häufig noch vor Ort, sie ist präsent in Kommune und Region, finanziert Vereine, soziale Einrichtungen oder Events. Kurz: Sie ist tiefer in der lokalen Gesellschaft verwurzelt.
Rz. 8
Die wichtigste Besonderheit von Familienunternehmen ist indes ihr Wesenskern, der sie von anderen Unternehmensformen unterscheidet. So hebt das Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) hervor, dass v. a. dann von einem Familienunternehmen zu sprechen ist, wenn die Eigentümerfamilie nicht nur die Entwicklung maßgeblich bestimmt, sondern auch plant, das Unternehmen in die nächste Generation weiterzugeben. "Das transgenerationale Moment ist für Familienunternehmen somit essenziell." Anders gesagt: Nachhaltigkeit gehört zu ihrer DNA. Familienunternehmen denken nicht in Quartalen, sondern per se langfristig.
Rz. 9
Eine weitere Besonderheit von Familienunternehmen ist das Leben in einer Paradoxie – "zwischen Küche und Schreibtisch", zwischen Emotionalität und Rationalität, zwischen den Dynamiken des Familienlebens und den Anforderungen der Geschäftswelt.
Konflikte sind schon in der Struktur dieser Unternehmen angelegt und damit Teil der Normalität. Dies äußert sich in einer Reihe von Gegensätzen. Während z. B. die Familie Kontinuität wünscht, wird das Unternehmen durch die Entwicklungen am Markt zum Wandel gezwungen. Während bestimmte Werte, Prinzipien und Interessen für die Familie wichtig und richtig sind, können diese – 1:1 übertragen auf das Unternehmen – dazu führen, dass nicht immer die besten Gesch...