Rz. 22
Wer über den aktuellen Status quo in Familienunternehmen hinaus schaut und die Haltungen oder Pläne der Next Gen in den Blick nimmt, der kann für die Zukunft einen noch größeren Fokus auf Nachhaltigkeit i. A. und die ökologische Dimension im Speziellen erwarten. In der jüngsten (6.) Studie der Stiftung Familienunternehmen zu Einstellungen, Werten und Plänen der nachrückenden Generation waren rund 70 % der insgesamt 440 befragten Next Gens bereit, eine operative Führungsrolle im Unternehmen der Familie zu übernehmen. Alternativ konnten sich viele auch eine andere Rolle (z. B. im Beirat) vorstellen. Für rund 75 % der befragten Next Gens hatten – unabhängig vom Geschlecht – Maßnahmen und Strategien für mehr Nachhaltigkeit eine hohe Priorität. Dabei fiel der Wert für Next Gens aus größeren Familienunternehmen 11,4 Prozentpunkte höher aus als für solche aus kleineren Unternehmen. Zusammenfassend gesagt, "forcieren die Next Gens den Nachhaltigkeitsgedanken stärker als die Seniorgeneration dies tat".
Rz. 23
Mehrere Studien sehen insbes. Mitglieder der nächsten Generation als Initiatoren und Verstärker für eine formale Nachhaltigkeitsstrategie in Familienunternehmen. Das WIFU ermittelte, dass in Familienunternehmen das Nachhaltigkeitsengagement größer ausfällt, erstens wenn im Management Familienmitglieder im Alter unter 40 Jahren vertreten sind, zweitens wenn im Gesellschafterkreis Familienmitglieder im Alter unter 40 Jahren vertreten sind und drittens, je größer die Zahl dieser jungen Familienmitglieder ausfällt.
Bezogen auf die 3 klassischen Nachhaltigkeitsdimensionen (ökonomisch, sozial und ökologisch) betrachteten in einer Studie 82 % der Befragten die ökonomische Dimension als tragende Säule für soziale und ökologische Aktivitäten. Zugleich wollten die Next Gens einen stärkeren Gleichklang der 3 Dimensionen erreichen, weshalb 90 % von ihnen angaben, künftig einen größeren Fokus auf Ökologisches legen zu wollen. Viele wollen das Thema bei Eintritt ins Unternehmen ihrer Familie forcieren und in ein umfassendes Konzept einbetten. Nicht zuletzt sehen sie darin auch eine Chance, intern Fuß zu fassen und sich Respekt zu verschaffen. Die Seniorgeneration hat in ihren Augen Nachhaltigkeit häufig ausschl. als Frage des Umweltschutzes und letztlich als Bürde begriffen. Sie denkt bei dem Thema an einzelne Projekte und v. a. an die damit verbundenen Kosten.
Rz. 24
Prinzipiell hat die Next Gen die Notwendigkeit einer Transformation i. S.v. mehr Nachhaltigkeit als Herausforderung angenommen. Allerdings sind viele ihrer Vertreter noch unsicher, wie diese angepackt werden soll, z. B. im Hinblick auf das Entwickeln einer ganzheitlichen Strategie, auf konkrete Maßnahmen oder auch auf den Umgang mit der Elterngeneration. Insgesamt lassen sich 3 Handlungsfelder identifizieren, auf denen die Next Gen die Themen Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeitsmanagement und die dazugehörige Berichterstattung vorantreiben kann. Sie kann schon heute
- mehr wagen,
- mehr organisieren und
- mehr kommunizieren.
Rz. 25
Die Next Gens können erstens mehr wagen, indem sie die Chancen der Nachhaltigkeit konkreter identifizieren und eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie definieren.
Bezogen auf die ökonomische Nachhaltigkeit liefern schon ein paar Fragen erste Ideen:
- Welche Geschäftsfelder verlieren durch den Klimawandel oder die Regulierung an Bedeutung? Wo entstehen umgekehrt neue Bedarfe, die gedeckt werden wollen?
- Welche Produkte und Dienstleistungen leisten auch künftig einen Wertbeitrag und haben somit eine Zukunft, welche haben ihre Zukunft (wegen staatlicher Verbote oder sinkender Nachfrage) bereits hinter sich?
- Wie sehr würde mehr Nachhaltigkeit in der Herstellung dieser Produkte und Dienstleistungen langfristig Kosten und Risiken senken, etwa durch mehr Energieeffizienz, eine eigene Stromversorgung oder eigenständige Kreisläufe?
- Wo lässt sich dank höherer Nachhaltigkeit ein Preispremium durchsetzen?
- Trägt mehr sichtbare Nachhaltigkeit dazu bei, als Arbeitsgeber attraktiver zu werden?
- Würde mehr Nachhaltigkeit das Unternehmen zum "first-mover" seiner Branche machen, es vom Wettbewerb abheben – im Auge der Kunden wie der Öffentlichkeit?
- Welcher Gewinn ist nötig, um die jährliche Ausschüttung an die Gesellschafter sicherzustellen und zugleich Investitionen in Nachhaltigkeit finanzieren zu können?
Soziale Nachhaltigkeit lässt sich ebenfalls strukturierter betrachten:
Umfasst diese wirklich "nur" das lokale Umfeld – die Mitarbeiter, ihre Familien sowie die Kommune? Sind sichere Arbeitsplätze, Gesundheitsangebote, Betriebsfeste und Spenden an die freiwillige Feuerwehr genug? Oder bedarf es neuer Angebote? Die Debatten der vergangenen Jahre über massiv höhere Heizungs- und Stromkosten oder gestiegene Lebensmittelpreise haben den sozialen Sprengstoff offengelegt, der in ökologischen wie ökonomischen Problemen steckt.
Auch mit Blick auf die ökologische Nachhaltigkeit gilt es, Hausaufgaben zu erledigen:
- Wie berechnen, reduzieren oder kompensieren Untern...