Nachhaltigkeit im Aufsichtsrat: Praxisbeispiel edding

EU-Regulierungen wie die CSRD geben Aufsichtsräten eine neue Rolle – als entscheidender Treiber einer nachhaltigen Transformation. Wie das in der Praxis aussehen kann, weiß Julia Ledermann. Sie leitet den Beirat der Edding AG und begleitet die nachhaltige Transformation des Unternehmens.

In einer erfolgreichen digitalen und nachhaltigen Transformation können Aufsichts- bzw. Beiräte eine entscheidende Rolle spielen. Für Aktiengesellschaften, Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitenden sowie GmbHs mit mehr als 500 Mitarbeitenden ist ein Aufsichtsrat Pflicht. Doch viele Unternehmen setzen freiwillig auf einen Beirat oder ein Management Board als strategischen Sparringspartner. In erster Linie kontrolliert und berät so ein Gremium die Geschäftsführung des Unternehmens – etwa zu wesentlichen Aspekten der Unternehmensführung und grundlegenden Entscheidungen. So kann ein Beirat Impulse zur langfristigen Strategie geben, aber auch Kursfehler verhindern oder zumindest frühzeitig identifizieren, um rechtzeitig gegenzusteuern. Es ist aber auch eine „ureigene Aufgabe der Aufsichtsräte und Beiräte, die Erwartungen externer Shareholder zu vertreten“, sagt Julia Ledermann, Vorsitzende des Gesellschafterkreises und des Beirats der Edding AG. Als Gesellschafterin in der 3. Generation des Familienunternehmens begleitet sie den norddeutschen Schreibwarenhersteller hin zu einer regenerativen Art des Wirtschaftens. Warum Edding Nachhaltigkeit als übergeordnetes Unternehmensziel festlegt, beschreiben wir an anderer Stelle.

Gestiegene Erwartungen an den Aufsichtsrat

Die Rolle des Aufsichtsrats verändert sich grundlegend – weg von der reinen Kontrollinstanz hin zu einem strategischen Gestalter der Nachhaltigkeit. Unternehmen müssen aufgrund der Klimakrise und gestiegener gesellschaftlicher Erwartungen mehr Verantwortung übernehmen. Nachhaltigkeit wird in Zukunft zur zentralen Steuerungsgröße und zum elementaren Bestandteil einer Unternehmensstrategie. Nicht zuletzt fordern Regularien wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) einen detaillierten Rechenschaftsbericht ein, der Öffentlichkeit und Shareholder über nachhaltige Maßnahmen informiert. „Gerade in Familienunternehmen haben die Shareholder ein Interesse am langfristigen Erfolg des Unternehmens. Hierfür ist eine Nachhaltigkeitsstrategie die grundlegende Voraussetzung“, sagt Julia Ledermann. Schließlich soll der langfristige Erfolg über Generationen hinweg im Mittelpunkt stehen. Dafür gestalten Aufsichtsräte strategische Weichenstellungen der Nachhaltigkeitsstrategie mit und hinterfragen Entscheidungen kritisch. Gleichzeitig müssen sie die Umsetzung der Maßnahmen überwachen, da sie Mitverantwortung für die Qualität und Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsberichte tragen. „Die Umsetzung der CSRD-Anforderungen ist aktuell ein Lernprozess, für die Unternehmen ebenso wie für die Prüfer und Aufsichtsgremien.“

Überwachung und Prüfung der Berichterstattung

Ohne verlässliche Kennzahlen bleibt Nachhaltigkeit oft ein abstraktes Ziel, statt als handfeste Strategie im Unternehmen verankert zu werden. Die Einhaltung von ESG-Zielen von Unternehmen muss durch klare KPIs überprüft werden und Berichtsdaten vollständig, nachvollziehbar und konsistent mit den Unternehmenszielen sein. „Doch übergreifend definierte nicht-finanzielle Performance-Indikatoren entstehen gerade noch“, weiß Ledermann. Aufsichtsräte könnten zur Messung und Kontrolle der ESG-Ziele ein strukturiertes System entwickeln.

Nachhaltigkeit als Innovationsmotor begreifen

CSRD-Berichte müssen künftig die Rolle des Aufsichtsrats in der ESG-Strategie offenlegen. Da Aufsichtsgremien für die Qualität und Glaubwürdigkeit der Berichterstattung mitverantwortlich sind, kann sich fehlende Expertise bei den Mitgliedern negativ auf Investoren- und Stakeholder-Vertrauen auswirken. „Aufsichtsräte und Beiräte müssen sich aktiv fortbilden und Transformationskompetenz entwickeln“, betont Ledermann. Wichtig sei nicht nur Wissen zu Vorgaben und Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit, sondern auch Transformationskompetenz. „Es geht darum, regenerative Ansätze zu denken und systemische Lösungen zu entwickeln.“ Nicht nur, um der gesetzlichen Verantwortung nachzukommen, schließlich sei die Umsetzung der CSRD kein Selbstzweck: „Es sollte als Innovationstreiber für die strategische Entwicklung der Unternehmen dienen. In diese Richtung zu beraten ist auch Aufgabe der Aufsichts- und Beiräte“, so Ledermann.

Weitsicht und aktive Beteiligung

Aufsichtsräte müssen ihre Unternehmen mit einer weitsichtigen Nachhaltigkeitsstrategie zukunftsfähig machen. Dafür sollten sie sich nicht nur auf Compliance konzentrieren, sondern aktiv zur Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle beitragen. Wer heute handelt, sichert die Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens – und das nicht nur im Sinne regulatorischer Anforderungen, sondern auch im Wettbewerb um Talente, Kunden und Kapital. „Ich bin davon überzeugt, dass langfristig ökonomisches Handeln nur erfolgreich ist, wenn die Vernetzung der Themen sozialer, ökologischer und ökonomischer Mehrwerte stattfindet und wir die Regeneration der Systeme anstreben.“

Ledermann, Julia

Nachhaltigkeit im Beirat der Edding AG: Vier Fragen an Julia Ledermann

Wie integriert der Beirat von Edding Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie?     

Uns geht es um das Sparring und die Begleitung des Vorstandes in der Entwicklung und Umsetzung der Unternehmensstrategie, das Einbringen der Shareholder-Perspektive, von Impulsen und Fragen sowie Vernetzung. Kritisches Hinterfragen, das Anregen von Perspektivwechseln und das Aufzeigen von Handlungsoptionen – etwa bei der Übersetzung von strategischen Zielen in die operative Umsetzung. Edding hat zudem den Vorteil, dass die Intention, Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie zu integrieren, aus dem Gesellschafterkreis kommt.

Mit welchen wachsenden Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit sehen Sie sich Beiratsleiterin konfrontiert?

Als Vertreterin des Familiengesellschafterkreises steht für mich die langfristige Zukunftsperspektive im Vordergrund. Und der Wunsch, das Unternehmen an die kommenden Generationen übergeben zu können. Gleichzeitig muss ich nah an den aktuellen, kurzfristigen unternehmerischen Herausforderungen dranbleiben. Hierfür ist es wichtig, Unternehmensprozesse zu verstehen und Umsetzungshebel zu kennen. In Bezug auf Nachhaltigkeit ist hierfür insbesondere auch der Austausch mit anderen Unternehmen, Aufsichts- und Beiräten sowie die Vernetzung und Fortbildung wichtig, da übergreifende und vergleichbare KPIs noch in der Entstehung sind ebenso wie das regenerative Wirtschaften an sich.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen dem Beirat und dem Management?

Wir haben eine sehr aktive Zusammenarbeit, die gleichzeitig klaren Governancestrukturen und Regeln unterliegt, um die „good governance“ zu wahren. Beirat und auch der Familiengesellschafterkreis sind Sparringspartner für die Geschäftsführung bei der Fragestellung „Wie können wir nah dran am Zweck des Unternehmens und dessen Kernwerten transformieren und ins regenerative Wirtschaften kommen?“. Dabei bringt der Familiengesellschafterkreis insbesondere die langfristige, generationenübergreifende Perspektive ein.

Welche Rolle spielt der Aufsichtsrat bei der Etablierung einer nachhaltigen Unternehmenskultur?

Kultur ist unser aller Zusammenwirken. Die Zusammenarbeit von Aufsichts- und Beirat mit dem Vorstand ist also ebenfalls prägend für die Unternehmenskultur. Bei uns sind die Werte Truly Caring, Authenticity, Empowerment und Pioneering Spirit zentral und spielen auch in der Zusammenarbeit auf der Ebene der Geschäftsführung und Aufsichtsgremien eine wichtige Rolle.