Per Ledermann ist positiv überrascht. Seit der Chef von Edding gemeinsam mit seinem Vorstandsteam vor wenigen Monaten verkündete, dass das Unternehmen künftig alle – wirklich alle – Entscheidungen auf ihre Nachhaltigkeit hin überprüft, hat sich viel getan. Vor allem intern.
Dabei ist das Thema Nachhaltigkeit in dem börsennotierten Unternehmen mit Sitz im norddeutschen Ahrensburg nicht neu: Edding hat schon 1995 den B.A.U.M.-Umweltpreis bekommen, 2009 wurde der erste E-Firmenwagen angeschafft, 70 Prozent der Produkte sind nachfüllbar, 2018 bekam der „edding 24“ den Blauen Engel, vergangenes Jahr den Deutschen Nachhaltigkeitspreis und „edding EcoLine“ erneut die Auszeichnung als „grüne Marke“. Die Liste an Awards und Aktivitäten lässt sich lange fortsetzen. Kurzum: Edding ist ohnehin so etwas wie ein Nachhaltigkeits-Primus. Trotzdem hat die offizielle Verkündung, sich vom profitorientierten Unternehmen (for-profit) hin zu einem sinnökonomischen Unternehmen (profit-for) transformieren zu wollen, die internen Diskussionen verändert.
Das Unternehmen gerät in Bewegung, überall und schneller als gedacht
„Viele Kolleginnen und Kollegen fühlen sich nun noch mehr dazu berechtigt, Fragen zu stellen und Dinge zu tun, die sie vielleicht schon immer im Hinterkopf hatten, aber für die jetzt ganz klar das Ticket da ist, sie tatsächlich zu tun.“ Das fängt bei Kleinigkeiten an. Zum Beispiel, wenn Mitarbeitende anregen, dass die Bewegungsmelder auf dem Gelände nicht schon um 15 Uhr für Licht sorgen müssen. Oder wenn darüber diskutiert wird, ob bei der nächsten Veranstaltung aus ökologischer Sicht eigentlich eher Bananen oder Äpfel auf dem Buffet liegen sollten.
Während die großen Veränderungen – zum Beispiel, das Reporting auf neue Füße zu stellen – top down getrieben sind und Zeit brauchen, sorgen die Mitarbeitenden mit vielen Einzelinitiativen für eine positive Veränderung. „Man sieht in den kleinen Dingen, dass wir einen neuen Rahmen geschaffen haben. Ich bin fest davon überzeugt, dass das einer der entscheidenden Faktoren sein wird, mit dem wir unsere Kultur aufs nächste Level bringen – und das geht sehr viel schneller, als ich das gedacht hätte“, ist Per Ledermann überzeugt.
Derzeit reist die Führungscrew in einer Art Aufklärungs-Roadshow von Standort zu Standort, um allen Mitarbeitenden die neue Strategie zu erklären. Jede und jeder soll ermuntert werden, selbst zu schauen, wo Edding noch nachhaltiger werden kann. Auch hier, sagt Per Ledermann, gibt es positive Überraschungen „die dazu führen, dass man das eine oder andere Vorurteil bei sich selber noch mal hinterfragt“. So zeigten sich zum Beispiel die Kolleginnen und Kollegen am produktionslastigen Standort in Kolumbien als besonders motiviert und engagiert. Das Ziel, nachhaltiger zu werden, erweist sich als ein verbindendes Element – über Alters-, Landes, und Abteilungsgrenzen hinweg. Nicht auszuschließen, dass sich die neue Strategie zum Magneten für nachhaltig orientierten Nachwuchs entwickelt und Edding künftig im Wettbewerb um Talente einen Wettbewerbsvorteil verschafft.
Der finanzielle Erfolg bleibt existenziell wichtig
Auf größere Skepsis stößt die neue Strategie bei manchen Anlegern. Der Finanzvorstand, erzählt Per Ledermann, habe ein „sehr intensives Gespräch“ mit einem der größeren Aktionäre, einer Fondsgesellschaft, geführt. „Die fragen natürlich schon sehr genau nach, was unsere neue Strategie bedeutet, und ob sie mit geringeren Dividenden rechnen müssen.“
Das Misstrauen der Anleger dürfte sich auch an der Headline „edding: Umsatz und Gewinn sind uns nicht mehr so wichtig“ im Handelsblatt entzündet haben. Die Zeile führt in die Irre. Per Ledermann erklärt: „Wir sind der festen Überzeugung, dass der finanzielle Erfolg nicht nur notwendig ist, um weiter zu existieren, sondern auch, dass nachhaltiges Wirtschaften und ökonomischer Erfolg korrelieren. Unternehmen, die ihrer Verantwortung nicht nachkommen, werden auf Sicht auch ein ökonomisches Problem bekommen.“ Gegenüber dem Handelsblatt hatte Chief Business Officer Thorsten Streppelhoff bereits versichert, dass mit der neuen Profit-for-Strategie zum aktuellen Zeitpunkt keine strukturelle Kürzung oder ein Verzicht von Dividendenzahlungen verbunden ist.
Es ist eben ein anderes Verständnis von Wirtschaften. Wir glauben, dass Unternehmen eine Verantwortung haben, und die erfordert eine Veränderung.
Per Ledermann
Ja, an der einen oder anderen Stelle polarisiere die neue Strategie, und es gebe auch hier und da Polemik, räumt Per Ledermann ein, „das ist ja auch vollkommen okay, denn es ist eben ein anderes Verständnis von Wirtschaften. Wir glauben, dass Unternehmen eine Verantwortung haben, und die erfordert eine Veränderung. Aber trotzdem gibt es ja nun mal diese beiden Pole in der Diskussion, wo auch der eine oder andere sagt: Fokussiert euch bitte rein aufs Geldverdienen. Das ist euer Zweck. Nicht mehr und nicht weniger. Von dieser Meinungsvielfalt lebt unsere Demokratie.“
Die Führungsriege jedenfalls ist sich einig, was den neuen Fokus betrifft. Das sollte sie auch, denn Schwierigkeiten werden sich spätestens dann einstellen, wenn Maßnahmen schmerzhaft werden. Zum Beispiel, wenn gut laufende Produkte aus dem Sortiment genommen werden, weil sie nicht auf die Nachhaltigkeitsziele einzahlen. Oder wenn die neue Strategie Umsatzziele und somit Boni gefährdet. Schon jetzt muss bei Edding der eine oder andere Fan leistungsstarker Verbrennermotoren trocken schlucken: zwar gibt es eine großzügige Fuhrparkregelung, allerdings mit einer strikten Deckelung bei den CO2-Emissionen des Wunschfahrzeugs. Auch diese Dienstwagenregelung ist ein Beitrag zum großen Ziel, in den kommenden drei Jahren 3.000 Tonnen CO2 einzusparen.
Reduktion statt Kompensation lautet dabei die Devise: Um Emissionen – und auch Ressourcen – zu sparen, setzt das Unternehmen auf technische Innovationen. Dafür erhöht Edding Sach-und Investitionsbudgets und sucht zusätzliches Personal mit dem entsprechenden Know-how.
Auch in puncto sozialer Nachhaltigkeit hat sich das Unternehmen viel vorgenommen. Unter anderem übernimmt Edding ab 2024 die vertriebliche Verantwortung für das Schreibwarensortiment des B-Corp-Unternehmens Share. Jedes verkaufte Produkt unterstützt ein soziales Projekt weltweit. Ziel der „Social Impact Kooperation“: Kindern bis zum Jahr 2026 fünf Millionen Schulstunden zu ermöglichen.
„Einfach mal gucken, was passiert“
Wie Unternehmen anfangen sollten, wenn sie sich nachhaltiger aufstellen möchten? „Es ist sehr sinnvoll, erst einmal eine Ist-Erhebung zu machen und dann zu gucken, wo eigentlich die großen Hebel sind”, sagt Per Ledermann. Wir sind mit den Projekten gestartet, mit denen wir am günstigsten und einfachsten den größten Impact erzielen können. Darüber hinaus geht es darum, die Mitarbeitenden intern wirklich zu motivieren mitzumachen – und dann einfach mal zu gucken, was passiert, wenn man es wirklich ernst meint.“