Zusammenfassung
Aus Sicht des Arbeitnehmers kommt bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Zahlung einer Abfindung als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und des damit verbundenen sozialen Besitzstands eine ausschlaggebende Bedeutung zu. Wichtig – und für manchen Arbeitnehmer überraschend – ist aber: Einen Anspruch auf eine Abfindungszahlung – quasi einen "Abfindungsautomatismus" – gibt es im deutschen Arbeitsrecht nicht. Für den Regelfall bedarf es hier einer individualrechtlichen oder kollektivrechtlichen Vereinbarung (Aufhebungsvertrag, Tarifvertrag oder Sozialplan), die einen solchen Anspruch begründet.
Daneben bestehen wenige Ausnahmen, in denen der Gesetzgeber in genau definierten Einzelfällen dem Arbeitnehmer einen Abfindungsanspruch zuerkennt.
Ist eine Kündigung sozialwidrig und damit unwirksam, kann das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis gemäß §§ 9, 10 KSchG auf Antrag des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers gegen Zahlung einer Abfindung auflösen.
Für einen betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer besteht gemäß § 1a i. V. m. § 10 KSchG mit Ablauf der Kündigungsfrist ein Abfindungsanspruch, sofern der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung einen entsprechenden Hinweis gegeben und der Arbeitnehmer innerhalb der 3-Wochenfrist keine Kündigungsschutzklage erhoben hat.
Schließlich besteht ein betriebsverfassungsrechtlicher Abfindungsanspruch als sog. "Nachteilsausgleich" gemäß § 113 BetrVG i. V. m. § 10 KSchG, sofern der Arbeitgeber von einem Interessenausgleich ohne zwingenden Grund abweicht oder eine Betriebsänderung ohne hinreichende Bemühungen um einen Interessenausgleich durchführt.
Die Voraussetzungen für die Gewährung eines sog. "Nachteilsausgleichs" bei Betriebsänderungen und dessen Berechnung finden sich in § 113 BetrVG i. V. m. § 10 KSchG.
Die Bemessung der Abfindungshöhe gemäß § 113 Abs. 1 2. Halbsatz BetrVG i. V. m. § 10 KSchG hat unter Berücksichtigung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit zu erfolgen. Bei der Ermessensentscheidung sind die Arbeitsmarktchancen und das Ausmaß des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers zu beachten. Der Sanktionscharakter der Abfindung führt dazu, dass der Abfindungsanspruch nicht von dessen finanzieller oder individueller Leistungsfähigkeit abhängt.
Die Höhe des gesetzlichen Abfindungsanspruchs, welcher sich aus § 1a Abs. 2 KSchG ergeben würde, kann ebenfalls als Berechnungsgrundlage für die Höhe eines Abfindungsanspruchs als "Nachteilsausgleich" herangezogen werden.
Eine Sozialplanregelung, die zur Berechnung der Höhe einer Abfindung auf den "frühestmöglichen"Bezug einer gesetzlichen Rente abstellt, bewirkt eine mittelbare Benachteiligung schwerbehinderter Menschen und stellt damit einen Verstoß gegen § 75 BetrVG i. V. m. §§ 1, 3 Abs. 2 AGG dar.
Da schwerbehinderte Arbeitnehmer – im Gegensatz zu nicht behinderten – bereits mit 60 anstelle von 63 Jahren eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen können, fällt deren Absicherung niedriger aus.
1 Kollektivrechtliche Abfindungen
Die einzelvertragliche Aushandlung ist zwar ein häufiger, nicht aber der einzige Fall für die Entstehung eines arbeitnehmerseitigen Anspruchs auf Abfindungszahlung. Abfindungsansprüche können sich auch unmittelbar aus kollektivem Recht ergeben.
1.1 Tarifvertragliche Regelungen
Tarifliche Regelungen über die arbeitgeberseitige Verpflichtung zur Abfindungszahlung sind durchaus nicht selten. Zu denken ist etwa an Rationalisierungsschutzabkommen oder andere tarifliche Vereinbarungen, die quasi an die Stelle betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen durch einen Sozialplan treten. Hier werden – mit Billigung der an sich zuständigen Betriebsräte – Sozialpläne entweder ganz ersetzt oder zumindest gedeckelt.
Gewerkschaft oder Arbeitgeberverband befragen
Für den Rechtsanwender ist es häufig nicht leicht zu ermitteln, ob derartige Tarifregelungen bestehen. Hier hilft häufig nur eine Anfrage an die zuständige Gewerkschaft oder den zuständigen Arbeitgeberverband.
1.2 Sozialplanregelungen
Abfindungsregelungen stehen bei Sozialplänen häufig im Vordergrund. Problematisch ist dabei zumeist die Bemessung der Abfindungshöhe.
Häufig werden zur Bemessung der Abfindungshöhe die Kriterien Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Familienstand, Höhe der bisherigen Vergütung und Sonderleistungen für schwerbehinderte Menschen herangezogen. Oftmals erfolgt auch eine Orientierung an einem Punkteschema. Hinsichtlich der Abfindungshöhe gibt es im Übrigen keine verbindlichen Richtwerte. Insbesondere besteht keine Bindung an § 113 BetrVG ("Nachteilsausgleich"). Entscheidend für die Abfindungshöhe sind die sozialen Belange derArbeitnehmer und die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen.
Oftmals wird danach differenziert, welche konkreten Auswirkungen die Betriebsänderung für den einzelnen Arbeitnehmer hat (Verlust des Arbeitsplatzes, Umsetzung, Versetzung, Herabgruppierung etc.). ...