OFD Frankfurt, Verfügung v. 7.5.2010, S 7100 A - 204 - St 110
1. Besteuerung von Verzehrumsätzen
Mit Urteilen vom 10.8.2006, V R 55/04 (BStBl 2007 II S. 480) und vom 26.10.2006, V R 58, 59/04 (BStBl 2007 II S. 487) hat der BFH entschieden, der Wortlaut des § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG (in der bis zum 28.12.2007 gültigen Fassung) sei nicht in vollem Umfang gemeinschaftsrechtskonform, weil danach unter Umständen zu Unrecht Lieferungen in sonstige Leistungen umqualifiziert würden.
Vor dem Hintergrund der EuGH-Urteile vom 2.5.1996, Rs. C-231/94 und vom 10.3.2005, Rs. C-491/03 müsse jedoch für jeden einzelnen Umsatz entschieden werden, ob das Lieferelement oder das Element der sonstigen Leistungen überwiegt.
Der Gesetzgeber hat daraus die Konsequenzen gezogen und mit Art. 8 Nr. 3 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 des Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008)
- § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG, der die Abgabe der von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle als sonstige Leistungen definierte und
- § 3 Abs. 9 Satz 5 UStG, der bestimmte, unter welchen Voraussetzungen von einer Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle auszugehen war, mit Wirkung vom 29.12.2007 an aufgehoben.
Hinweise zur Besteuerung von Verzehrumsätzen ergeben sich aus dem BMF-Schreiben vom 16.10.2008 (IV B 8 – S 7100/07/10050, BStBl 2008 I S. 949). Zur Klarstellung weise ich auf Folgendes hin:
2. Neuere BFH-Rechtsprechung
2.1 „Essen auf Rädern”
Die Abgabe von Speisen durch einen Mahlzeitendienst, der Mittagessen auf eigenem Geschirr an Einzelabnehmer in deren Wohnung ausgibt und das Geschirr reinigt, unterliegt als sonstige Leistung (Dienstleistung) dem Regelsteuersatz, BFH-Urteil vom 10.8.2006, V R 55/04 (BStBl 2007 II S. 480).
2.2 „Schulspeisung”
Wenn im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das Dienstleistungselement im Sinne einer Bewirtungssituation überwiegt, liegt eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung und keine Lieferung von Speisen vor, BFH-Urteil vom 10.8.2006, V R 38/05 (BStBl 2007 II S. 482).
Dies ist bei der Abgabe von warmen Mittagessen an Schüler insbesondere dann der Fall, wenn der Unternehmer nach dem Essen die Tische und das Geschirr abräumt und reinigt.
2.3 „Imbisswagen”
Die Abgabe von fertig zubereiteten Speisen aus einem Imbisswagen unterliegt als Dienstleistung dem Regelsteuersatz, wenn aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers das Dienstleistungselement der Speisenabgabe überwiegt, BFH-Urteil vom 26.10.2006, V R 58, 59/04 (BStBl 2007 II S. 487).
Dagegen ist die bloße Abgabe von fertig zubereiteten Speisen aus einem Imbisswagen „zum Mitnehmen” eine nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt zu besteuernde Lieferung.
Wird dem Kunden eine Infrastruktur bestehend aus Tischen, Bänken und Stühlen (sog. Bierzeltgarnituren) – auch unter Hilfe der Standnachbarn – zur Verfügung gestellt, liegt eine nicht begünstigte sonstige Leistung vor. Dies gilt jedoch nicht, soweit diese Verzehreinrichtungen tatsächlich nicht genutzt werden.
Bei der Beurteilung, ob das Dienstleistungselement bei der Abgabe von fertig zubereiteten Speisen überwiegt, sind nur solche Dienstleistungen zu berücksichtigen, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind.
3. Abgrenzung Lieferung / sonstige Leistung bei Verzehrumsätzen
Bei Verzehrumsätzen richtet sich die Abgrenzung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen entsprechend der o.a. neueren Rechtsprechung des BFH nach dem allgemeinen umsatzsteuerrechtlichen Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung (siehe Abschn. 25 Abs. 1 Satz 1 UStR):
- Überwiegen die Lieferelemente qualitativ, handelt es sich insgesamt um eine Lieferung (§ 3 Abs. 1 UStG) von Nahrungsmitteln, die unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
- Bei einem qualitativen Überwiegen von Dienstleistungselementen ist hingegen insgesamt eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG) anzunehmen, die mit dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG zu besteuern ist (Restaurationsleistung).
Dabei ist der wirtschaftliche Gehalt der Leistung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Hierbei sind nur solche Dienstleistungen zu berücksichtigen, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung eines Gegenstandes verbunden sind (BMF-Schreiben vom 16.10.2008, a.a.O.).
Kurzschema Einteilung in ermäßigter und Regel-Steuersatz:
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Zubereitung und Abgabe von Speisen |
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ohne Nebenleistung |
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ermäßigter Steuersatz |
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zuzüglich Zurverfügungstellung von Einweggeschirr, Abfalleimern, Erstellung eines Speiseplans |
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zuzüglich Vorhandensein von Verzehreinrichtungen und deren tatsächliche Nutzung |
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zuzüglich Ausgabe der Speisen Gestellung von Bedienpersonal |
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Regelsteuersatz |
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zuzüglich Reinigung des Geschirrs |
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