Umsatzsteuer bei der Abgabe von Speisen in einem sog. Food-Court
Hintergrund: Fast-Food-Restaurant in einem Einkaufszentrum mit gemeinsamem Verzehrbereich
Die X eröffnete in 2011 eine neue Filiale ihrer Fast-Food-Restaurants. Die vorgefertigten Speisen werden über eine Verkaufstheke in Einwegverpackungen abgegeben und können in dem sog. "Food-Court" (ein für die Kunden des Einkaufszentrums eingerichteter gemeinsamer Sitz- und Verzehrbereich) eingenommen werden. Die Kosten für den Food-Court werden von den Mietern des Zentrums anteilig getragen.
X ging davon aus, ihre Umsätze unterlägen dem ermäßigten Steuersatz für Lieferungen (Speisen zum Mitnehmen) nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG (i.V.m. Anlage 2 zum UStG). Das FA nahm dagegen sonstige Leistungen zum Regelsteuersatz an. Denn X habe mit der Zurverfügungstellung von Sitzgelegenheiten in dem Gemeinschaftsbereich eine Dienstleistung erbracht.
Das FG bestätigte die Auffassung des FA und wies die Klage ab. X habe vertraglich ein Mitbenutzungsrecht an den Verzehreinrichtungen zugestanden.
Entscheidung: Die Sicht des Durchschnittsverbrauchers ist entscheidend
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Zwar hat das FG zutreffend entschieden, dass es für die Annahme einer sonstigen Leistung bei der Abgabe von Speisen auf zusätzliche Dienstleistungselemente ankommt (z.B. die Nutzung von Tischen und Sitzgelegenheiten). Ebenso zutreffend hat das FG entschieden, dass die X an der Verschaffung derartiger Dienstleistungselemente mitgewirkt hat. Allerdings hat das FG dabei nicht hinreichend auf die maßgebliche Sichtweise des Durchschnittsverbrauchers abgestellt.
Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung in der Gastronomie
Das bloße Vorhandensein von Mobiliar genügt nicht für die Annahme einer Dienstleistung. Zu berücksichtigen sind nur Verzehrvorrichtungen, die vom Leistenden ausschließlich dazu bestimmt sind, den Verzehr zu erleichtern (BFH v. 3.8.2017, V R 15/17, BFH/NV 2017, 1572, sog. Wiesenbrezn-Urteil; BFH v. v. 30.6.2011, V R 18/10, BStBl II 2013, 246). Geringfügige Dienstleistungsanteile genügen dafür nicht. Der EuGH hat dazu zuletzt entschieden, dass die Abgabe von Speisen unter den Begriff "Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen" (Art. 6 Abs. 1 MwStVO) fällt, wenn sie mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen einhergeht, die deren sofortigen Verzehr durch den Endkunden ermöglichen sollen. Entscheidet sich der Endkunde dafür, diese ihm neben dem Verzehr angeboten Mittel nicht in Anspruch zu nehmen, ist davon auszugehen, dass keine unterstützende Dienstleistung mit der Abgabe dieser Speisen einhergeht (EuGH-Urteil Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach v. 22.4.2021, C-703/19, EU:C:2021:314).
Abgrenzung bei Nutzung eines Food-Courts
Hiervon ausgehend kann die Nutzung eines Food-Courts als überwiegendes Dienstleistungselement zu einer sonstigen Leistung führen, wenn die Einräumung dieser Nutzungsmöglichkeit dem Speisenanbieter zuzurechnen ist. Das ist vorliegend der Fall. Die X muss sich die durch die Nutzung des Food-Courts ergebenden Dienstleistungselemente zurechnen lassen. Denn X hatte aufgrund ihres Mietvertrags einen Anspruch auf die Benutzung des Food-Courts durch ihre Kunden. Damit wirkt sie an der Verschaffung dieser Dienstleistungselemente zugunsten ihrer Kunden mit. Demzufolge handelt es sich nicht mehr um fremde Einrichtungen eines Dritten (BFH v. 3.8.2017, V R 15/17, BFH/NV 2017, 1572).
Sicht des Durchschnittsverbrauchers
Für die Zurechnung des Food-Courts zum leistenden Unternehmer genügt es, dass der Durchschnittsverbraucher davon ausgehen kann, dass er als Kunde der X zur Nutzung des Food-Courts berechtigt ist. Dazu kann die Ausgabe der Speisen mit einem Tablett ausreichen, da dieses typischerweise dazu dient, die Speisen zu dem Food-Court zu bringen und dort an einem Tisch zu verzehren. Aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers bezieht sich die Leistung dann nicht auf die bloße Abgabe am Verkaufstresen, sondern schließt als weitergehenden Vorgang den Verzehr in unmittelbarer Nähe zur Ausgabestelle mit ein. Für die Annahme materieller und personeller Mittel, die dem Kunden vom Steuerpflichtigen (hier der X) angeboten werden (EuGH-Urteil Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, v. 22.4.2021, C-703/19, EU:C:2021:314) reicht dies aus.
Zurückverweisung an das FG
Aus Sicht des Durchschnittsverbrauches ist die Möglichkeit der Mitnahme der Speisen auf einem Tablett zum Verzehrbereich ein Indiz dafür, dass die X daran mitwirkte, den Kunden die Nutzung des Food-Courts einzuräumen. Das FG hat allerdings zu den Umständen im Zusammenhang mit der Tablett-Nutzung keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Möglicherweise ergab sich aus Sicht der Kunden nicht, dass ihnen die Nutzungsmöglichkeit am Food-Court durch X eingeräumt wurde. Bei Speisenabgaben außerhalb der Öffnungszeiten des Food-Courts kann jedenfalls (mangels Nutzung des Food-Courts) keine sonstige Leistung vorliegen. Im Übrigen wird das FG die Schätzung der Aufteilung nach Kunden, die den Food-Court nutzten bzw. nicht nutzten und insoweit keine unterstützende Dienstleistung in Anspruch nahmen, präzisieren müssen.
Hinweis: Geänderte Rechtsprechung
Nach der früheren Rechtsprechung konnten Verzehrvorrichtungen eines Dritten berücksichtigt werden, wenn diese auch im Interesse des leistenden Unternehmers zur Verfügung gestellt wurden (BFH v. 30.6.2011, V R 18/10, BStBl II 2013, 246, Rz 32). Diese Rechtsprechung ist überholt. Dementsprechend ist die Gestellung von Geschirr und Besteck durch einen anderen Unternehmer grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (BFH v. 30.6.2011, V R 18/10, 566, Rz 17, unter Bezugnahme auf BFH v. 11.4.2013, V R 28/12, BFH/NV 2013, 1638, Rz 25). Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers der leistende Unternehmer entsprechende Vorkehrungen bereitstellt.
BFH Urteil vom 26.08.2021 - V R 42/20 (veröffentlicht am 02.12.2021)
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