Leitsatz
1. Die Abgabe von Speisen durch einen Mahlzeitendienst, der Mittagessen auf eigenem Geschirr an Einzelabnehmer in deren Wohnung ausgibt und das Geschirr endreinigt, unterliegt als sonstige Leistung (Dienstleistung) dem Regelsteuersatz.
2. Bei der Beurteilung, ob das Dienstleistungselement der Abgabe von fertig zubereiteten Speisen das Lieferelement qualitativ überwiegt, sind nur solche Dienstleistungen zu berücksichtigen, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind.
3. Der Wortlaut des § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG ist nicht in vollem Umfang gemeinschaftsrechtskonform.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 9 UStG, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb einen "Mahlzeitendienst"; sie kaufte fertig zubereitete Speisen (Mittagessen), gab diese Speisen portioniert auf eigenem Geschirr ohne Besteck an Einzelabnehmer in deren Wohnung aus, ließ das vorgereinigte Geschirr abholen und reinigte es selbst.
FA und FG beurteilten das Ganze nicht als Lieferung von Speisen.
Entscheidung
Das FG hatte den Streitfall dahin gehend gewürdigt, dass die Leistungen der Klägerin einen restaurationsartigen Charakter hätten und damit als sonstige Leistung zu beurteilen seien. Die Klägerin liefere im Rahmen des Mahlzeitendiensts nicht lediglich verzehrfertige Speisen in entsprechenden Behältnissen und Warmhaltevorrichtungen. Die Abgabe der Mahlzeiten (Portionieren auf Geschirr, Anliefern in – nicht lediglich an – die Wohnung der Abnehmer, Mitnehmen des Geschirrs vom Vortag und dessen Endreinigung) erfolge in einer Art und Weise, wie sie für einen Restaurationsbetrieb typisch sei. Dienstleistungen anderer Unternehmer seien dem leistenden Unternehmer zuzurechnen, wenn sie – wie hier – in den folgenden Leistungsaustausch eingeschlossen seien.
Die Würdigung des FG steht nach Ansicht des BFH in Einklang mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des EuGH (– Hermann –, insbesondere den Rd.Nrn. 22, 26 und 27). Die Klägerin habe insbesondere die "Darbietung in einem geeigneten Gefäß" und die "Reinigung nach dem Verzehr" übernommen, nämlich die warmen Mahlzeiten auf eigenen Tellern bereitgestellt sowie die Teller wieder abgeholt und endgereinigt. Dies reicht für die Annahme einer sonstigen Leistung aus.
Hinweis
1. Die Frage, ob Speisen und Getränke "zum Verzehr an Ort und Stelle" (§ 3 Abs. 9 UStG) abgegeben werden, scheint unerschöpflich. Mit zwei Entscheidungen hat sich der BFH mit Thema Lieferung von Speisen und Getränken als Restaurationsumsatz – präziser sonstigen Leistung – befasst. Weil die Lebenssachverhalte so vielschichtig sind und die Erhöhung der Steuersätze dramatischere Auswirkung hat, ist Vorsicht geboten, denn Fehlbeurteilungen lassen sich im Nachhinein für den Unternehmer i.d.R. nicht erfolgswirksam umlegen. Bei der Beratung sollten Sie deshalb auf diese Grundsätze hinweisen.
2. Die 6. EG-RL unterscheidet nur danach, ob eine Lieferung oder eine Dienstleistung vorliegt, und der EuGH entschied hierzu: Ob bestimmte Umsätze Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen sind, richtet sich nach ihrem Wesen. Dieses ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln; bei den Grenzfällen sind i.d.R. die Meinungen geteilt. § 3 Abs. 9 UStG ist nicht in vollem Umfang richtlinienkonform, denn wie sich aus Rd.Nr. 23 des EuGH-Urteils vom 10.3.2005, Rs. C-491/03 – Hermann – ergibt, ist nicht jede Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle eine Dienstleistung.
3. Für ein Restaurant auf einem Schiff hatte der EuGH zunächst – fallbezogen – Kriterien für die Abgrenzung entwickelt: Die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr ist das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen. Der Restaurationsumsatz ist durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen. Etwas anderes gilt, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel "zum Mitnehmen" bezieht und daneben keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen.
Für eine Art Besenwirtschaft im Zusammenhang mit der Getränkesteuer (EuGH vom 10.3.2005, Rs. C-491/03 – Herrmann –) hat er präzisiert: Da die Vermarktung eines Gegenstands immer mit einer minimalen Dienstleistung, wie dem Darbieten der Waren in Regalen, dem Ausstellen einer Rechnung usw., verbunden ist, können bei der Beurteilung des Dienstleistungsanteils an der Gesamtheit eines komplexen Geschäfts, zu dem auch die Lieferung eines Gegenstands gehört, nur die Dienstleistungen berücksichtigt werden, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung eines Gegenstands verbunden sind. Es lässt sich nicht allgemein sagen, dass bei allen Vorgängen das Dienstleistungselement immer überwiegen wird. Deshalb ist für jeden besteuerten Umsatz festzustellen, welches das überwiegende Element ist.
So ist...