Leitsatz
Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende unternehmerische wirtschaftliche Tätigkeit setzt gegenüber einer privaten Sammlertätigkeit (hier: beim Aufbau einer Fahrzeugsammlung und ihrer museumsartigen Einlagerung in einer Tiefgarage) voraus, dass sich der Sammler bereits während des Aufbaus der Sammlung wie ein Händler verhält (Bestätigung der BFH-Urteile vom 29.06.1987, X R 23/82, Haufe-Index 61710, BStBl II 1987, 744 und vom 16.07.1987, X R 48/82, Haufe-Index 61707, BStBl II 1987, 752).
Normenkette
§ 174 Abs. 3 AO, § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG 1980
Sachverhalt
Eine 1986 mit dem Zweck "Ankauf von klassischen Fahrzeugen aller Art, deren Einlagerung zum Zweck der Wertsteigerung und deren Weiterverkauf nach einem Zeitraum von 20 bis 30 Jahren" 1986 gegründete GmbH erwarb in den Streitjahren 126 Fahrzeuge (70 % hochwertige Neufahrzeuge/30 % Oldtimer), die museumsartig in einer Tiefgarage aufgestellt waren. Die GmbH begehrte vergeblich den Vorsteuerabzug. Das FG gab der Klage statt; es handele sich um eine hochspekulative Geschäftsidee, die nur aufgrund der Kapitalkraft des Firmeninhabers möglich gewesen sei (Hessisches FG, Urteil vom 22.04.2009, 6 K 2821/02, Haufe-Index 2212932).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte Erfolg. Im Streitfall fehlten schon Anhaltspunkte für eine werbende Tätigkeit der GmbH; eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen durch den Verkauf von neuen Kfzs nach einer Einlagerung von 20 bis 30 Jahren ist schwer zu vermitteln. Ähnliches gilt für eine beabsichtigte nachhaltige Untätigkeit beim Erwerb von Oldtimern. Dass die Aufforstung im Rahmen der forstwirtschaftlichen Tätigkeit in anderen zeitlichen Dimensionen zu beurteilen ist als der Erwerb von Kraftfahrzeugen, bedarf eigentlich keiner Erläuterung. Die nachhaltige Veräußerung von Liebhabergegenständen bei eBay betrifft die Revision V R 2/11.
Hinweis
1. Der Vorsteuerabzug setzt einen Leistungsbezug "für das Unternehmen" voraus, d.h. für die (beabsichtigte) Verwendung für eine nachhaltige und gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit. Kann ein Gegenstand seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten Zwecken verwendet werden, sind alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird. Bei Wirtschaftsgütern, die im Wesentlichen einen Liebhaberwert verkörpern (wie z.B. Briefmarken, Münzen, Porzellan, Kunstwerke), stellt sich die Frage, ob eine "wirtschaftliche Tätigkeit" vorliegt, i.d.R. erst bei umfangreicheren und daher "auffälligen" Verkäufen. Zur Abgrenzung, ob lediglich aus privaten Neigungen eine Sammlung aufgebaut wird und diese oder Teile davon später veräußert werden, hat der BFH bei der Beurteilung der Verkäufe darauf abgestellt, ob die äußeren Umstände beim Ankauf und Verkauf von Gegenständen der betreffenden Art der eines Händlers entsprechen. Denn weil das Bessere des Guten Feind ist, trennt sich i.d.R. auch ein Sammler gelegentlich wieder von einzelnen Stücken.
2. Diese Grundsätze sind auch beim Kauf von Gegenständen mit Liebhaberwert zu beachten, auch wenn – wie im Streitfall – die Tätigkeit einer GmbH zu beurteilen ist. Entscheidend ist, ob die (beabsichtigte) Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, z.B. eines Händlers, Güterproduzenten etc., entspricht und einer privaten Sammlertätigkeit oder Vermögensverwaltung fremd ist. Ist der Verkauf der erworbenen Gegenstände der zur Erzielung von Einnahmen erklärte Zweck (im Streitfall: Erwerb und Verkauf hochwertiger Neufahrzeuge und Oldtimer), kommt es auf die Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit eines Händlers von Gegenständen der betreffenden Art an. Händlertätigkeit ist gekennzeichnet durch die wiederholte Anschaffung und Veräußerung von Wirtschaftsgütern im Sinn eines marktmäßigen Umschlags von Sachwerten. Es bedarf daher ausreichender Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass die betreffenden Gegenstände angeschafft wurden, um sie – wie ein Händler – planmäßig und alsbald zu veräußern.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.01.2011 – V R 21/09