Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
1. Wirtschaftsgüter, die zum Zweck der dauerhaften Einbindung in einen bereits bestehenden Geschäftsbetrieb erworben werden, sind – vorbehaltlich eines Gestaltungsmissbrauchs – auch dann im Anlagevermögen auszuweisen, wenn die gesamte organisatorische Einheit (Betrieb einschließlich erworbener Wirtschaftsgüter) kurze Zeit später mit der Absicht ihrer Weiterführung veräußert wird.
2. Gleiches gilt, wenn der Betrieb zwar aufgrund des Zurückbehalts wesentlichen Sonderbetriebsvermögens (hier: Grundstücke) i.S.v. § 16 Abs. 3 EStG aufgegeben, durch dessen Vermietung an den Betriebserwerber die fortdauernde Funktionsfähigkeit der bisherigen unternehmerischen Einheit jedoch sichergestellt wird.
3. Die Anweisung in R 44 Abs. 2 Satz 3 EStR 2003 zur Inanspruchnahme von Halbjahresabschreibungen für vor dem 1.1.2004 erworbene (oder hergestellte) bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bindet die Gerichte nicht, wenn sie zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde (hier: Minderung des laufenden Gewinns zugunsten eines höheren Veräußerungs- oder Aufgabengewinns).
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 7 Abs. 1, § 16 EStG, § 247 Abs. 2 HGB
Sachverhalt
Die Kommanditisten einer KG und alleinigen Anteilseigner der Komplementär-GmbH hatten im Dezember 1985 die GmbH-Anteile veräußert und vereinbart, dass der Geschäftsbetrieb der KG am 2.1.1986 an die GmbH veräußert werden sollte. Mitveräußert werden sollten auch bisher geleaste Maschinen, die die KG noch im Dezember 1985 erworben hat. Der Kaufpreis für die Maschinen wurde über den Kaufpreis für das Unternehmen finanziert.
In ihrer Bilanz zum 31.12.1985 hatte die KG die Maschinen als Anlagevermögen ausgewiesen und hierauf unter Bezugnahme auf Abschn. 43 Abs. 7 Satz 3 EStR eine degressive Halbjahres-AfA nach § 7 Abs. 2 EStG vorgenommen. Demgegenüber vertrat das FA die Ansicht, dass die Maschinen Umlaufvermögen geworden und AfA deshalb nicht zulässig seien; zudem liege ein Gestaltungsmissbrauch vor. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Die geleasten Wirtschaftsgüter seien unabhängig davon, dass sie im zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung erworben und wieder veräußert worden seien, Anlagevermögen geworden; sie seien Teil der organisatorischen Einheit des Betriebs geworden und dies auch beim Erwerber geblieben. Allerdings sei noch zu klären ob die KG tatsächlich wirtschaftliche Eigentümerin geworden sei und ob nicht doch ein Gestaltungsmissbrauch vorgelegen habe (hier: Minderung des laufenden Gewinns zugunsten des tarifbegünstigten Veräußerungsgewinns).
Jedenfalls aber könnte die KG nicht die Halbjahres-AfA nach Abschn. 43 Abs. 7 Satz 3 EStR 1984 in Anspruch nehmen. Denn diese Vereinfachungsregelung sei hier wegen des offensichtlich unzutreffenden Besteuerungsergebnisses nicht anzuwenden.
Hinweis
AfA nach § 7 EStG können nur für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens geltend gemacht werden, also nur für Wirtschaftsgüter, die dafür bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (§ 247 Abs. 1 HGB und ständige BFH-Rechtsprechung). Dagegen kann der Steuerpflichtige für Umlaufvermögen, zu dem nach der ständigen Rechtsprechung des BFH diejenigen Wirtschaftsgüter gehören, die entweder zum Verbrauch oder zur sofortigen Veräußerung bereitgehalten werden (vgl. etwa BFH, Urteil vom 25.10.2001, IV R 47, 48/00, BFH-PR 2002, 57), keine AfA in Anspruch nehmen. Im Streitfall ging es um die Frage, ob diese Definition des Umlaufvermögens auch dann heranzuziehen ist, wenn die unstreitig zum Anlagevermögen gehörenden Wirtschaftsgüter (hier die geleasten und erworbenen Maschinen) nur deshalb angekauft wurden, um sie anschließend im Rahmen einer Betriebsveräußerung dem Erwerber mitzuverkaufen.
Am Beispiel dieses Falls zeigt sich, dass die Abgrenzung zwischen Umlaufvermögen und Anlagevermögen – beides Begriffe, die im EStG nicht näher und auch im HGB (§ 247 Abs. 1 und Abs. 2 HGB) nur unvollkommen definiert sind – einer weiteren Konkretisierung bedarf. Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens werden nicht schon dadurch zum Umlaufvermögen, dass sie in Kürze veräußert werden sollen. Nichts anderes kann dann aber für den Fall gelten, dass bisher wie Anlagevermögen genutzte Wirtschaftsgüter erworben und zusammen mit dem übrigen Betrieb an den Erwerber veräußert werden. Entscheidend ist, dass die veräußerten Wirtschaftsgüter eine organisatorische Einheit bilden, die vom Erwerber als solche fortgeführt wird.
Die Ausführungen des Urteils zur Einschränkung der Regelung in Abschn. 43 Abs. 7 Satz 3 der EStR, nach der im zweiten Halbjahr eines Wirtschaftsjahrs angeschaffte Wirtschaftsgüter mit der Hälfte der Jahres-AfA angesetzt werden können, sind überholt; § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG in der ab dem 1.1.2004 geltenden Fassung lässt die Halbjahres-AfA nicht mehr zu. Die Ausführungen des BFH zur Einschränkung der Richtlinienregelung sind aber auch weiterhin insoweit von Bedeutung, als sie die begrenzte Reichweite v...