LfSt Rheinland-Pfalz v. 2.3.2015, S 0450 A - St 35 8
1. Allgemeines
Besteht zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen Streit über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, entscheidet die Finanzbehörde nach § 218 Abs. 2 AO durch Abrechnungsbescheid (BFH-Urteil vom 12.6.1986, BStBl 1986 II S. 702 und BFH-Beschluss vom 17.9.1998, BFH/NV 1999 S. 440). Der Abrechnungsbescheid ergeht im Steuererhebungsverfahren.
Die Entscheidung durch Abrechnungsbescheid kommt insbesondere in Betracht, wenn Streit besteht über die Frage, ob und inwieweit
- ein Anspruch durch Zahlung erloschen ist (BFH-Urteil vom 13.1.2000, BStBl 2000 II S. 246)
- ein Rückforderungsanspruch aus fehlgeleiteter Zahlung besteht (BFH-Urteil vom 18.6.1986, BStBl 1986 II S. 704)
- ein Anspruch durch Aufrechnung erloschen ist (BFH-Urteil vom 2.4.1987, BStBl 1987 II S. 536)
- ein durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zuerkannter Erstattungsanspruch besteht. Gegenstand der Entscheidung kann auch die Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sein (BFH-Urteil vom 14.7.1987, BStBl 1987 II S. 802) sowie die Wirksamkeit der Anzeige einer Abtretung von Steuererstattungs- und Steuervergütungsansprüchen (vgl. Tz. 4.2 der AO-Kartei, § 46 Karte 2).
- auf die festgesetzte Steuerschuld Steuerabzugsbeträge und Vorauszahlungen anzurechnen sind (vgl. AO-Kartei, § 218 Karte 2; BFH-Urteile vom 5.5.1993, BFH/NV 1994 S. 862 und 26.11.1997, BFH/NV 1998 S. 581); die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen im Zusammenhang mit der Steuerfestsetzung ist noch kein Abrechnungsbescheid im Sinne des § 218 Abs. 2 AO (BFH-Urteil vom 17.9.1998, a.a.O.)
- Säumniszuschläge entstanden sind (BFH-Urteil vom 8.11.1989, BFH/NV 1990 S. 546 und vom 12.8.1999, BStBl 1999 II S. 751)
- ein Anspruch durch Zahlungsverjährung erloschen ist (BFH-Urteil vom 8.1.1998, BFH/NV 1998 S. 686).
2. Voraussetzungen für die Erteilung eines Abrechnungsbescheids
Ein Abrechnungsbescheid soll in der Regel nur auf Antrag erlassen werden.
Werden Einwendungen gegen eine Aufrechnungserklärung als Einspruch bezeichnet, so ist dieser in einen Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids umzudeuten (BFH-Urteil vom 2.4.1987, a.a.O.).
Ein Abrechnungsbescheid soll erst erlassen werden, wenn der Streit nicht anderweitig (z.B. durch mündliche oder schriftliche Erörterung) beigelegt werden kann. Ein dem Steuerpflichtigen übersandter Kontoauszug ist kein Abrechnungsbescheid, sondern lediglich eine Kassenmitteilung.
Zur Rückforderung fehlerhaft erstatteter Beträge ist ein Abrechnungsbescheid von Amts wegen zu erteilen. Die AO sieht kein besonderes Festsetzungsverfahren (keinen besonderen Verwaltungsakt) zur Geltendmachung des sich unmittelbar aus der ungerechtfertigten Auszahlung des betreffenden Betrags ergebenden und nach § 38 AO mit dem Zeitpunkt der ungerechtfertigten Auszahlung entstehenden Rückforderungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO vor. Der Rückforderungsbescheid in Gestalt des Abrechnungsbescheids darf in diesen Fällen schon erlassen werden, bevor Streit über die Ansprüche entstanden ist (BFH-Urteile vom 18.6.1986, a.a.O. und vom 25.2.1992, BStBl 1992 II S. 713).
3. Form und Inhalt des Abrechnungsbescheids
Der Abrechnungsbescheid ist schriftlich zu erteilen; er soll im Hinblick auf § 356 AO mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen werden. Zustellung (§ 122 Abs. 5 AO) ist nicht erforderlich.
Adressat des Abrechnungsbescheids ist der an dem Steuerschuldverhältnis beteiligte Steuerpflichtige, bei Abtretung, Verpfändung und Pfändung (auch) der aus diesem Rechtsverhältnis berechtigte Dritte (BFH-Urteil vom 14.7.1987, a.a.O.), oder ein anderer, der zu Unrecht eine Erstattung erhalten hat.
Abrechnungsbescheide für zusammenveranlagte Ehegatten und eingetragene Lebenspartner können in einer Verfügung zusammengefasst werden, soweit hierdurch das Bestimmtheitsgebot des § 119 AO nicht verletzt wird (BFH-Urteil vom 6.2.1990, BFH/NV 1991 S. 3).
Für die wirksame Bekanntgabe an beide Ehegatten ist grundsätzlich ausreichend, wenn ihnen eine Ausfertigung des Abrechnungsbescheids an die gemeinsame Anschrift übermittelt wird (§ 122 Abs. 7 Satz 1 AO). Eine Einzelbekanntgabe ist nur erforderlich, wenn die Eheleute dies beantragen oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen den Eheleuten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen (§ 122 Abs. 7 Satz 2 AO).
Nach dem Wortlaut des § 122 Abs. 7 AO in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung steuerlicher Regelungen an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2014 (BGBl 2014 I S. 1042) können nunmehr auch Verwaltungsakte, die Lebenspartner oder Lebenspartner mit ihren Kindern betreffen, in einer Ausfertigung an die gemeinsame Anschrift der Betroffenen übermittelt werden. § 122 Abs. 7 AO (neu) gilt in dieser Fassung für alle nach dem 23.7.2014 erlassenen Verwaltungsakte. Die UNIFA-Vorlage „Lebenspartner Vollmacht mit Rückantwort” wird zeitnah aus „Allgemein” gelöscht.
In den Fällen der Bekanntgabe an einen gemeinsamen ...