FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlaß v. 14.6.2011, S 0361
1. Grundsatz:
Feststellung von Einkünften mit steuerlicher Bedeutung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO
Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO werden die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen in Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen zuzurechnen sind.
Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO ohne Bedeutung für die Steuerfestsetzung sind unzulässig (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23.10.1991, I R 86/89, BStBl 1992 II S. 185). Denn die gesonderte Feststellung ist kein Selbstzweck, sondern soll die Durchführung des Besteuerungsverfahrens erleichtern. Wenn also unstreitig feststeht, dass die Beteiligten mit den erzielten Einkünften nicht einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtig sind, liegen die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung nicht vor. Einkünfte bzw. Besteuerungsgrundlagen haben z.B. dann für die Steuerfestsetzung keine Bedeutung, wenn sie nicht in die Veranlagung aufzunehmen sind, weil die Steuer durch den Steuerabzug abgegolten ist (Beispiel: Abgeltung der Steuer durch Steuerabzug nach § 50a EStG).
2. Ausnahme:
Absehen von der gesonderten und einheitlichen Feststellung in Fällen geringer Bedeutung
Nach § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO gilt § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO jedoch nicht, wenn es sich um einen Fall von geringer Bedeutung handelt, insbesondere weil die Höhe des festgestellten Betrages und die Aufteilung feststehen. Bei einem Fall von geringer Bedeutung ist deshalb trotz steuerlicher Bedeutung (vgl. Tz. 1) kein einheitliches Feststellungsverfahren durchzuführen.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Fall von geringer Bedeutung nur in eindeutig einfachen Fällen anzunehmen, d.h. wenn es sich um einen leicht überschaubaren Sachverhalt handelt, die Ermittlung der Einkünfte hinsichtlich Höhe und Zurechnung verhältnismäßig einfach und die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nahezu ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 12.11.1985, IX R 85/82, BStBl 1986 II S. 239).
Ein Fall von geringer Bedeutung liegt danach zum Beispiel regelmäßig dann vor, wenn
- Ehegatten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen und die Ermittlung der gemeinsamen Einkünfte auf einem leicht überschaubaren Vorgang mit problemloser Aufteilung nach einem einfachen Verteilungsschlüssel beruht;
- ein Beteiligungsverhältnis nur kurze Zeit bestanden und sich in einem leicht überschaubaren Vorgang erschöpft hat, der hinsichtlich der Einkünfteermittlung und -verteilung keine Schwierigkeiten bietet (BFH-Urteil vom 26.10.1971, VIII R 137/70, BStBl 1972 II S. 215).
Um einen Fall von geringer Bedeutung handelt es sich hingegen zum Beispiel dann nicht, wenn
- der Fall komplizierte Rechtsfragen aufwirft;
- zwischen der Finanzbehörde und den Beteiligten Streit über die Höhe des festzustellenden Betrages und/oder der Aufteilung besteht (BFH-Urteil vom 23.4.1985, IX R 33/80, BFH/NV 1986 S. 319);
- zweifelhaft ist, ob überhaupt einkommensteuerpflichtige Einkünfte vorliegen, an denen mehrere Personen beteiligt sind bzw. die mehreren Personen zuzurechnen sind, oder zweifelhaft ist, ob für diese Personen überhaupt eine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt werden darf (BFH-Urteil vom 12.11.1985, a.a.O.);
- bei den gemeinschaftlichen Einkünften von Ehegatten über die Abgrenzung verschiedener Einkunftsarten, – z.B. über das Bestehen eines gewerblichen Grundstückshandels oder das Vorliegen von Überschusseinkünften –, zu entscheiden ist (BFH-Urteil vom 1.2.1989, VIII R 49/84, BFH/NV 1990 S. 6);
- es um die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen und deren Abgrenzung zwischen mehreren Veranlagungszeiträumen aufgrund eines nicht ohne Schwierigkeiten zu überblickenden Sachverhalts, – z.B. die Behandlung einer sich auf Jahre erstreckenden Leibrentenverpflichtung –, geht (BFH-Urteil vom 31.7.1990, I R 3/90, BFH/NV 1991 S. 285);
- zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die Einkünfte teilweise einem Nießbraucher zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 22.2.1994, IX R 141/90, BFH/NV 1994 S. 866);
- für die an den Einkünften beteiligten Personen verschiedene Finanzämter örtlich zuständig sind (BFH-Urteil vom 10.8.1994, X R 45/91, BFH/NV 1995 S. 387).
Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO vorliegen und sich deshalb eine gesonderte und einheitliche Feststellung erübrigt, ist grundsätzlich durch das Feststellungsfinanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 AO) im Rahmen des Feststellungsverfahrens zu treffen. Im Zweifel sollte daher ein Feststellungsverfahren durchgeführt und entweder ein positiver oder ein negativer (§ 180 Abs. 3 Satz 2 AO) Feststellungsbescheid erteilt werden (vgl. statt aller BFH-Beschluss vom 12.7.1988, IX B 28/88, BFH/NV 1989 S. 87).
3. Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO
Auch bei der gesonderten Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO kann in Fällen von geringer Bedeutung auf die Durchführung eines gesonderten Gewinnfeststellungsverfahrens ...